Taliban, Corona, Hochwasser: Wie du das Gefühl der Ohnmacht ins Positive kehrst

In Afghanistan flüchten Tausende vor den Taliban, Hochwasser haben das Zuhause vieler Menschen zerstört und die vierte Welle des Coronavirus droht. Die aktuellen Schreckensmeldungen schaffen ein Gefühl der Ohnmacht. Wie wir am besten damit umgehen.

In den letzten Monaten haben wir viele Erfahrungen von Ohnmacht gemacht. Zuerst haben wir uns der Pandemie gegenüber ohnmächtig gefühlt, dann dem Hochwasser, dem Klimawandel und zuletzt haben wir ohnmächtig zugesehen, wie die Taliban die Herrschaft in Afghanistan an sich gerissen haben. 20 Jahre Einsatz mit vielen Todesopfern unter unseren Soldaten schienen umsonst.

Dort ansetzen, wo wir handeln können

Die Frage ist, wie wir mit unserer Ohnmacht umgehen. Wir könnten resignierend feststellen: Da kann man halt nichts machen. Die Welt ist halt so. Doch Resignation ist kein guter Weg. Sie lähmt uns und raubt uns alle Hoffnung. Doch ohne Hoffnung lässt es sich nicht leben. Die Lateiner wissen das, wenn sie sagen: „Dum spiro spero = Solange ich lebe, hoffe ich.“

Die stoische Philosophie unterscheidet zwischen dem, was in unserer Macht liegt und dem, was unserer Macht entzogen ist. Die vier Bereiche – Pandemie, Überschwemmung, Klimawandel und der Sieg der Taliban – sind zum großen Teil unserer Macht entzogen. Aber trotzdem sind wir diesen Katastrophen nicht völlig ausgeliefert. Wir können durchaus unseren Beitrag leisten, dass weniger Epidemien auftreten, dass unsere Wohnbereiche besser vor Überschwemmung geschützt sind, dass wir den Klimawandel aufhalten. Wir sollten also dort ansetzen, wo wir handeln können. Wir sollen das akzeptieren, was nicht in unserer Macht liegt, und das aktiv gestalten, was in unserer Macht liegt. imago/epd Pater Anselm Grün im Hof des Benediktinerklosters in Münsterschwarzach.

Über den Gastautor

Anselm Grün wurde 1945 geboren. Er ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und Buchautor. Die zahlreichen Publikationen des Theologen erscheinen weltweit in mehr als 30 Sprachen. Themen seiner Schriften sind unter anderem Spiritualität, Psychologie, Glück und Lebenslust.

Illusion, dass wir alles im Griff haben

Aber unabhängig von unserer aktiven Reaktion auf die Katastrophen von außen gilt es, dass wir uns der eigenen Ohnmacht stellen. Wir sind lange Zeit der Illusion nachgelaufen, als ob wir alles im Griff haben, alles kontrollieren und beherrschen können. Der griechische Mythos des Prometheus zeigt, dass dieser Wunsch, die Welt zu beherrschen, schon uralt ist.

Doch Prometheus muss den Raub des Feuers, mit dem er den Menschen die Herrschaft über die Welt ermöglichen wollte, damit bezahlen, dass er an den Kaukasusfelsen gefesselt wird und ein Adler immer wieder seine Leber auffrisst, sobald sie nachgewachsen ist. Prometheus ist der typische homo faber, der meint, er könne alles, was er wolle. Doch er spürt seine Ohnmacht. Er wird mit seinen Gefühlen konfrontiert.

Max Frisch hat in seinem Roman „Homo faber“ den typischen Macher so charakterisiert: Er möchte „die Welt so einzurichten, dass wir sie nicht erleben müssen. Manie des Technikers, die Schöpfung nutzbar zu machen, weil er sie als Partner nicht aushält, nichts mit ihr anfangen kann; Technik als Kniff, die Welt als Widerstand aus der Welt zu schaffen, beispielsweise durch Tempo zu verdünnen, damit wir sie nicht erleben müssen.“  Die Lehre aus der Ohnmacht der Welt gegenüber wäre daher, wieder zu lernen, die Welt zu erleben, sich selbst als Teil der Welt zu leben.

Aus dieser Hoffnung heraus können wir uns dann überlegen: Was kann ich tun, um aktiv auf die Ohnmacht zu reagieren? Was liegt in meiner Macht? Wie konnte ich in der Vergangenheit aus den Erfahrungen der Ohnmacht heraus kommen und mein Leben wieder in die Hand nehmen? Wir können unser Leben nicht kontrollieren. aber wir können es in die Hand nehmen und es gestalten, zwar nicht immer so, wie wir gerne möchten, aber doch so, dass wir damit leben können.

Wenn wir die Illusionen unseres Lebens loslassen, dann können wir aus der Ohnmacht heraus unserem Leben die Gestalt geben, die für uns stimmig ist. Und wir können die Welt so gestalten, dass wir darin mit Vertrauen leben können. Wenn wir es aufgeben, die Natur zu beherrschen, dann können wir fähig werden, sie zu erleben in ihrer Schönheit, aber auch in ihrer Unberechenbarkeit, in einer Macht, die unserer Macht entzogen ist, vor der wir uns in Demut zu verneigen haben. Dann erleben wir in der unbegreifliche Macht der Natur etwas von der Unbegreiflichkeit Gottes, der unserer Macht entzogen ist.

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