Suizid – warum töten sich so viel mehr Männer als Frauen?

Beim Thema Selbsttötung gibt es in fast allen Ländern ein Paradox: Frauen leiden häufiger an Erkrankungen wie Depressionen, sie versuchen häufiger als Männer, einen Suizid zu begehen, und doch ist die Suizidrate bei Männern wesentlich höher.

Fast 10.000 Menschen sterben in Deutschland durch Suizid. Doch sie werden nicht so wahrgenommen wie andere Todesfälle. Zur Einordnung: Es sterben mehr Menschen durch Selbsttötung als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, AIDS und illegale Drogen zusammen. Wobei „legale“ Alkoholtote nicht mitgezählt werden. Weltweit gab es laut WHO im Jahr 2016 schätzungsweise 793.000 Selbstmordfälle.

Weit mehr Versuche 

Die Zahl der Versuche ist allerdings ungleich höher, sie wird in Deutschland auf 150.000 geschätzt. In der Statistik dominiert nach wie vor der klassische Fall von sehr jungen Menschen. In keinem anderen Lebensabschnitt begehen so viele Menschen Suizidversuche wie vor dem 25. Lebensjahr. Hinter Unfällen sind sie die häufigste Todesursache in der Gruppe der 15- bis 20-Jährigen – was allerdings auch daran liegt, dass nur wenige Jugendliche an Krankheiten sterben.

In Deutschland bringen sich in allen Altersklassen dreimal so viele Männer um, wie Frauen. Ein globaler Trend. Bei britischen Frauen liegt die Quote bei einem Drittel der Männer. In den USA sind es dreieinhalb Mal so viele Männer, in Russland und Argentinien sogar vier Mal. Dieses Verhältnis ist nicht neu. „Wir sehen diese Diskrepanz, solange die Aufzeichnungen zurückreichen“, sagte die Psychologin Jill Harkavy-Friedman, Vizepräsidentin für Forschung der American Foundation for Suicide Prevention, der BBC. Paradoxerweise neigen Frauen jedoch häufiger zu einem Suizidversuch. In den USA sind es 20 Prozent mehr. Doch führen die männlichen Suizidversuche weit eher zu einem Ziel.

Hilferuf erkennen

Es gibt zahlreiche Erklärungsmuster, warum Männer besonders gefährdet sind. Mangelnde Kommunikation, so wie die Unfähigkeit, Probleme einzugestehen und der Wunsch nach außen hin stark zu erscheinen. Auch der Zusammenbruch einer ganzen Existenz infolge von Schulden oder Arbeitslosigkeit können zu Suizidversuchen führen.

Männer und psychische Probleme

Männer suchten generell seltener Hilfe bei psychischen Problemen, so Harkavy-Friedman. „Es ist nicht so, dass Männer nicht die gleichen Probleme haben wie Frauen – aber sie wissen häufig nicht, dass sie unter Stress oder psychischen Erkrankungen leiden. Und sich so einem größeren Risiko für Suizid aussetzen.“ Psychische Erkrankungen erhöhen die Suizidalität enorm, allen voran die Depression. Psychische Leiden wie Depressionen sind heute gut zu behandeln. Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist, dass sich Erkrankte medizinische Hilfe holen – ein erster Ansprechpartner kann der Hausarzt sein.

Der klassische männliche Ausweg bei psychischen Beschwerden führt jedoch häufig zu höherem Drogenkonsum und Alkoholkonsum, was die Suizidgefahr weiter verschärft. Die WHO führt 30 Faktoren auf, die die Verletzlichkeit einer Person erhöhen. Laut WHO spielt Alkoholmissbrauch in fast 50 Prozent der Suizide eine Rolle. Psychische Erkrankungen bei 90.

Diese möglichen Auslöser erklären nicht den hohen Frauenanteil bei den Suizidversuchen. Die Statistik unterscheidet allerdings nicht zwischen „ernsthaften“ Versuchen, die fast zum Tode geführt hätten, und zwischen Versuchen, die man eher als Hilferuf verstehen kann.

In Deutschland gibt es Präventionsprogramme und entsprechende Initiativen. Doch im Vergleich zu den oben genannten anderen Todesursachen – Verkehrsunfall, Drogen, oder AIDS – sind die Anstrengungen gering. Öffentlichkeitsarbeit gilt zudem als schwierig. Experten fürchten den Werther-Effekt – benannt nach einer Romanfigur Goethes. Er besagt, dass Fälle von öffentlich wahrgenommenen Suiziden Nachahmer hervorrufen. Mithilfe einiger provokanter Fotos wurde die Helm-Kampagne zur Verkehrssicherheit wochenlang diskutiert – solche PR-Tricks sind beim Thema Suizid nicht möglich. Dennoch nehmen Suizide in Deutschland stark ab. 9838 Toten im Jahre 2016, stehen 30 Jahre zuvor 16.296 Fälle gegenüber.

Quellen: BBC, WHO

Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 erreichbar. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Für Kinder und Jugendliche steht auch die Nummer gegen Kummer von Montag bis Samstag jeweils von 14 bis 20 Uhr zur Verfügung – die Nummer lautet 116 11.

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