Müssen mehr Ansteckungen zulassen: Infektiologe will Herdenimmunität schaffen

Um das Konflikpotenzial in Familien zu mindern, um die Wirtschaft vor einer schweren Krise zu bewahren, spricht sich Infektiologe Ansgar Lohse dafür aus, in der Bevölkerung Herdenimmunität zu schaffen. Immun gegen das Coronavirus werden die Menschen jedoch nur, wenn sie sich anstecken.

Vor dem 20. April wird die Kontaktsperre in Deutschland nicht aufgehoben. Das gab Kanzleramtschef Helge Braun am Samstag bekannt, auch Vizekanzler Olaf Scholz erklärte, er wolle bis dahin an den Maßnahmen festhalten.

Damit könnte zwar die Verbreitung des Coronavirus verlangsamt werden – doch die Maßnahmen könnten auch schwere medizinische Folgen haben. Davor warnte jetzt Ansgar Lohse, der Direktor des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Der Infektiologe erklärte gegenüber "Bild": "Die Betreuung von psychisch Kranken ist schwieriger geworden, die Familiensituation in engen Räumen birgt extremes Konfliktpotenzial und eine Wirtschaftskrise wirkt sich direkt auf die Sterblichkeit aus." Je länger die Maßnahmen andauerten, desto schlimmer die Folgen.

Ein heikles Vorhaben

Deshalb riet Lohse dazu, sich eher auf das Ziel der Herdenimmunität zu konzentrieren. Ohne eine Impfung, mit der er vor 2021 nicht rechne, könne die unkontrollierte Ausbreitung des Virus nur gestoppt werden, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen eine Immunität entwickele.  "Wir müssen zulassen, dass sich diejenigen, für die das Virus am ungefährlichsten ist, zuerst durch eine Ansteckung immunisieren.", erklärte der Infektiologe.

  
 
 

Dass das ein heikles Vorhaben sei, räumte Lohse ein. Es müssten Wege gefunden werden, die Entwicklung von Immunitäten möglichst sicher zu steuern. Da sowohl Kinder als auch die meisten jungen Eltern nicht zur Risikogruppe gehörten, sollten Kitas und Schulen schon bald wieder öffnen.

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Zu wenige Maßnahmen für Altenheime

Allerdings müssten auf der anderen Seite die Risikogruppen besser geschützt werden: "Wir haben immer noch zu wenige Maßnahmen für die Altenheime und die ambulante Pflege", so der Infektiologe.  Besonders wichtig sei es außerdem, bald Antikörpertests zur Verfügung zu haben, mit denen die Immunität nachgewiesen werden kann. 

Mit seiner Meinung ist Lohse nicht allein. "Ich bin mit vielen Kollegen aus ganz verschiedenen Fachrichtungen im Diskurs, die ähnlich denken", erklärte er. "Wir sind uns einig, dass wir nicht nur auf Corona schauen dürfen. Auf Dauer richten wir sonst zu große Schäden an."

Viele Menschen würden leiden und sterben, weil andere Krankenhausbetten reduziert würden, weil soziale und ärztliche Dienste nicht mehr funktionierten. Außerdem, "weil Menschen vereinsamt und andere zusammengepfercht leben müssen, weil Karrieren und Existenten gefährdet werden."

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