Gonokokken-Prävention durch Meningokokken-Impfung?

Wo Antibiotika-Resistenzen zunehmen, rücken nebst der Forschung an neuen Therapeutika auch präventive Maßnahmen zur Krankheitsvermeidung in den Fokus. So auch bei der Gonorrhö: Ein bereits zugelassener Meningokokken-B-Impfstoff bietet einen partiellen Schutz.

Auch wenn sie einem nicht täglich am HV begegnet, so ist die Gonorrhö (auch als „Tripper“ bekannt) keine seltene Erkrankung. Mit 82 Millionen Neuinfektionen stellte die Gonorrhö 2020 die dritthäufigste sexuell übertragbare Erkrankung weltweit dar [1]. Diese von Neisseria gonorrhoeae ausgelöste Erkrankung wird durch direkten Schleimhautkontakt, insbesondere beim Geschlechtsverkehr, übertragen. Besonders problematisch: Nicht bei allen Patient:innen treten klinische Symptome wie eitriger Ausfluss auf. Rund 50 Prozent der infizierten Frauen und 10 Prozent der infizierten Männer bemerken ihre Erkrankung nicht und können so unwissentlich zu Krankheitsüberträger:innen werden [2].

Resistenzen bei Gonokokken ein Problem

Die Standardtherapie in Deutschland besteht aus 1-2 g Ceftriaxon i.m. oder i.v. sowie 1,5 g Azithromycin p.o., jeweils als Einmalgabe [3]. Der Therapieerfolg wird jedoch zunehmend durch Resistenzen gefährdet: Gegen alle Antibiotika der ersten Wahl sind Resistenzen bekannt [4], ebenso sind mehrere Fälle von Therapieversagen aufgrund multi- oder extensiv-resistenter Gonokokken dokumentiert [5]. Die WHO nahm N. gonorrhoeae daher 2017 auf die Liste derjenigen Erreger auf, gegen die neue Antibiotika dringend benötigt und die in der Forschung priorisiert werden sollten [6].

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Nebst therapeutischen könnten auch präventive Maßnahmen helfen, die weltweite Prävalenz zu senken. In einer jüngst in der Zeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ erschienenen Publikation untersuchte eine US-amerikanische Forschungsgruppe, ob ein bereits zugelassener Meningokokken-B-Impfstoff (MenB-4C, z.B. Bexsero®, GSK), der als Antigen u.a. Außenmembranvesikel des Bakteriums enthält, vor Gonorrhö schützt. Zur Erinnerung: Bei dem Erreger der Meningokokken-Meningitis handelt es sich um Neisseria meningitidis, einen mit N. gonorrhoeae eng verwandten Erreger [7]. Die Forschenden werteten Daten der Gesundheitsämter der Städte New York und Philadelphia aus: Sie verknüpften 167.706 in den Jahren 2016-2018 aufgetretenen Infektionen mit Gonokokken und Chlamydien bei 16- bis 23-Jährigen mit deren jeweiligem MenB-4C Impfstatus zum Infektionszeitpunkt. Personen mit einer Chlamydieninfektion dienten hierbei als Vergleichsgruppe mit ähnlichen Risikofaktoren. Zur Beurteilung der Schutzwirkung der Impfung, wurden für die drei Gruppen der vollständig geimpften (mindestens zwei Impfungen mit MenB-4C), unvollständig geimpften (nur eine MenB-4C Impfung) und ungeimpften Patient:innen der jeweilige Gonokokken-Anteil an der Gesamtzahl der Chlamydien- und Gonokokken-Infektionen ermittelt. Es zeigte sich, dass in den ersten sechs Monaten nach der letzten Impfung in der Gruppe der unvollständig geimpften Patient:innen 26 Prozent (95% CI 12–37) weniger Gonokokken-Infektionen auftraten. In der vollständig geimpften Gruppe betrug die Reduktion sogar 40 Prozent (95% CI 23–53) gegenüber der ungeimpften Gruppe.

Partieller Schutz auch bedeutsam

Eine 40-prozentige Schutzwirkung mag auf den ersten Blick ernüchternd klingen, sind wir doch bspw. vom Masernimpfstoff einen nahezu 100-prozentigen Schutz gewohnt [8]. Unter dem Aspekt der globalen Gesundheit ist aber auch solch eine partial wirksame Impfung interessant. Gemäß einer wissenschaftlichen Hochrechnung könnte eine Impfkampagne von Jugendlichen vor dem ersten Sexualkontakt mit einem 50-prozentig wirksamen Impfstoff über einen Zeitraum von 20 Jahren die Prävalenz der Gonorrhö um 90 Prozent senken [9].

Quellen

[1] World Health Organization. Global progress report on HIV, viral hepatitis and sexually transmitted infections, 2021. Accountability for the global health sector strategies 2016–2021: actions for impact. Geneva 2021.

[2] Robert Koch Institut. Gonorrhö (Tripper). Epid Bull 2013;14:115-119

[3] Deutsche STI-Gesellschaft e.V. et al. AWMF S2k-Leitlinie: Registernummer 059 – 004. Diagnostik und Therapie der Gonorrhoe. 2018. www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-004.html. Zugriff am 26.04.2022

[4] Unemo M, Shafer WM. Antimicrobial resistance in Neisseria gonorrhoeae in the 21st century: past, evolution, and future. Clin Microbiol Rev 2014;27:587–613.

[5] Jansen K, Heuer D, Buder S. Drei Fälle von Gonorrhö mit ausgeprägter Antibiotika-Resistenz und Therapieversagen in Australien und Großbritannien. Epid Bull 2018;24:221–222

[6] World Health Organization. WHO priority pathogens list for R&D of new antibiotics. Geneva 2017. https://www.who.int/news/item/27-02-2017-who-publishes-list-of-bacteria-for-which-new-antibiotics-are-urgently-needed. Zugriff am 26.04.2022

[7] Tinsley CR, Nassif X. Analysis of the genetic differences between Neisseria meningitidis and Neisseria gonorrhoeae: two closely related bacteria expressing two different pathogenicities. Proc Natl Acad Sci USA 1996;93:11109–11114.

[8] Robert Koch Institut. Masernimpfung: Wirksamkeit, Sicherheit und Kontraindikationen. 2020. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/MMR/FAQ_Uebersicht_MSG.html. Zugriff am 26.04.2022

[9] Craig AP, Gray RT, Edwards JL, et al. The potential impact of vaccination on the prevalence of gonorrhea. Vaccine 2015;33:4520–4525.

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