ABDA: Direkte Paxlovid-Abgabe durch Ärzte wird das Problem nicht lösen

Hausärzte sollen sich künftig selbst mit antiviralen Arzneimitteln wie Paxlovid bevorraten und diese an geeignete Patienten abgeben können. Während dieses Vorhaben des BMG in der Ärzteschaft Zuspruch findet, lehnt die ABDA es strikt und grundsätzlich ab. Das macht sie in ihrer Stellungnahme zum Entwurf für eine Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung deutlich.

Vor wenigen Tagen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) den Referentenentwurf für eine weitere Änderung der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vorgelegt. Sein Ziel: Hausärzten und -ärztinnen soll ermöglicht werden, sich mit vom Bund beschafften zugelassenen antiviralen Arzneimitteln zur Behandlung von COVID-19  zu bevorraten und diese auch an Patient:innen abzugeben. Auch vollstationären Pflegeeinrichtungen soll die Bevorratung sowie Abgabe – auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung – an ihre Bewohner möglich werden. Die Ärzte sollen für ihren Aufwand 15 Euro je abgegebene Packung erhalten, die Apotheke in diesen Fällen 15 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Geregelt werden sollen in der Verordnung überdies die Abrechnungswege.

Der Hintergrund: Zur Behandlung von Erwachsenen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, stehen seit geraumer Zeit wirksame Arzneimittel zur Verfügung. Doch die Verordnung durch Ärzte und Ärztinnen erfolgt nur zögerlich – dabei ist bei diesen Medikamenten besonders wichtig, sie früh einzusetzen.

Bis zum heutigen Freitag konnten die betroffenen Verbände zum Referentenentwurf Stellung nehmen. Selbstverständlich hat auch die ABDA diese Gelegenheit genutzt. In ihrer Stellungnahme übt sie zum einen grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben, zum anderen widmet sie sich kritisch den konkret vorgesehenen Änderungen.

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Antivirale Arzneimittel gegen COVID-19 

So soll die Vergütung für Paxlovid-dispensierende Ärzte aussehen

So stellt die ABDA eingangs klar, dass sie „die Überlegung, Arzneimittel außerhalb des eingespielten und sicheren Vertriebswegs über die Apotheken abgeben zu lassen, aus grundsätzlichen Erwägungen strikt ab[lehnt]“. Mit den Regelungen in der MedBVSV, der Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit sowie § 4 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung bestehe bereits ein zuverlässiger und hinreichender Rechtsrahmen zur ordnungsgemäßen Versorgung der Patient:innen mit antiviralen Arzneimitteln. Eine unverzügliche und zeitnahe Abgabe sei im gesamten Bundesgebiet sichergestellt – gegebenenfalls über den Botendienst der Apotheke. Dies gelte auch für die Versorgung der Bewohner:innen von Pflegeheimen, zumal dort durch die bestehenden Versorgungsverträge besondere Rahmenbedingungen existierten.

Für die ABDA ist klar: Das Problem ist nicht die Verfügbarkeit und Abgabe der Arzneimittel, sondern „vielmehr die fehlende Bereitschaft der Ärzt*innen (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben“. Dass es durch die Möglichkeit einer direkten Abgabe durch die Ärzt:innen selbst bzw. das Pflegepersonal auf ärztliche Verordnung sachgerecht gelöst werden könnte, erschließt sich für die ABDA nicht.

Ohne Apotheken drohen Qualitätsverluste 

Sie fordert daher, von den geplanten Änderungen Abstand zu nehmen. Stattdessen sollten konstruktive Wege gesucht werden, im Miteinander der akademischen Heilberufe – Ärzt:innen als medizinische Behandler:innen, Apotheker:innen als pharmazeutische Experti:nnen – die bestmögliche Arzneimittelversorgung für die Patient:innen sicherzustellen. Gerade die hochkomplexen Prüfungen möglicher Wechselwirkungen verschiedener Arzneimittel müssten im vertrauensvollen und partnerschaftlichen Dialog vorgenommen werden. „Ohne die Einbindung der Apotheker*innen mit ihren spezifisch pharmazeutischen Fachkenntnissen drohen ansonsten eine qualitativ schlechtere Versorgung sowie damit verbundene Gesundheitsschäden, wenn potenzielle Risiken nicht erkannt werden“.

Hotline kann Apotheker nicht ersetzen

Die ABDA verweist ferner auf die diese Woche veröffentlichte Grafik der Bundesregierung zu den Corona-Maßnahmen im Herbst und Winter. Dort findet sich als flankierende Maßnahme der Hinweis auf antivirale Arzneimittel, für die es ein Hausarztkonzept und eine „Hotline“ zu ihrem Einsatz geben soll. Dies, so die ABDA belege eindrücklich den Beratungsbedarf. Für sie steht aber fest: „Eine solche Hotline ist ein unnötiger zeitintensiver und kostenträchtiger Zusatzaufwand und kann den persönlichen Kontakt vor Ort qualitativ nicht ersetzen“.

Nicht zuletzt findet es die ABDA auch grundsätzlich bedenklich, den Ärztinnen und Ärzten direkte finanzielle Anreize zu einer Arzneimittelverordnung und -abgabe zu eröffnen.

Längere Abrechnungsfristen 

Im Einzelnen geht die ABDA sodann auf redaktionelle Unstimmigkeiten ein, hat aber auch einige konkrete Anregungen. So sollten Abrechnungsfristen verlängert werden, um Apotheken und Rechenzentren nicht unter erheblichen Zeitdruck zu setzen, „der voraussichtlich erforderliche Korrekturen oder Nachreichungen unmöglich machen würde“. Ferner müsse in der parallel anzupassenden Allgemeinverfügung sichergestellt werden, dass der Bezug der Arzneimittel durch Arztpraxen und stationäre Pflegeeinrichtungen ausschließlich über öffentliche Apotheken erfolgen dürfe.

Retouren-Probleme 

Zudem verweist die ABDA auf potenzielle Probleme mit Seurpharm und etwaigen Retouren: Paxlovid® sei bereits in der EU zugelassen und daher mit den arzneimittelrechtlich vorgesehenen Sicherheitsmerkmalen gekennzeichnet. Die Prüfung und Deaktivierung der Merkmale könne technisch ausschließlich in den abgebenden Apotheken erfolgen. Arztpraxen und Pflegeheime verfügten weder über die erforderliche Ausstattung noch über einen Zugang zum Securpharm-System. Angesichts der strikten unionsrechtlichen Vorgaben sei nach der Ausbuchung der Packungen eine spätere Rücknahme und Aufnahme in den abgabefähigen Bestand unzulässig. Aber auch für Arzneimittel ohne Securpharm-Code sei eine Retoure an den Großhandel nicht möglich. „Apotheken werden daher keine Packungen aus Arztpraxen oder Pflegeheimen zurücknehmen, da sie sie kostenträchtig entsorgen müssten“, mahnt die ABDA.

Wer kontrolliert die sachgemäße Lagerung?

Und dann ist da noch die Sache mit der Lagerung. Paxlovid® ist laut Zulassung bis maximal 25° C zu lagern, darf aber nicht im Kühlschrank aufbewahrt werden. Es gebe aber keine Regelung, wer die ordnungsgemäße Lagerung der bevorrateten Arzneimittel in Arztpraxen und insbesondere in vollstationären Pflegeeinrichtungen garantiere. Ebenso wenig würden Aussagen getroffen, wer die ordnungsgemäße Lagerung kontrolliere, dokumentiere und welche Behörde für die Einhaltung und Überwachung der Lagervorschriften zuständig sei.

Bundesärztekammer: Dispensierrecht nicht auf Hausärzte beschränken

Einen ganz anderen Blick auf die Dinge hat im Übrigen die Bundesärztekammer. Sie unterstützt die Intention einer direkten Bevorratung und Abgabe antiviraler Arzneimittel zur Behandlung von COVID-19-Patienten durch Ärzte und Ärztinnen. Dadurch könne eine dauerhafte Entlastung des Gesundheitswesens erreicht und eine Überlastung des stationären Bereichs vermieden werden. Allerdings fordert die BÄK, das geplante Recht auf alle Fachärztinnen und Fachärzte zu erweitern, die COVID-19-Patienten behandeln.

Nun muss sich zeigen, ob das BMG nachfeilt. Allerdings spricht derzeit nichts dafür, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von seinem grundsätzlichen Plan abrücken will. 

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