Blick in die Daten: Das leistet die Booster-Impfung gegen das Coronavirus

Die Zahl der Neuinfektionen steigt und steigt – und damit das Risiko für Geimpfte wie Ungeimpfte, mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Am Donnerstag erreichte die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz mit 249,1 einen Höchstwert seit Beginn der Pandemie. Die Zahl der Neuinfektionen kletterte mit 50.196 neuen Fällen binnen 24 Stunden ebenfalls auf ein Rekordhoch.

Wie lässt sich der Anstieg der Fallzahlen ausbremsen? Darüber wird derzeit in Fachkreisen und in der Politik debattiert – die Vorschläge reichen von einer bundesweiten 2G-Regelung, einer Steigerung der Impfquote bis hin zur Wiedereinführung von kostenlosen Bürgertests oder Kontaktbeschränkungen. Ein Schlaglicht ruht auch auf den Booster-Impfungen, die in Deutschland bereits bei vulnerablen Gruppen zum Einsatz kommen. Bundesweit listet das digitale Impfquotenmonitoring des RKI bislang mehr als drei Millionen solcher Auffrischimpfungen. Zum Einsatz kommen mRNA-Impfstoffe – also die Vakzine der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna.

Corona-Impfung


Wer soll jetzt eigentlich boostern? Und wann? Die wichtigsten Antworten auf einen Blick

Den Booster für alle haben die Gesundheitsminister von Bund und Ländern bereits in der vergangenen Woche in Aussicht gestellt. Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) hält eine Auffrischungsimpfung für alle Grundimmunisierten mittelfristig für sinnvoll, wie das Gremium am Montag in einer Stellungnahme erklärte. Dafür sprächen "immunologische und infektionsepidemiologische Gründe". Die Auffrischung solle "frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung" erfolgen, teilte die Stiko mit. Die Erklärung lässt darauf schließen, dass die Stiko den Booster für alle in Kürze empfehlen könnte. Derzeit ist das aber noch nicht der Fall. 

Hier können Sie nachlesen, für welche Gruppen die Stiko den Booster aktuell bereits empfiehlt. 

Was spricht aus wissenschaftlicher Sicht für den Booster? Wie stark können die Drittimpfungen das Infektionsgeschehen eindämmen? Und wie stärken sie den Schutz vor schweren Verläufen? Zu all diesen Fragen gibt es bereits Daten und Erkenntnisse aus Studien. Ein Überblick.

Warum wird ein Booster überhaupt benötigt?

Bekannt ist bereits, dass der Immunschutz nach der Impfung mit der Zeit nachlässt. Die Folge können sogenannte Durchbruchsinfektionen sein – also Erkrankungen mit dem Coronavirus trotz vollständiger Impfung. So zeigte eine US-amerikanische Auswertung von mehr als 3,4 Millionen elektronischen Krankenakten, dass der Ansteckungsschutz von Covid-19-Geimpften (Biontech/Pfizer) gegen die Virusvariante Delta im Laufe von fünf Monaten von 93 Prozent auf 53 Prozent zurückging. Das ist zwar ein deutlicher Schwund, allerdings sind auch die knapp 53 Prozent Schutz noch ein passabler Wert – verglichen mit den null Prozent, den nicht-genesene Ungeimpfte haben. 

Für den Effekt gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Da wäre zum einen die bereits genannte mit der Zeit nachlassende Impfwirkung. Doch auch die hochansteckende Virusvariante Delta spielt eine Rolle. Mit ihr können sich auch Geimpfte anstecken und potenziell zu Überträgern werden – wenn auch wesentlich seltener als Ungeimpfte.

Die gute Nachricht ist: In aller Regel verlaufen solche Durchbruchsinfektionen mild, auch das zeigte die Studie aus den USA. Mit 93 Prozent blieb die Schutzrate gegen schwere Verläufe mit Krankenhauseinweisung über die Dauer von sechs Monaten sehr hoch.

Wenn der Schutz vor schweren Verläufen gut ist – warum braucht es dann den Booster?

Wie so oft in der Medizin treffen pauschale Aussagen nicht für jede einzelne Person zu. Bezogen auf Impfstoffe bedeutet das: Obwohl die Corona-Impfstoffe das Gros der Menschen sehr sicher vor schweren Covid-19-Verläufen schützen, gibt es Personenkreise, die weniger stark profitieren.

Bekannt ist bereits, dass die Immunantwort bestimmter Personen nach einer ersten abgeschlossenen Corona-Impfserie schwächer ausfallen kann als bei anderen Menschen. Sogenannte "Low-Responder" bilden beispielsweise weniger Antikörper als die meisten anderen Menschen und können das Virus dadurch schlechter binden. Studien zeichnen ein sehr klares Bild, wer zu diesem Personenkreis zählt: Es sind vor allem Menschen mit Autoimmunerkrankungen, bestimmten Krebsarten, Ältere wie auch Patienten, die ein Spenderorgan erhalten haben und deshalb Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Für viele dieser Personen empfiehlt die Stiko deshalb bereits die Auffrischungsimpfung, darunter Menschen ab 70 Jahren.

Foto von Intensivstation


All diese Medikamente braucht ein beatmeter Covid-19-Patient – an einem einzelnen Tag

Was aber ist mit den Jüngeren? Sie haben grundsätzlich allein aufgrund ihres Alters ein niedrigeres Risiko, schwer zu erkranken. Die Grundimmunisierung schützt sie zusätzlich. Bei ihnen kommen vorwiegend die "infektionsepidemiologischen Gründe" zum Tragen, auf die die Stiko in der zuvor erwähnten Mitteilung Bezug nimmt. Das bedeutet: Eine Booster-Impfung verstärkt nicht nur bei Älteren, sondern auch bei Jüngeren die Immunantwort. In der Folge kommt es seltener zu Impfdurchbrüchen. Ist nun eine ausreichend große Anzahl an jüngeren und mittelalten Menschen drittgeimpft, hat das Einfluss auf das Infektionsgeschehen. 

Wie stark der Booster die Zahl sogenannter Durchbruchsinfektionen senken kann, zeigte kürzlich eine Untersuchung von Biontech/Pfizer mit mehr als 10.000 Teilnehmern, in der Daten von zweifach geimpften Personen mit jenen von dreifach Geimpften verglichen wurden. Die letzte Impfung lag bei allen Personen im Mittel elf Monate zurück. Die eine Gruppe bekam einen Booster verabreicht, die andere ein wirkungsloses Placebo. In den darauffolgenden zweieinhalb Monaten erkrankten in der Booster-Gruppe demnach fünf Menschen an Covid-19. In der Gruppe der Zweifach-Geimpften traten 109 Fälle auf. Das entspricht einer Booster-Wirksamkeit von 95,6 Prozent. 

Gibt es darüber hinaus noch Daten zu dem Booster?

Ja, die gibt es. In erster Linie aus Israel, einem Land, das sehr früh mit der Impfkampagne startete und deshalb bereits seit einigen Monaten "boostert" – auch jüngere Jahrgänge. Im Fachblatt "The Lancet" erschien vor kurzem eine Studie von Forschenden des "Clalit Research Institute" in Tel Aviv, die nahelegt, dass der Booster auch den Schutz gegen schwere Verläufe und Todesfälle erhöht – eine Art zusätzlicher Schutzschirm. (Details zu der Studie können Sie hier nachlesen.) Unklar ist allerdings, wie lange dieser anhält – die Nachbeobachtungszeit in der Studie war mit im Schnitt zwei Wochen recht kurz. 

Zudem gibt es Hinweise, dass die erfolgreiche Booster-Impfkampagne in Israel dazu geführt hat, die vierte Infektionswelle in dem Land zu brechen. Ob ein ähnlich starker Effekt auch in Deutschland zu beobachten wäre, ist allerdings fraglich, was vor allem an unterschiedlichen Altersstrukturen in der Bevölkerung liegt. 

Was folgt daraus?

Ältere und Risikogruppen können mit einem Booster ihr Risiko für schwere Krankheitsverläufe und Krankenhauseinweisungen weiter senken. Der Booster ist für sie insbesondere deshalb sinnvoll, weil die Impfung bei ihnen meist schon längere Zeit zurückliegt und viele Personen der ursprünglichen Priogruppe 1 zu den sogenannten "Low-Respondern" zählen dürften.

Für jüngere, gesunde Personen steht der Übertragungsschutz durch den Booster im Vordergrund: Menschen, die eine dritte Impfung erhalten haben, stecken sich noch einmal seltener mit dem Coronavirus an, was eine Weitergabe des Virus verhindern kann und einen zusätzlichen Schutz für vulnerable Gruppen bietet.

Experten wie der Stiko-Chef Thomas Mertens drängen darauf, auch bei den Booster-Impfungen zu priorisieren. Zunächst sollen diejenigen an der Reihe sein, die stark profitieren und bei denen die Impfung am längsten zurückliegt, Risikogruppen und Ältere. Ein Schlaglicht ruht auch auf der sogenannten Impflücke, also der Gruppe jener Millionen Menschen, die nach wie vor ohne jeden Schutz ist. Das Schließen der Impflücke habe angesichts der aktuellen Zahlen "allerhöchste Priorität", hatte der Virologe Christian Drosten bereits in der vergangenen Woche auf Twitter geschrieben. 

Warum das so wichtig ist, verdeutlichte Jan Fuhrmann, Experte für mathematische Epidemiologie an der Universität Heidelberg, gegenüber der Nachrichtenagentur DPA: Insgesamt sei der Unterschied zwischen dem Risiko eines schweren Verlaufs zwischen vollständig Geimpften und Ungeimpften größer als der zwischen Personen mit und ohne Boosterimpfung.

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