Glaube nicht, dass ich sonst so schnell gekommen wäre: Impfparty lockt Clubszene Berlins an

Ob auf Marktplätzen, in Schulen oder in der Tanz-Arena: Berlin versucht jetzt Impfmuffel und Skeptiker unkompliziert mit gezielten Sonderaktionen zu erreichen. In der „Arena“ in Treptow finden deshalb „lange Impfnächte“ statt. Zu wummernder DJ-Musik soll hier gezielt junges Publikum angesprochen werden. FOCUS Online hat vor Ort nachgefragt, wie die Aktion ankommt.

Bei gedämpftem Licht und Partymusik warten am Mittwochabend hunderte Leute in der "Arena" in Berlin Treptow auf ihre Impfung. Hinter Glasscheiben sitzen gutgelaunte Helfer aus der Clubszene, tragen Accessoires wie Partyhüte und Hasenohren und kümmern sich um die Anmeldung der Teilnehmer. Besonders kompliziert ist es nicht – Impfwillige brauchen nicht einmal einen Personalausweis. Jeder kann kommen.

Impfung bei Clubmusik und Partylichtern

FOCUS Online/Probandt Bei der Impfaktion in der „Arena“ sind auch viele Helfer aus der Clubszene Berlins dabei.  

Nach einer vielversprechenden Premiere hat am Mittwochabend die zweite "lange Nacht des Impfens" stattgefunden. Hier können Menschen von 20.00 bis 0.00 Uhr zum impfen kommen. Die Aktion soll vor allem die Feierszene der Hauptstadt ansprechen.

Wer teilnehmen will, muss sich zunächst in der langen Schlange vor dem Impfzentrum einreihen. Das Warten wird an diesem Mittwoch musikalisch durch einen Gitarrenspieler am Straßenrand versüßt. Nach dem Einlass erfolgt eine kurze Anmeldung, woraufhin die Personen zu den Impfkabinen geleitet werden.

Einmal in der Kabine, hat jeder die Möglichkeit Fragen zu stellen und sich beraten zu lassen. Danach kann direkt geimpft werden. Zum Schluss geht es in den Wartebereich, in dem auch das DJ-Pult steht und Clubstimmung mithilfe von bunten Lichtern und einer Tanzfläche erzeugt wird. Wer möchte, kann außerdem direkt den digitalen Impfausweis erhalten.

Viele nutzen Aktion für schnelle Zweitimpfung

Im Gespräch mit FOCUS Online berichtet einer der Teilnehmer: "Diese Berliner Aktion ist faszinierend. Ich glaube nirgendwo auf der Welt gibt es so etwas." Diego B. ist 50, kommt aus Argentinien und ist selbst Musiker. Seine erste Spritze hat er schon erhalten. "Die lange Impfnacht" ist für ihn eine gute Gelegenheit, die Impfung zu vervollständigen.

Auch Andressa G. aus Brasilien gefällt das Event. "Ich habe gehört, dass es sehr einfach geht", erzählt sie im Interview. Die Brasilianerin ist gerade erst vor einer Woche nach Berlin gezogen. Auch sie hat bereits die erste Dosis erhalten. "Als ich auch noch gehört habe, dass es hier DJs gibt, dachte ich mir: Warum nicht!"

FOCUS Online/Probandt Bereits zu Beginn der Veranstaltung stehen zahlreiche Menschen Schlange vor dem Impfzentrum.  

Weniger erfreut ist der 30-jährige Benjamin L.: "Es wurde gesagt, wenn alle ein Impfangebot haben, endet der Schwachsinn", sagt er verärgert. Vor zwei Monaten sei es soweit gewesen, doch man habe sich nur noch an Inzidenzen orientiert. "Da ich aber am Leben teilhaben möchte und ich glaube, dass die Politik definitiv eine Impfpflicht einführen wird, denke ich mir, es ist sinnvoller, das jetzt zu machen", sagt er verbittert.

Auch andere Personen sind noch skeptisch. Manche wollen sich erst einmal alles anschauen, das medizinische Personal unter die Lupe nehmen und sich dann entscheiden. Andere musste man überreden zur "langen Impfnacht" zu kommen – so auch den Ehemann von Verkäuferin Martina J. "Da mein Mann noch nicht geimpft ist, habe ich das Event als Vorwand genutzt, ihn hier her zu schleppen", erzählt sie schmunzelnd. "Dann können wir auch mal wieder zusammen essen gehen. Außerdem ist hier Musik und gute Stimmung."

FOCUS Onlne/Probandt Die Schlange aus Impffreiwilligen vor der Arena.  

Kreative Angebote als Anreiz für Impfmuffel?

Gute Stimmung und einen lockeren Rahmen wollen immer mehr Bundesländer nutzen, um Menschen zum Impfen zu motivieren. So sollen in Brandenburg nach den Sommerferien auf Festivals, Parkplätzen oder am Strand geimpft werden, berichtet Dominik Lenz, Sprecher des dortigen Gesundheitsministeriums.

Auch SPD-Politiker Lauterbach spricht sich für kreative Aktionen aus. "Wo die jungen Leute sind, da muss es möglich sein, dass die sich impfen lassen können, mit mobilen Impfteams, ohne jeden Aufwand", riet er in der ZDF-Sendung Maybrit Illner.

Die Rechnung scheint aufzugehen. Die meisten Teilnehmer des Impf-Events in Berlin-Treptow sind positiv gestimmt, haben gute Laune. "Sich schick machen und weggehen", "gute Musik hören" und die Lust am Tanzen zählen zu den häufigsten Gründen für das zahlreiche Erscheinen. Das sieht auch die 24-jährige Alois so. Die junge Französin lebt seit zwei Jahren in Berlin und gesteht uns lächelnd. "Ich glaube nicht, dass ich sonst so schnell zum Impfen gekommen wäre."

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