Ullmann (FDP): „Das Gesetz macht mir auch keine Freude“

Der Bundestag hat den Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz erstmals beraten und in den Gesundheitsausschuss überwiesen. Bei der rund 70-minütigen Debatte verteidigten die Ampel-Koalitionäre die Regierungsvorlage – auch wenn nicht alle durchweg mit ihr glücklich sind. Sie betonten wiederholt, dass strukturelle Reformen folgen werden. Für die Anliegen der Apotheken setzte sich in der Debatte niemand ausdrücklich ein.  

Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz ist im Parlament angekommen. Heute fand im Bundestag die 1. Lesung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung statt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies als erster Redner erneut darauf hin, dass die jetzige Regierung ein „historisches“ Defizit geerbt habe. Dieses sei entstanden durch demografische Entwicklung, bessere medizinische Technologie und auch ausgebliebene Strukturreformen. Ausdrücklich betonte Lauterbach aber, dass dies keine Kritik sein solle – es hätten mit der Pandemie andere Schwerpunkte im Vordergrund gestanden. Nun müsse man das Defizit gemeinsam und ohne Schuldzuweisungen beseitigen. 

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Dabei habe er sich von drei Grundprinzipien leiten lassen, erklärte der Minister. Zuvorderst steht dabei die Prämisse, keine Leistungskürzungen vorzunehmen. In einer Phase wie derzeit – geprägt unter anderem von Krieg, Inflation, Energiekrise – müsse man zusammenhalten. Die Menschen müssten sich auf eine sichere Gesundheitsversorgung verlassen können. Zum Zweiten müsse man erst an die Effizienzreserven, ehe man Beiträge erhöhe. Was man auch mit diesen Reserven nicht schaffe, müsse dann fair auf alle anderen verteilt werden: Über Steuermittel und moderat erhöhte Beitragssätze, an denen auch die Arbeitgeber beteiligt seien. 

Lauterbach sieht Effizienzreserven bei den Kassen

Als Beispiel für vorhandene Effizienzreserven, die „in keinem Fall die Versorgung verschlechtern“, ging Lauterbach nicht etwa auf seine Sparpläne bei Apotheken ein. Er verwies vielmehr auf Wettbewerbsverzerrungen, die es bei den Krankenkassen gebe: Einige hätten sehr hohe Rücklagen, andere nicht. Diese Rücklagen müssten erst einmal der Versorgung zugeführt werden. Mache man das nicht, nutzen das einige Kassen zum Beispiel dazu, die Altersrückstellungen für ihre Vorstände massiv aufzustocken. Es gebe Krankenkassen, da verdiene der Vorstand deutlich mehr als der Bundeskanzler, so Lauterbach. „Darüber muss nachgedacht werden“. 

Dem Lobbydruck Stand halten

Die Versorgung werde auch nicht dadurch schlechter, dass das Pflegebudget bereinigt werde, erklärte der Minister weiter. Hier seien derzeit Doppelabrechnungen möglich. Was den Arzneimittelsektor betrifft, sprach Lauterbach nur die Industrie an: Deutschland sei ohnehin schon der innovationsfreundlichste Markt in Europa – da sei es nur fair, die freie Preisbildung für neue Arzneimittel von zwölf auf sechs Monate zu kürzen. Dass es noch anders sei, sei nur dem Lobbydruck der vergangenen Jahre geschuldet. „Bei allem Verständnis für die Lobbygruppen, die bei uns jeden Tag vorsprechen“ müsse die Regierung für die Versicherten, Steuerzahler und Verbraucher stehen, sagte der Minister. Und so werde man ihrem Druck „bei unberechtigten Angriffen“ Stand halten.   

Nicht zuletzt betonte Lauterbach: „Nach der Reform ist vor der Reform“. Klar sei, dass eine langfristige Strukturreform folgen müsse. Es werde eine Dynamisierung des Bundeszuschusses und auskömmliche Beiträge für Arbeitslosengeld(ALG)-II-Empfänger geben. Er bitte um Verständnis, dass aber zunächst die Effizienzreserven gehoben werden müssten. Kurzfristig werde man überdies zum Beispiel für eine Entlastung der Krankenhäuser sorgen, die derzeit unter den erheblichen Energiekosten leiden.  

Klaus Holetschek (CSU):  „Versorgungsdestabilisierungsgesetz“

Im Bundestag kam zudem der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu Wort. Er ließ kein gutes Haar am Spargesetz – es sei ein „Versorgungsdestabilisierungsgesetz“, das alle wirklich wichtigen Themen außer Acht lasse. Statt des Gesundheitsministers machten jetzt der Bundesfinanz- und der Bundesjustizminister Gesundheitspolitik. Das sei schlicht eine „Kapitulation“. Die Länder haben im Bundesrat vielfältige Änderungen eingefordert, die Holetschek teilweise nochmals ansprach. Das, was die Ampel für die nächste Reform verspreche, müsse schon jetzt geschehen. Insbesondere bei den Beiträgen für ALG-II-Empfänger will der CSU-Mann nicht warten – doch dem steht derzeit der eiserne Wille von Finanzminister Christian Lindner (FDP) entgegen, die Schuldenbremse einzuhalten. Holetschek ist zwar auch bewusst, dass es eine Zeit ist, in der man zusammenhalten muss – aber die Regierung setze bei dem Gesetz die falschen Schwerpunkte. Klar sei, dass auch die Pharmaindustrie einen Beitrag leisten müsse – und auch wolle. Aber es gehe ums „Wie“ – es müsse zuvor ein Pharmadialog stattfinden, sonst mache man den Standort kaputt. Der bayerische Minister sprach auch noch die Zahnärzte an, nicht aber die Apotheken. 

Verteidigt wurde der Entwurf dann wiederum von Vertretern der Ampelkoalition: Maria Klein-Schmeink (Grüne) betonte, dass man schnell eine Übergangsregelung schaffen müsse und versprach, dass die Zusagen des Koalitionsvertrages umgesetzt würden. Sie entgegnete Holetschek, was die Ampel vorfinde, sei das Ergebnis 16 Jahre unionsgeführter Gesundheitspolitik.  

Ullmann: Gesundheitssystem muss für Leistungserbringer auskömmlich finanziert werden

Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion erklärte: „Dieses Gesetz macht mir auch keine Freude“. Ihm gefalle es nicht, Zusatzbeiträge zu erheben und zu Leistungserbringern zu gehen, um ihnen zu sagen, dass man trotz ihrer hochwertig erbrachten Leistungen Einsparungen vornehmen müsse. „Aber was ist die Alternative?“  Auch Ullmann versicherte: Es handele sich nur um einen ersten Schritt, nicht den letzten. Klar sei, dass das Gesundheitssystem „menschlicher, digitaler, ambulanter, vernetzter, bedarfsgerechter und innovativer“ werden müsse – und für Leistungserbringer auskömmlich finanziert.  

Christos Pantazis (SPD) war der einzige, der kurz die Apotheken nannte – zusammen mit den anderen Leistungserbringern, die ihren Beitrag zur Stabilisierung der Kassenfinanzen leisten würden. Auch aus seiner Sicht ist es richtig, die Lasten solidarisch auf alle Schultern zu verteilen. 

Nun ist der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den federführenden Gesundheitsausschuss des Bundestages überwiesen. Dort wird sich zeigen, ob Karl Lauterbach die Abgeordneten der Ampelfraktionen wirklich auf seiner Seite behalten kann. 

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