Meine Themen des Jahres – Lieferengpässe, Impfungen und der Ukraine-Krieg

Vier DAZ-Redakteurinnen und -Redakteure präsentieren Ihnen in diesen Tagen ihre ganz persönlichen Themen des Jahres. DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat blickt auf die Schattenseiten: Der Ukraine-Krieg erschütterte die Menschen, Lieferengpässe führten zu Einschnitten in der Versorgung und der massive Anstieg von Atemwegserkrankungen bringt das System an seine Belastungsgrenzen. Doch es gibt Hoffnungsschimmer.

1. Ukraine-Krieg

Der 24. Februar ist ein schwarzer Tag im Jahr 2022: Plötzlich ist Krieg, ganz nah in Europa. Die Militärinvasion Russlands in der Ukraine verdrängt die Corona-Pandemie aus den Schlagzeilen und den Köpfen der meisten Menschen. Die Situation in der Ukraine, vor allem im Hinblick auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung, wurde von Tag zu Tag immer dramatischer. Die Hilfsbereitschaft der Deutschen ist groß, aber auch die Angst vor einer nuklearen Auseinandersetzung. Viele wollen die Arzneimittelversorgung der Ukrainer unterstützen. 

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Auf der anderen Seite fragt man sich, inwiefern der Krieg die Versorgung hierzulande beeinträchtigt. Der Krieg in der Ukraine betrifft auch die Pharmaindustrie. Neben dem britischen Unternehmen GlaxoSmithKline engagieren sich etwa die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis sowie der französische Sanofi-Konzern und das japanische Pharma-Unternehmen Takeda in der Ukraine. Auch deutsche Unternehmen sind betroffen: So sind es etwa Stada und Bionorica, die um das Leben ihrer Angestellten bangen. 

Die Hilfswerke der Apotheker und Großhandlungen bringen Lieferungen auf den Weg. In den Apotheken werden die Geflüchteten pharmazeutischen beraten. Zudem können Apotheken Flüchtlinge gegen COVID-19 impfen. Export, Energie- und Rohstoffpreise sind weitere Aspekte, die der Welt zunehmend Sorgen bereiten.

2. Impfungen in Apotheken

In diesem Jahr starteten gleich zwei wichtige Präventionsleistungen in Deutschlands Apotheken: einerseits die Impfungen gegen COVID-19, andererseits die Impfungen gegen Influenza. Im Februar war der Andrang groß, als es zum offiziellen Start der Corona-Impfungen in den Apotheken kam – jedenfalls im Hinblick auf das Medieninteresse. 

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Der Run der Bevölkerung blieb dagegen aus. Die meisten derer, die sich impfen lassen wollten, hatten es schon im Vorjahr erledigt. Die COVID-19-Impfkampagne in den Apotheken begann, als die Nachfrage bereits gesunken war. Auf die Frage, ob die Apotheken die Impfkampagne nun gewissermaßen boostern würden, zeigte sich die ABDA-Präsidentin daher skeptisch. 

Trotzdem galt dem Berufsstand im Februar die Aufmerksamkeit: Die Publikumspresse begleitete in den Ländern vor Ort die Apotheker und Impfwilligen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte sich sogar demonstrativ hinter das neuartige Angebot einer Apotheke in München. „Apotheken können Pandemie. Sie haben hohes Ansehen und ergänzen das Impfangebot als dritte Säule neben Impfzentren und Ärzten. Wir brauchen viele niederschwellige Angebote“, betonte Söder.

Und wer sich in Deutschland gegen Influenza impfen lassen möchte, muss dafür auch nicht mehr zwangsläufig zum Haus- oder Betriebsarzt. Am 19. Mai verabschiedete der Bundestag das Pflegebonusgesetz. Damit machte das Parlament auch den Weg frei für die Grippe­impfung in der Apotheke – sie wird nun Teil der Regelversorgung und damit unabhängig von Modellprojekten bundesweit möglich.

Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte mit dem im Jahr 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetz die Tür geöffnet, zunächst im Rahmen von Modellvorhaben in Apotheken. Die ärztlichen Standesvertreter ließen seitdem keine Gelegenheit aus, dagegen zu protestieren. Doch ihre Argumente stachen offenbar nicht – im vergangenen Frühjahr überführte der Gesetzgeber sie in die Regelversorgung. Inzwischen lag der Ball wieder im Feld der Selbstverwaltung: GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) mussten einen Vertrag aushandeln. Die Heilberufekammern der Ärzte und Apotheker arbeiteten an einem Curriculum.

3. Arzneimittellieferengpässe

Inzwischen sind es nicht nur „exotische“ Präparate, sondern auch Fiebersäfte, die mitunter nicht verfügbar sind. Arzneimittellieferengpässe und überforderte Kliniken betrafen 2022 vor allem die Jüngsten der Gesellschaft. Familien mit Kindern erlebten im Frühjahr und Sommer keine infektfreie Zeit. Dementsprechend war die Nachfrage nach pädiatrischen Erkältungsmitteln groß. Die Wahrnehmung durch die Politik und Behörden war dabei nicht unbedingt immer deckungsgleich mit der Lebensrealität in der Bevölkerung. 

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Pharmazeutische Hersteller machen auf die aus ihrer Sicht prekären Bedingungen aufmerksam. Das Erstattungssystem ist in der Kritik. Kurz vor Ende des Jahres wurde der mediale und gesellschaftliche Druck auf die Politik zum Handeln immer größer. Doch leider standen dabei auch die Apotheken im Kreuzfeuer. Ärztevertreter sehen das Heil sogar in „Arzneimittel-Flohmärkten“. Im Dezember kündigte Gesundheitsminister Lauterbach schließlich an, per Gesetz kurzfristige Schritte einleiten zu wollen, um Kinderarzneimittel besser verfügbar zu machen und die klinische Versorgung zu sichern.

4. Cannabis-Legalisierung

Seitdem sich die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grüne zu Beginn der Legislaturperiode dafür ausgesprochen hatte, Cannabis zu Genusszwecken legalisieren zu wollen, ist eine Diskussion entbrannt. Ende Oktober beschloss das Bundeskabinett dann ein Eckpunktepapier, das zur Prüfung an die EU-Kommission übermittelt wurde. 

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Die mögliche Rolle der Apotheken bleibt darin aber sehr vage beschrieben – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will sie offensichtlich nur heranziehen, wenn wirklich Bedarf besteht. Dennoch setzt sich der Berufsstand mit der Frage auseinander, ob die Abgabe von Cannabisblüten als Genussmittel nicht gegen den heilberuflichen Anspruch verstoße, obwohl das gesamte Projekt ohnehin noch unter Vorbehalt der EU-Kommission steht. 

Erst wenn deren Votum positiv ausfällt und Deutschland kein Vertragsverletzungsverfahren droht, will die Ampel-Koalition einen Gesetzentwurf auf die Beine stellen. Seit spätestens November richten sich die gespannten Blicke daher nach Brüssel.

5. E-Rezept

Fast vergessen: 2022 gab es einen (weiteren) Startschuss für das E-Rezept, gleichzeitig ein weiterer Rückschlag für das ambitionierte Digitalisierungsprojekt im deutschen Gesundheitswesen. Ab dem 1. September sollte der bundesweite Rollout in den Regionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein beginnen. Nur wenige Tage vor dem Start informierte jedoch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein darüber, dass sie sich aus dem Projekt zurückzieht. Hintergrund: Die Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Weiterleiten der E-Rezept-Token per E-Mail an die Versicherten für unzulässig erklärt. Dieser Weg war ohnehin nicht der offiziell vorgesehene. Wenige Wochen später wurde auch in Westfalen-Lippe die E-Rezept-Einführung auf Eis gelegt. 

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Die dortige KV informierte, dass der Datenschützer zur Übertragung des E-Rezepts über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) eine kritische Haltung habe. Für die KV war dieser Übertragungsweg allerdings die Bedingung ihrer Teilnahme. Auch in diesem Jahr gab es also keinen ruckelfreien Start des E-Rezepts. Doch die Apotheken sind kollektiv verpflichtet, digitale Verordnungen entgegenzunehmen und zu bearbeiten – sollten sie denn hin und wieder reinkommen.

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