„Sumpf des Irrsinns“: Lauterbach-Reform stößt auf massive Kritik
Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die Krankenhäuser reformieren. Doch seine Vorschläge stoßen keineswegs bei allen auf Begeisterung. Hebammen starteten nun eine Petition gegen eine der Neuerungen.
Es soll die größte Krankenhausreform der vergangenen 20 Jahre werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Deutschlands Kliniken entlasten, unsere Gesundheitsversorgung soll künftig „modern“ und „bedarfsgerecht“ erfolgen. Doch seine Pläne stoßen bei einigen auf harte Kritik.
Neuer Finanzierungsplan streicht Hebammen aus dem Pflegebudget
So etwa sein neuer Plan zur Finanzierung des Personals. Dieser sieht ab 2025 eine gravierende Gesetzesänderung vor: Ab 2025 sollen nur noch qualifizierte Pflegekräfte, die bei der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt werden, im Pflegebudget berücksichtigt werden. Das bedeutet: Weiteres medizinisches Fachpersonal muss anderweitig von den Krankenhäusern finanziert werden, etwa Physiotherapeuten, Logopäden – oder auch Hebammen und Entbindungspfleger.
Gerade letztere treffe diese Neuerung „besonders hart“, heißt es jetzt in einer Petition von Hebammen, die sich genau gegen diese Neuerung ausspricht. Sie würden dadurch nicht mehr im Budget berücksichtigt.
Die Befürchtung: Künftig könnten deren Aufgaben dann von anderem, nicht auf die Geburtshilfe spezialisierten Pflegepersonal übernommen werden. „Auf den Wochenbettstationen werden Hebammen gekündigt werden, da diese Stellen nicht mehr refinanziert werden“, heißt es weiter. Diese Hebammen seien jedoch essenziell für eine qualitative Betreuung von Frauen und Neugeborenen. Stattdessen würden reguläre Pflegekräfte eingesetzt, die nicht für Betreuung von Schwangeren und Neugeborenen ausgebildet sind. Dies habe einen „massiven negativen Einfluss auf die Versorgungsqualität“.
Aus diesem Grund fordern die Hebammen in der Petition an das Bundesgesundheitsministerium, sie nicht aus dem Budget zu streichen. Bis jetzt haben rund 260.000 Menschen unterschrieben.
Gynäkologe: „Geht's noch?!“
„Hebammen haben keine Lobby. Schwangere haben keine Lobby. Kinder haben keine Lobby“. Das zeige das Gesetz, erklärt auch Gynäkologe Konstantin Wagner auf Instagram, der die Petition teilte. In einem Beitrag mit dem Titel „Geht's noch?! Herr Lauterbach“, empört er sich über die geplante Änderung. „Statt das Pflegefachpersonal zu entlasten (was seit Jahren! indiskutabel behandelt wird), wird dieses zukünftig nun zusätzlich die Aufgaben der Hebammen übernehmen“, warnt er. In diesen „Sumpf des Irrsinns“ würden dann auch Schwangeren, Mütter und Neugeborene gezogen. „Was ist uns die Gesundheit von beginnenden Leben wert?“, fragt er in seinem Beitrag.
https://www.instagram.com/p/Ckf9HLXNKKd/
Und auch Intensivpfleger Ricardo Lange, der während der Corona-Pandemie mit seinen emotionalen Apellen an die Bundesregierung Bekanntheit erlangte, äußerte harsche Kritik an der geplanten Neuerung: „Ganz toll und treffend geschrieben. Ihr habt meine volle Solidarität“, schrieb er unter den Beitrag von Gynäkologe Wagner. „Wer hier spart, hat sie nicht mehr alle!“
Als „Armutszeugnis für unsere Politiker“ bezeichnete eine weiter Instagram-Userin das Gesetz. Lauterbach habe „nicht mehr alle Latten am Zaun“. Sie sei vor acht Wochen zum ersten Mal Mutter geworden und „so unendlich dankbar für die Hebamme“. „Ohne diese Menschen wären wir absolut aufgeschmissen“, betont sie. „Ich überlege mir die ganze Zeit, wie man sich für so viel Hilfe und Fürsorge bedanken kann und die Politik haut einfach drauf.“
Lauterbach will Klinik-Geburtshilfe stärken
Vergessen hat Lauterbach die Geburtshilfe in den Kliniken aber offenbar nicht. Wie es jetzt in einem Bericht der Zeitungen der Funke-Mediengruppe heißt, den das Gesundheitsministerium am Samstag auf dpa-Anfrage bestätigte, plant er, diese in den kommenden beiden Jahren mit insgesamt 240 Millionen Euro zu stärken. Mit dem Geld sollen die Kliniken jenseits des Systems der Fallpauschalen unterstützt werden.
Basis der Pläne ist ein Änderungsantrag für das sogenannte Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, das sich derzeit noch im parlamentarischen Verfahren befindet. Eine Ministeriumssprecherin betonte, dass es noch zu Änderungen kommen könne. Der Plan muss also noch beschlossen werden. Ziel der Gesetzesänderungen, die das Ministerium anstrebe, sei es, die medizinische Versorgung in Krankenhäusern wieder stärker an den Bedürfnissen der Patienten zu orientieren, erklärte die Sprecherin.
Gesundheitsminister immer wieder in der Kritik
Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Lauterbach mit seinen geplanten Änderungen in den Kliniken Kritik widerfährt. Etwa behauptete er unlängst, dass Problem sei gar nicht, dass wir in Deutschland zu wenig Pflegekräfte haben. Stattdessen setzen wir diese nur „sehr wenig effizient“ ein. Eine steile These, nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Und geht es nach der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), eine falsche.
Denn deren stellvertretende Vorstandsvorsitzende Henriette Neumeyer erklärte auf Nachfrage von FOCUS online: „Es gibt nach wie vor zu wenig Pflegekräfte. Mit rund 30.000 unbesetzten Stellen in der Krankenpflege zählen wir sogar 10.000 mehr als im Vorjahr.“ Zwar begrüße sie die von Lauterbach ebenfalls angekündigten Schritte in Richtung mehr ambulanter Versorgung im Krankenhaus. „Das wird den Pflegekräftemangel aber nicht lösen“.
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