Coronavirus im Tönnies-Betrieb: Was bedeuten lokale Ausbrüche für das Infektionsgeschehen?

Tönnies und Corona – diese Begriffe werden wohl noch lange Zeit eng verknüpft sein. Seit Tagen reißen die Negativ-Schlagzeilen aus Gütersloh nicht ab: Mehr als 1500 Beschäftigte der dort ansäßigen Tönnies-Fleischfabrik haben sich mit dem Coronavirus infiziert. Seit gestern befinden sich deshalb auch die Landkreise Gütersloh und das angrenzende Warendorf im Lockdown. Das Ziel der Behörden ist klar: Das Virus soll durch die Einschränkungen eingedämmt werden und sich möglichst nicht in der allgemeinen Bevölkerung ausbreiten.

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Die Größenordnung der Infektionen in Gütersloh ist neu, gleichwohl ist es nicht der erste Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb. Bereits vor Bekanntwerden der Fälle bei Tönnies hatten auch andere Betriebe mit Ausbrüchen zu kämpfen. Aktuell meldet ein Wiesenhof-Betrieb in Oldenburg ebenfalls Infektionen mit dem Coronavirus. Immer dort, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, scheint sich das Virus besonders gut verbreiten zu können. Hinzu kommen weitere, für Schlachtbetriebe spezifische Faktoren, die eine Ausbreitung begünstigen: die Kälte in den Räumlichkeiten gehört dazu, aber auch die körperlich anstrengende Arbeit, durch die vermehrt virenbehaftete Aerosole ausgestoßen werden.

Die Fälle bei Tönnies schlagen sich mittlerweile in der deutschlandweiten Statistik des Robert Koch-Instituts (RKI) nieder: Der R-Wert – ein Maß dafür, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt – stieg über den Faktor 2. Auch die Zahl der Neuinfektionen zog in den letzten Tagen an – dabei hatte sich diese Zahl in den zurückliegenden Wochen auf einem niedrigen Niveau eingependelt. Viele Menschen fragen sich: Wie gefährlich sind lokale Ausbruchsgeschehen? Könnten sie zu Brandbeschleunigern in der Pandemie werden? Oder gar zu einer zweiten Welle führen?

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Antworten auf diesen Fragen sind nur schwer pauschal zu beantworten. Sie hängen immer vom Einzelfall und dem jeweiligen Ausbruchsgeschehen ab. Grundsätzlich gilt: Je lokaler und eingekapselter ein Ausbruchsgeschehen ist, „desto besser“, sagte Virologin Melanie Brinkmann kürzlich im Gespräch mit dem stern. „Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob eine erhöhte Zahl an Neuinfektionen in einem einzelnen Betrieb auftritt oder sich quer über einen Landkreis verteilt. Wenn die Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten nicht mehr gegeben ist, ist das ein Hinweis darauf, dass sich das Virus stärker verbreitet hat.“

Gütersloh ist kein zweites Ischgl

Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie möchte Gütersloh nicht mit einem zweiten Ischgl vergleichen: „Im Unterschied dazu handelt es sich in Gütersloh um ein Geschehen in einem Großbetrieb“, so Zeeb im Gespräch mit der Deutschen-Presse-Agentur. Eine Häufung von Infektionen am Arbeitsplatz war demnach absehbar. Für die Gesundheitsämter bieten Ausbrüche dieser Art auch gewisse Vorteile im Vergleich zu einer unkontrollierten Ausbreitung: Das Geschehen ist zu Beginn des Ausbruchs meist noch eingrenzbar, Infektionsketten können leichter nachverfolgt werden.

Bei Tönnies dürfte noch ein weiterer Faktor eine Rolle spielen: Die meisten Arbeiter, darunter Leiharbeiter aus Bulgarien, bleiben unter sich und haben kaum Kontakt zur Familie oder übrigen Bevölkerung.

Quarantäne-Maßnahmen für Tönnies-Mitarbeiter und der Lockdown sollen darüber hinaus verhindern, dass sich das Virus in der Bevölkerung ausbreiten kann. Ob dies gelingt, ist derzeit unklar. Es gebe bereits ein paar Indikatoren, „die darauf schließen lassen, dass das Virus schon in die Bevölkerung hinausgetragen wurde“, erklärte Christian Drosten in der gestrigen Folge seines NDR-Podcasts. Ein Problem dabei ist, dass diese Infektionen erst nach einer Weile festgestellt werden – bis dahin könnten sich weitere Menschen mit dem Erreger infizieren. Das Virus würde sich ausbreiten.  

„Personen müssen ja erst mal Symptome kriegen, diese Symptome erst einmal ernst nehmen, dann zum Arzt gehen, dann muss getestet werden, dann muss das gemeldet werden“, sagte Drosten. „Dann weiß man irgendwann, es gibt doch schon Fälle in der Bevölkerung in einem Maß, das vielleicht besorgniserregend ist.“

Um das zu verhindern, müssen die Gesundheitsämter vor Ort nun jeder einzelnen Infektionskette nachgehen – Schwerstarbeit bei dieser hohen Anzahl an Infektionen. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie dürfen die Behörden dabei allerdings auch auf technische Unterstützung hoffen. Seit rund einer Woche steht die Corona-Warn-App des Bundes zum Download bereit. Rund zwölf Millionen Mal wurde sie bereits geladen.

Infektionsketten nachverfolgen, Virus eindämmen

Klar ist: Die Mühe der Ämter lohnt sich. Was im Großen gelingen kann, zeigt der erste nachgewiesene Corona-Ausbruch bei einem Münchner Autozulieferer-Betrieb im Kleinen. Eine chinesische Geschäftsreisende hatte den Erreger Ende Januar unwissentlich bei Meetings weitergegeben. In der Folge steckten sich 16 Menschen mit Sars-CoV-2 an. Mindestens ein Mitarbeiter trug das Virus auch in seine Familie. Seine Frau und zwei seiner Kinder erkrankten.

Die Behörden reagierten schnell, sie isolierten die Infizierten, ermittelten Kontaktpersonen und schickten sie in Quarantäne. Der Ausbruch kam zum Erliegen, und auch für die Betroffenen endete das Geschehen glimpflich: Sie waren überwiegend nur mild erkrankt.

Ob dies auch bei dem aktuellen Ausbruch in Gütersloh gelingt, ist fraglich – und dürfte in hohem Maß davon abhängen, wie gut die Infektionsketten nachverfolgt werden können. Entscheidend sei nun, die Verbreitung des Virus über die Gegend hinaus zu verhindern, so Charité-Wissenschaftler Drosten. 

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Quellen: DPA / NDR „Coronavirus-Update“

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