Bye-Bye, Schlafmittel: Das hilft wirklich bei Schlafmangel
Schlafmangel zermürbt. Das weiß jeder, der schon einmal eine schlaflose Nacht erlebt hat. Wenn sich dann noch eine schlechte Nacht an die nächste reiht, wächst bei vielen Menschen der Druck: Sie wünschen sich, unkompliziert wieder schlafen zu können und erholt in den Tag zu starten. Nicht selten erwacht dann der Wunsch nach einem Schlafmittel, das dabei unterstützen soll.
Was viele nicht wissen: Schlafmittel fördern nicht direkt den Schlaf, sondern helfen vor allem dabei, die innere Anspannung zu lösen, die den Schlaf verhindert. „Grundsätzlich haben alle Schlafmittel mehr oder weniger das Ziel, die Entspannung herbeizuführen, die für den Schlaf notwendig ist“, sagt der Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Er ist auch Autor des Buches „Schlaf wirkt Wunder“.
Was können rezeptfreie Schlafmittel wirklich?
Viele Menschen greifen zunächst einmal zu frei verkäuflichen Schlaf- oder Beruhigungsmitteln aus der Apotheke oder auch dem Drogeriemarkt. „Dabei handelt es sich dann entweder um pflanzliche Präparate oder um Antihistaminika“, sagt der Experte. „In der Regel ist die Wirksamkeit aber nicht wissenschaftlich belegt.“
Wer ein pflanzliches Mittel möchte, der erhält häufig ein Produkt, das Baldrian, Hopfen oder Melisse enthält, denen eine beruhigende Wirkung zugeschrieben wird. „Lediglich beim Baldrian gibt es einige wenige Studien, die auf eine entsprechende Wirkung bei leichten Schlafstörungen hinweisen, wenn dieses hochdosiert eingenommen wird“, sagt der Schlafforscher. Dabei ist aber bislang unklar, wie lange man Baldrian einnehmen sollte, damit die potentielle Wirkung überhaupt eintritt. Vorsichtig sollte man auch mit möglichen Wechselwirkungen mit anderen Mitteln oder Nebenwirkungen sein: Johanniskraut beispielsweise, das manchmal auch bei leichten Depressionen und zur Beruhigung eingesetzt wird, kann die Haut lichtempfindlich machen. (Kurze Nacht gehabt? So überstehen Sie den Tag)
Antihistaminika als Schlafmittel?
Auch Antihistaminika werden inzwischen bei Schlafstörungen verkauft. Sie sind ebenfalls frei in der Apotheke erhältlich – man benötigt dazu also kein Rezept eines Arztes. Früher wurden diese Wirkstoffe bei Allergien eingesetzt. „Man hat dann festgestellt, dass sie als Nebenwirkung sehr müde machen“, sagt Weeß.
Heute sind dafür andere Präparate gegen Allergien auf dem Markt, die diese Nebenwirkung nicht haben. „Stattdessen hat man jetzt die Nebenwirkung der alten Mittel zur Hauptwirkung gemacht und sie zu Schlafmitteln erklärt“, sagt der Experte. Ob sie aber tatsächlich bei einem ruhigen Nachtschlaf helfen, sei bislang ebenfalls nicht ausreichend erforscht. (Diese 8 Lebensmittel helfen gegen Müdigkeit)
Ab wann sollte man auf Schlafmittel setzen?
Grundsätzlich ist der Körper dazu in der Lage, eine Nacht ohne oder mit nur wenig Schlaf zu kompensieren. Zum Problem wird eine Schlafstörung dann, wenn jemand mehrere Nächte pro Woche schlecht schläft und sich tagsüber erschöpft fühlt.
Wer sich mit solchen Beschwerden bei seinem Hausarzt vorstellt, bekommt nicht selten ein Schlafmittel verschrieben. „Diese Mittel sind auf ihre Wirksamkeit und auf Wechselwirkungen hin geprüft“, sagt Weeß. Die erste Wahl sollten sie trotzdem nicht in jedem Fall sein – und schon gar nicht über einen längeren Zeitraum hinweg, da einige von ihnen abhängig machen können.
Wie lange darf man Schlafmittel einnehmen?
Zum Einsatz können dabei zum einen sogenannte Tranquilizer wie Benzodiazepine oder verwandte Mittel, die sogenannten Z-Substanzen, kommen. „Benzodiazepine setzen am GABA-Rezeptor an und dämpfen unter anderem die Aktivität des limbischen Systems“, sagt der Experte. Man kommt also mehr zur Ruhe, entspannt sich und fühlt sich gelassen. Die Mittel machen außerdem müde, sodass man leichter in den Schlaf findet.
„Es tritt allerdings schnell eine Gewöhnung ein und damit auch eine Abhängigkeit, wenngleich bei den neueren Z-Substanzen in etwas geringerer Ausprägung“, warnt der Schlafforscher. Deshalb sollte man diese Mittel nur zwei Wochen lang einnehmen. Besteht die Schlafstörung weiter, kann man sie für weitere zwei Wochen nehmen. „In Ausnahmefällen kann man auch einmal eine Einnahme über acht bis zwölf Wochen vertreten, dann sollte aber immer ein Arzt mit schlafmedizinischer Qualifikation an der Behandlung beteiligt sein“, sagt Weeß. (Schlafmediziner verrät: Was wirklich beim Einschlafen hilft)
Bei längerer Einnahme droht eine Abhängigkeit
Danach sollte man die Schlafmittel aber spätestens absetzen. Nimmt man sie länger ein, entwickelt sich oft eine ausgeprägte Abhängigkeit und es besteht aufgrund eines zwischenzeitlichen Wirkungsverlustes auch die Gefahr der Dosissteigerung – ohne die Medikamente drohen dann erneute Schlaflosigkeit und eine starke innere Unruhe. Der Körper reagiert auf den Entzug beispielsweise mit Unruhe, Herzrasen, Kopfschmerzen, starkem Schwitzen und verstärkter Schlaflosigkeit. „Letztlich kann man das mit einem Drogenentzug vergleichen“, so der Experte.
Für eine längere Einnahme sind andere Mittel besser geeignet, die nicht abhängig machen. Dabei handelt es sich um bestimmte Psychopharmaka, die auch gegen Depressionen oder Ängste eingesetzt werden. Auch sogenannte niedrig potente Neuroleptika kommen dabei manchmal zum Einsatz. „Der Vorteil bei diesen Mitteln ist, das es zu keiner Gewöhnung kommt“, sagt Weeß. Etwas häufiger spürt man dabei aber am nächsten Morgen einen sogenannten Überhang, bei dem man sich noch etwas müde und benommen fühlt. (Lesen Sie auch: Warum schlechter Schlaf dick macht)
Vorsicht bei einem Mix mit Alkohol
Wer verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt, um den Schlaf anzustoßen, sollte sich auf jeden Fall an die Anweisungen des Arztes und an die Packungsbeilage halten: In Kombination mit Alkohol oder Drogen oder auch bei einer Überdosierung, können einige dieser Mittel gefährlich sein.
Grundsätzlich sollten Schlafmittel ohnehin eher in Ausnahmesituationen zum Einsatz kommen. Sie heilen die Schlafstörung nicht, sondern unterdrücken nur die Symptome. Meistens kehren die Probleme zurück, sobald man die Medikamente absetzt. Besser ist es deshalb, sich grundlegend mit dem Thema Schlaf auseinanderzusetzen.
Was hilft langfristig bei Schlafstörungen?
„Ideal dafür ist eine Psychotherapie“, sagt Weeß. Besonders geeignet ist die kognitive Verhaltenstherapie – allerdings sollte sich der Psychotherapeut oder die Therapeutin mit dem Thema Schlaf auskennen. „Man lernt dabei zum Beispiel, das nächtliche Gedankenkarussell zu stoppen, abzuschalten und ausreichend Ruhe für den Schlaf zu finden“, sagt der Experte.
Eine Schlafstörung verselbständigt sich oft, wenn Patienten Angst vor dem Schlaf aufbauen und schon mit der Erwartung ins Bett gehen, auch in dieser Nacht wieder nicht gut zu schlafen. Unter anderem an dieser Stelle setzen die Methoden aus der Therapie an. Auch einige Tricks können dabei helfen, wieder besser zu schlafen: Wer beispielsweise immer dann unter Schlafmangel leidet, wenn er im Hotel übernachtet, könnte sein eigenes Kopfkissen mit auf die Reise nehmen. „Vielen Menschen hilft das, weil es eine vertraute Umgebung suggeriert“, sagt Weeß. (Harvard-Studie: Zigaretten, Alkohol oder Kaffee? Das stört den Schlaf am meisten)
Dieser Artikel wurde verfasst von (Maria Berentzen)
*Der Beitrag „Bye-Bye, Schlafmittel: Das hilft wirklich bei Schlafmangel“ wird veröffentlicht von GQ. Kontakt zum Verantwortlichen hier.
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