Infektionszahlen stagnieren: "Wir sind am Beginn der dritten Welle"

Der Einzelhandel ist geschlossen, es gelten Kontaktbeschränkungen und auch Restaurants sind zu: Der Lockdown in Deutschland dauert an, doch die Infektionszahlen stagnieren mit zuletzt leicht steigender Tendenz. 7676 neue Fälle meldete das Robert Koch-Institut (RKI) am Sonntag – 1562 mehr als vor einer Woche. Binnen sieben Tagen gab es 60,2 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner, ein leichtes Plus im Vergleich zum Vortag. Auch der R-Wert kletterte am Samstag auf einen Wert von 1,07. Rechnerisch stecken damit 100 Infizierte 107 weitere Personen an. Es mehren sich damit die Anzeichen, dass der Trend der letzten Wochen mit sinkenden Infektionszahlen vorerst gebrochen ist.

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SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach blickt mit Sorge auf die Werte der vergangenen Tage. "Ich halte es für gesichert, dass die Zahlen darauf hinweisen, dass wir am Beginn der dritten Welle sind", sagte Lauterbach am Samstag im Gespräch mit dem "SWR". Das sei auch die Entwicklung, die aus Modellrechnungen hervorgegangen sei.

"Der Lockdown ist stark genug, die alte Wildtyp-Variante zu verdrängen, aber die neuen Varianten, insbesondere die britische, aber auch die südafrikanische Variante, dehnen sich weiter aus, und das ist nicht wirklich gut zu stoppen mit dem Lockdown, den wir derzeit haben." Lauterbach rechne nun mit einem stetigen Anwachsen der Fallzahlen. "Die dritte Welle ist auch der Beginn einer neuen Pandemie", warnte er. Infizierte mit der B.1.1.7 Mutante seien nicht nur länger ansteckend, es genüge auch eine geringere Virusdosis für eine Ansteckung. 

Einige Bundesländer planen, ab Montag Schulen teilweise zu öffnen. Lauterbach sieht das vor dem Hintergrund der aktuellen Zahlen kritisch. Die Antigentests seien "noch nicht da", man gehe mit den Schulen ein "Risiko" ein: "Wir werden mit der Mutation Ausbrüche an den Schulen sehen", so Lauterbach. Er appellierte, Antigentests nun "so schnell wie möglich" auch bei Schülern einzusetzen.

Corona-Maßnahmen konsequent einhalten

Zahlen des RKI zeigen, wie verbreitet die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Mutante in Deutschland ist. Die Variante fand sich demnach in der vergangenen Februarwoche bereits in 22 Prozent der untersuchten Proben. Noch Anfang Februar lag der Wert bei knapp sechs Prozent.

"Es ist unstrittig, dass B.1.1.7 einen Großteil der Infektionsfälle ersetzen wird", sagt Alexander Mellmann, Direktor des Instituts für Hygiene an der Uni-Klinik Münster. "Inwieweit sich das aber auf das Infektionsgeschehen auswirkt, hängt davon ab, wie gut in der Bevölkerung das Bewusstsein erhalten bleibt, dass die AHA-L-Regeln eingehalten werden müssen."

Länder wie Irland würden zeigen, dass die Eindämmung der Infektionen machbar sei. "Das Entscheidende ist nicht, die Maßnahmen zu verschärfen oder weitere einzuleiten, sondern konsequent die alten zu befolgen", so Mellmann.

Auch Roman Wölfel vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr München sieht das Verhalten der Bevölkerung als entscheidenden Faktor: "Dass Länder wie das Vereinigte Königreich oder Dänemark aktuell keinen Anstieg in den täglichen Fallzahlen feststellen, obwohl die Variante dort schon einen Großteil der Infektionen ausmacht, liegt wahrscheinlich am Verhalten der Bevölkerung vor Ort. Die Menschen dort werden sich der Lage bewusst sein und sich verstärkt an die umfangreichen Maßnahmen zur Eindämmung halten."

Die Regeln würden auch bei den Mutanten wirken, sie müssten aber strenger eingehalten werden, betont auch Lauterbach im Gespräch mit dem "SWR". Er rief dazu auf, nach Möglichkeit FFP2-Masken zu tragen, wann immer eine Maske nötig sei. Auch die Antigentests müssten nun breit zum Einsatz kommen. Einen weiteren Hebel sieht er zudem bei dem Impfstoff von AstraZeneca: Es sei "nicht akzeptabel", dass der zu Unrecht in Verruf geratene Impfstoff nun in den Impfzentren liegenbleibe. "Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, wenn man für alle drei Prioritätsgruppen bei den unter 65-Jährigen diesen Impfstoff jetzt einsetzen würde", so Lauterbach. 

"Das ist leider die Situation", ergänzte er auf Twitter. "Die 3. Welle beginnt jetzt." Die Frage sei nur, wie schnell sie komme und wie stark sie ausfalle. 

Quelle:SWR / Zitate lt. Science Media Center

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