Semaglutid: auch bei kardiovaskulären Erkrankungen sinnvoll?

Dass Semaglutid nicht nur bei der Einstellung eines unzureichend kontrollierten Diabetes mellitus Typ 2 hilft, sondern auch bei der Gewichtsabnahme, ist hinlänglich bekannt. Ebenfalls konnte der Hersteller Novo Nordisk bereits zeigen, dass die Behandlung bei Diabetikern deren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senkt. Wie eine nun veröffentliche Studie nahelegt, scheint dieser Effekt auch für Nichtdiabetiker:innen mit kardiovaskulären Erkrankungen und hohem Körpergewicht zu bestehen. Die Studie könnte Grundlage für eine Indikationserweiterung werden.

Werden Diabetiker:innen mit Inkretin-Mimetika wie Liraglutid oder Semaglutid behandelt, wirkt sich das nicht nur positiv auf ihren Blutzuckerspiegel aus. Wie klinische Studien aus den vergangenen Jahren nahelegen, senkt die Behandlung auch ihr Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen [1, 2].

Mittlerweile hat der Wirkstoff Semaglutid im Fertigarzneimittel Wegovy® auch eine EU-Zulassung für Patient:innen ohne Diabetes zur Kontrolle und Reduktion des Körpergewichts bei Adipositas oder bei einem BMI von mindestens 27 kg/m2, wenn eine weitere gewichtsbedingte Erkrankung vorliegt. Und so stellt sich Anwender:innen, aber auch medizinischem Personal, die Frage: Senkt Semaglutid auch bei letzterem Patient:innenkollektiv kardiovaskuläre Risiken?

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Wegovy®-Hersteller Novo Nordisk hat dies in der randomisierten, Placebo-kontrollierten SELECT-Studie untersucht [3]. Im August hatten in einer Pressemitteilung vorab veröffentlichte Einblicke in die Studie bereits einen Kurssprung an der Börse verursacht [4], denn: Die Ergebnisse sind durchaus positiv ausgefallen.

Nun ist die SELECT-Studie im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht worden. Insgesamt 17.604 Teilnehmende wurden in diese Studie eingeschlossen. Sie alle waren mindestens 45 Jahre alt, kardiovaskulär vorerkrankt und hatten einen BMI von mindestens 27 kg/m2. An Diabetes Erkrankte waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen. Je die Hälfte von ihnen erhielt einmal wöchentlich 2,4 mg Semaglutid subkutan (n = 8803) oder Placebo (n = 8801). 

Kardiovaskuläre Ereignisse um 20 % reduziert

Über einen mittleren Nachbeobachtungszeitraum von 39,8±9,4 Monaten wurde als primärer Endpunkt das Auftreten von tödlichen kardiovaskulären Ereignissen sowie Myokardinfarkten und Schlaganfällen ohne tödlichen Ausgang ausgewertet. Ein solch schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis trat bei 6,5 % der Patient:innen der Verumgruppe ein (n = 569) und bei 8,0 % der Placebogruppe (n = 701) – womit die Behandlung das Risiko, ein solches Ereignis zu erleiden, signifikant um 20 % verringerte [3].

Dr. Andreas Zeiher (außerordentlicher Professor für Kardiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main) schlüsselt diesen kombinierten Endpunkt für das Science Media Center weiter auf: „Erfreulicherweise tragen alle drei Komponenten des kombinierten Endpunkts zur Ereignisreduktion bei, wobei der stärkste Effekt auf nicht-tödliche Myokardinfarkte (28 % Reduktion) gefolgt von der kardiovaskulären Mortalität (15 % Reduktion) sowie nicht tödlichem Schlaganfall (7 % Reduktion) zu beobachten ist. Schließlich wird auch die Gesamtsterblichkeit um 19 % reduziert. Daneben zeigt sich auch in Subanalysen eine Reduktion eines kombinierten Herzinsuffizienz-Endpunktes um 18 %“ [5].

Direkte oder indirekte Effekte ausschlaggebend?

Nicht abschließend geklärt werden konnte hingegen die Frage, inwieweit die Risikoreduktion eine indirekte, auf die Gewichtsabnahme zurückzuführende Folge der Semaglutid-Behandlung ist, oder ob direkte Auswirkungen des Arzneimittels auf das kardiovaskuläre System ausschlaggebend sind. Zeiher meint hierzu: „Semaglutid führte zu einer circa zehnprozentigen Gewichtsreduktion, einer 39-prozentigen Reduktion von CRP (C-reaktives Protein; Anm. d. Red.) – das ist vergleichbar mit Statinen – und einer signifikanten Reduktion des systolischen Blutdrucks. Der Effekt trat relativ früh in der Nachbeobachtung nach Beginn der Randomisierung auf, was dafür spricht, dass nicht nur die Gewichtsreduktion selbst – die längere Zeit braucht –, sondern auch die physiologischen Parameter zur Reduktion der Ereignisse beigetragen haben“ [5].

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Allerdings wird die Behandlung nicht von jeder und jedem gut vertragen: 16,6 % der Teilnehmer:innen der Verumgruppe brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab, häufig wegen unerwünschter gastrointestinaler Effekte. In der Placebogruppe waren es mit 8,2 % nur halb so viele [3]. Nichtsdestotrotz könnte dieser Therapieansatz laut Zeiher ein „sogenannter ‚game changer‘ in der Sekundärprävention atherosklerotischer Erkrankungen werden“ [5]. Entsprechende Zulassungsanträge hat Novo Nordisk gemäß Informationen der Deutschen Presseagentur sowohl in den USA als auch in der EU bereits gestellt. Die Entscheidungen erwartet das Unternehmen 2024 [4].

Literatur

[1] Marso SP et al. Effects of Liraglutide on Cardiovascular Outcomes in Patients With Diabetes With or Without Heart Failure. Journal of the American College of Cardiology. 2020;75(10):1128-1141; doi.org/10.1016/j.jacc.2019.12.063.

[2] Marso SP et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2016; 375:1834-1844; DOI: 10.1056/NEJMoa1607141

[3] Lincoff AM et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes. N Engl J Med. Preprint 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2307563

[4] mis/stk. ROUNDUP/Novo Nordisk: Details zu Wegovy gegen Herzkreislauf-Krankheiten positiv. dpa-Meldung vom 13.11.2023

[5] Effekt von Semaglutid auf kardiovaskuläre Erkrankungen. Meldung des Science Media Center vom 11.11.2023. www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/research-in-context/details/news/effekt-von-semaglutid-auf-kardiovaskulaere-erkrankungen/


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