Faktenblatt aus dem BMG: Verzerrtes Bild der Apotheken

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wendet sich mit einer Darstellung zur Situation der Apotheken an die Öffentlichkeit. Die Fakten stimmen – aber die Auswahl der Argumente und das Weglassen einiger Gegenargumente erzeugen ein verzerrtes Bild. Dies zeigt eine Analyse von DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn. 

Vor dem angekündigten Protesttag der Apotheken hat sich das BMG mit einer Pressemitteilung unter dem Titel „Situation der Apotheken 2023 – Auf einen Blick“ zu Wort gemeldet. Hier werden die Argumente hinterfragt.

Mehr zum Thema

Vor dem Apothekenprotest

BMG verbreitet „Faktenblatt“ zur finanziellen Lage der Apotheken

Vor dem 14. Juni

„Protest absolut richtig“: ABDA reagiert auf „Faktenblatt“ des BMG

Zuerst verweist das BMG auf „mehr Umsatz“ der Apotheken – gemeint ist der Mehrumsatz durch pandemiebedingte Sonderleistungen. Im Jahr 2021 waren das 2,5 Milliarden Euro bzw. 4 Prozent des Gesamtumsatzes. Das BMG weist zutreffend darauf hin, dass bei Zertifikaten und Impfstofflogistik kein Wareneinsatz nötig war. Darum hätten sich die Mehrumsätze „besonders stark“ auf das Betriebsergebnis ausgewirkt. Doch dabei fehlt ein wesentlicher Gedanke: Zusätzliche Arbeit – auch die steuerlich nicht als Personalkosten wirksame Arbeit der Apothekeninhaber – sollte auch zusätzlich honoriert werden. Außerdem bezieht sich das alles auf die Pandemie, insbesondere auf 2021. Mit der Situation von 2023 hat das nichts zu tun.

Vermischung mit dem OTC-Geschäft

Weiter heißt es, die Zahl der abgegebenen Packungen sei im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das stimmt, aber zuvor ist sie jahrelang gesunken. Der Anstieg im Jahr 2022 hat also einen für die Apotheken negativen Trend zumindest vorläufig gestoppt. Die Zahl der abgegebenen Packungen ist für die Apotheken wegen der Vergütung besonders im Rx-Bereich relevant. Das BMG weist allerdings vor allem auf den Anstieg im OTC-Bereich hin. Da kamen das Ende der pandemiebedingten Verlagerung zum Versand und die starke Erkrankungswelle im Herbst zusammen. Da sind Umsätze in die Vor-Ort-Apotheken zurückgekehrt. Die früheren Einbußen wurden teilweise kompensiert – ein Zugewinn ist das langfristig noch nicht.

Das BMG spricht angesichts der OTC-Umsätze von einer breiten Einnahmebasis. Doch das sollte mit Blick auf die Honorierung durch die GKV kein Thema sein, denn der Versorgungsauftrag muss honoriert werden – und das sollte nicht vom schwankungsintensiven OTC-Geschäft abhängen, in dem ein harter Preiswettbewerb mit den Versendern besteht. Mit dem Hinweis auf das OTC-Geschäft vermischt das BMG Themen, die nicht zusammengehören.

Fehlende Zahlen zur Honorierung

Unter der Überschrift „faire Honorare“ gesteht das BMG ein, dass die letzte Anpassung des Fixzuschlags „bereits längere Zeit zurückliegt“. Doch in der Zwischenzeit habe es „eine Reihe von Maßnahmen“ gegeben, die das Apothekenhonorar angehoben hätten. Als Beispiele nennt das BMG den Nacht- und Notdienstfonds, das Botendiensthonorar und die erhöhte BtM-Gebühr. Das trifft durchaus zu, aber das BMG geht nicht auf die quantitativen Aspekte ein. Der Nacht- und Notdienstfonds hat im Jahr 2022 gut 158 Millionen Euro ausgeschüttet. Das Botendiensthonorar liegt bei gut 29 Millionen Euro. Durch zwei Erhöhungen stieg die BtM-Gebühr von ursprünglich 26 Cent auf 4,26 Euro, also in zwei Schritten um insgesamt 4 Euro. Bei 17,7 Millionen BtM pro Jahr (Stand 2021) sind das etwa 71 Millionen Euro, ergibt zusammen etwa 258 Millionen Euro. Die Honorarforderung der ABDA über einen Ausgleich für die Inflation der zurückliegenden 21 Jahre beläuft sich aber auf über 2,5 Milliarden Euro. Die Zahlen zu den vom BMG aufgeführten Anpassungen zeigen also erst recht, wie weit die tatsächlichen Anpassungen von einem Inflationsausgleich und den ABDA-Forderungen entfernt sind. Das Argument des BMG verkehrt sich damit ins Gegenteil.

Außerdem verweist das BMG darauf, dass die Apothekenvergütung ungedeckelt an höhere Preise gekoppelt ist. Das ist auch nötig, weil einige Kosten ebenfalls an diese Preise gekoppelt sind. Dass die Großhandelshonorierung gedeckelt ist, erweist sich beim Großhandel als Problem. Das kann also kein Argument sein, die Apotheken ebenso zu belasten.

Was sollen neue Leistungen einbringen?

Weiter erklärt das BMG die Belastung der Apotheken durch den auf zwei Jahre befristeten höheren Kassenabschlag sei angesichts der Mehreinnahmen – gemeint sind die Einnahmen aus den Corona-Sonderleistungen – verhältnismäßig. Mit diesem Argument könnte jedes Honorar für irgendwelche neuen Leistungen später wieder abgeschöpft werden. Im nächsten Schritt argumentiert das BMG allerdings umgekehrt, die Apotheken hätten „neue Aufgabenfelder mit neuen Verdienstmöglichkeiten“. Gemeint sind die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen und die Impfungen.

Apotheken können Preise nicht erhöhen

In der weiteren Argumentation verweist das BMG auf die seit Jahren steigenden „Basisumsätze“ ohne pandemiebedingte Sonderleistungen. Dabei fehlt jedoch der Hinweis, dass die Mehrumsätze überwiegend auf immer mehr Hochpreisern beruhen, die sogar zu neuen Problemen führen und die Erträge kaum erhöhen. Vielmehr weist das BMG darauf hin, dass die Betriebsergebnisse gestiegen sind. Auch das trifft zwar zu, aber der Anstieg bezieht sich auf eine Durchschnittsapotheke. Daher beruht der Anstieg teilweise auf der Umverteilung der Umsätze geschlossener Apotheken. Außerdem ist die Umsatzrendite, also das Betriebsergebnis in Prozent vom Umsatz, seit Jahren rückläufig, abgesehen von den Pandemiejahren 2020 und 2021 mit den Sonderleistungen. Den Rückgang des Betriebsergebnisses im Jahr 2022 erklärt das BMG treffend mit den allgemeinen Kostensteigerungen und weist darauf hin, das sei für alle Wirtschaftsbetriebe belastend. Dabei fehlt jedoch der Hinweis auf den großen Unterschied, dass die Apotheken im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbetrieben beim größten Teil ihrer Umsätze die Preise nicht erhöhen können.

Nicht falsch und doch verzerrt

Damit treffen alle aufgeführten Fakten zu. Doch die Auswahl der Argumente und das Weglassen der jeweiligen Gegenargumente erzeugen ein ganz anderes Bild, als es die Apothekeninhaber und ihre Teams im Alltag erleben.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen