Depressionen: Langes Schlafen kann negative Auswirkungen haben – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal
Langer Schlaf kann Depression verschlechtern
Schon vor Jahren berichteten Fachleute, dass sich bei Menschen, die längerfristig zu wenig schlafen, das Risiko für eine Depression erhöhen kann. Doch nicht nur zu wenig, sondern auch zu viel Schlaf kann laut einer neuen Studie negative Auswirkungen haben und depressive Symptome verschlechtern.
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Schlaf und Depression: Schlaf oder im Bett dösen führen bei einigen Patientinnen und Patienten nicht zu Erholung, sondern zu einer Verschlechterung der depressiven Symptome. Das zeigt die neueste Studie des Forschungszentrums Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Schlafentzug in Kliniken oder eine leichte Reduktion der Bettzeit, die Betroffene zuhause vornehmen können, sind demnach unterstützende Wege zur Behandlung.
Verschlechterung der Depression
Einer aktuellen Mitteilung zufolge zeigt eine neue Analyse von Längsschnitt-Daten, die von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zusammen mit IT-Partnern erhoben wurden, wie eng der Zusammenhang zwischen Schlaf und Stimmung ist. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Pilotprojektes (STEADY-Projekt) dokumentierten 22 an Depression erkrankte Studienteilnehmende an durchschnittlich 173 Tagen mithilfe einer App ihre Bett- und Schlafzeiten sowie ihre depressiven Symptome. Dabei zeigt sich, dass eine längere Bett- oder Schlafzeit bei elf dieser Betroffenen in statistisch signifikanter Weise mit einer Verschlechterung der Depression einhergeht. Wobei bei sechs von ihnen eine vorhergehende längere Bettzeit zu mehr depressiven Symptomen führt und diese damit möglicherweise sogar verursacht werden.
„Wenn Betroffene bei sich den Zusammenhang zwischen Depression und Bettzeit verstehen, dann können in Rücksprache mit dem Behandler daraus ganz individuelle Therapieempfehlungen abgeleitet werden. Beobachtet ein Patient beispielsweise, dass er sich nach längeren Bett- oder Schlafzeiten noch erschöpfter fühlt, so kann eine Verkürzung der Bettzeit auf circa 8 Stunden sinnvoll sein“, erklärt Prof. Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der SenckenbergProfessur an der Universität Frankfurt/M. die Ergebnisse, die in dem Fachjournal „JMIR Mental Health“ veröffentlicht wurden.
Ständig erschöpft
Wie die Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf ihrer Webseite schreibt, ist etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens von einer Depression betroffen. Hinsichtlich der Krankheitszeichen sind Depressionen bei den beiden Geschlechtern recht ähnlich. Laut den Fachleuten fühlen sich depressiv Erkrankte unter anderem immer erschöpft und haben eine große Sehnsucht nach erholsamem Schlaf. Bei einigen wirkt der Schlaf aber depressionsverstärkend. Dann kann Schlafreduktion eine antidepressive Wirkung haben.
Der hier zugrundeliegende Mechanismus kann gut am Beispiel von übermüdeten Kindern verdeutlicht werden: Müde Kinder werden plötzlich überaktiv und sind voller Energie. Der Körper braucht eigentlich Schlaf, dem steuert das müde Kind jedoch entgegen, indem es eine reizintensive Umgebung schafft, die das Einschlafen verhindert. Auch Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben eine erhöhte Einschlafneigung, wie in Studien gezeigt wurde. In einer ruhigen Umgebung, beispielsweise im Schulunterricht, neigt der Organismus zum Einschlafen und steuert gegen, indem er – ähnlich wie bei den übermüdeten Kindern – durch Hyperaktivität und Ablenkbarkeit eine reizintensive Umwelt schafft.
Warum Depressive Ruhe suchen
Depression ist das Gegenteil: Depressive Personen sind oft von einer chronisch erhöhten Wachheit betroffen. Patientinnen und Patienten fühlen sich dauerhaft angespannt wie vor einer Prüfung, können nicht entspannen und kommen trotz Müdigkeit nur schwer zur Ruhe. Betroffene steuern gegen, indem sie sich zurückziehen und alle weiteren äußeren Reize wie zum Beispiel soziale Kontakte oder laute Musik vermeiden. Sie neigen dazu, früher ins Bett zu gehen, morgens länger liegen zu bleiben und sich auch tagsüber hinzulegen – immer in der Hoffnung, zu entspannen und dadurch wieder zu Kräften zu kommen. Allerdings beginnt hier ein Teufelskreis: Denn Schlaf führt bei vielen Betroffenen zu einer Zunahme der Depression, weil nach dem Schlaf die Wachheit gestärkt und die Anspannung besonders hoch ist. Bei vielen depressiv Erkrankten sind deshalb morgens die Symptome am stärksten.
Schlafentzug kann antidepressiv wirken
Für viele Patientinnen und Patienten ist ein Verhalten sehr hilfreich, das der erhöhten Wachheit entgegenwirkt und schlaffördernd ist. Schlafentzug ist eine etablierte Behandlungsform der Depression, die inzwischen in vielen Kliniken angeboten wird. Betroffene bleiben eine ganze Nacht oder die zweite Nachthälfte wach und sollen auch den nächsten Tag über nicht schlafen. Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten erlebt dabei, dass sich in den frühen Morgenstunden die Stimmung plötzlich aufhellt und die häufig seit Monaten bestehende Erschöpfung und auch die Hoffnungslosigkeit abklingen. Dieser Effekt hält aber nur bis zum nächsten Schlaf an. „Der Schlafentzug zeigt den Erkrankten, dass die Depression durchbrochen werden kann und vermittelt dadurch wieder Hoffnung“, so Hegerl. Sport ist ebenfalls eine gute unterstützende Maßnahme bei Depression, da Bewegung müde macht und der hohen Wachheit entgegenwirkt.
Das kann jeder und jede selbst tun
Patientinnen und Patienten können bei sich beobachten, wie Bettzeit und Depressivität zusammenhängen. Dazu sollten sie täglich in einer Tabelle notieren, wie lange sie im Bett lagen (0-10 Stunden) und wie die Stimmung beziehungsweise der Antrieb am nächsten Tag waren (von 0 -10). „Für Patienten ist es hilfreich zu merken, dass die Stimmung meist schlechter ist, wenn sie länger im Bett bleiben. Sie können mit dem Arzt klären, ob es sinnvoll wäre, trotz Erschöpfungsgefühl später ins Bett zu gehen und morgens zeitiger aufzustehen und die Bettzeit auf circa 8 Stunden zu begrenzen“, rät Prof. Ulrich Hegerl. (ad)
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