COVID-19: Wieso Stress Coronavirus-Infektionen begünstigt – Heilpraxis

Wieso Stress Coronavirus-Infektionen begünstigt

Die Coronavirus-Pandemie und die eingeleiteten Gegenmaßnahmen haben weitreichende Folgen auf das Leben vieler Menschen und entsprechend hoch ist deren Stressbelastung. Dies kann laut einer aktuellen Studie wiederum Auswirkungen auf die Infektionsanfälligkeit der Betroffenen haben und die Ausbreitung des Virus begünstigen. Im Umkehrschluss sind Maßnahmen zur Stressreduktion jedoch gut geeignet, um die Immunabwehr gegen das Virus zu stärken.

„Die erhöhte psychische Belastung sollte nicht nur als Folge der pandemischen Entwicklung betrachtet werden“, betont die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) in einer Pressemitteilung zu den aktuellen Studienergebnissen. Denn Stress könne seinerseits die Immunabwehr schwächen und so als möglicher Verstärker auf die Infektionswelle zurückwirken. Veröffentlicht wurden die entsprechenden Studienergebnisse in dem Fachmagazin „Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie“.

Die gesamte Situation der Coronavirus-Pandemie ist für viele Menschen mit enormen Stressbelastungen verbunden. Verunsicherung, gesundheitliche Sorgen, wirtschaftliche Existenzängste und die soziale Isolation sind nur einige Beispiele der Pandemie bezogenen Stressfaktoren – und auch über die anstehenden Feiertage wird sich die Situation nicht wesentlich verbessern. Der Stress ist jedoch nicht nur Folge der Pandemie, sondern kann auch eine Rolle bei der Ausbreitung der Infektionen spielen.

Auswirkungen auf den gesamten Körper

Stress habe vielfältige Auswirkungen auf den ganzen Körper, erläutert die Studienautorin Professorin Dr. med. Eva Peters vom Klinikum der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Berliner Charité. Eine Schlüsselrolle spiele dabei das Stresshormon Cortisol, welches in der Nebennierenrinde hergestellt wird. Ausgehend vom Gehirn signalisiere eine Kaskade von Hormonen und anderen Botenstoffen, dass eine besondere Herausforderung bevorsteht. Ein Alarmruf, der über die Nervenverbindungen einerseits und das Blutgefäßsystem andererseits in jeden Winkel des Körpers gelange und auch die Funktion der Immunzellen nicht unberührt lasse.

„Als Auslöser kommt Ärger am Arbeitsplatz ebenso infrage wie Stress mit dem Partner, eine chronische Krankheit oder – wie jetzt gerade während der Pandemie – ein anhaltendes Gefühl von Unsicherheit und Angst“, so Professorin Peters. Und seit langem sei bekannt, dass Stress beziehungsweise das freigesetzte Cortisol die Fähigkeit des Immunsystems zur Infektabwehr verändert. Mittlerweile sei ein ganzes Netzwerk von Nerven- und Immunbotenstoffen nachgewiesen, die mehr oder weniger direkt mit Cortisol interagieren, unter Stress freigesetzt werden und die Infektanfälligkeit erhöhen.

Da manche Stressmediatoren auch die Barrierefunktion der Haut und der Schleimhäute stören, so dass Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 leichter eindringen können, ist unter Stress auch mit einer erhöhten Infektanfälligkeit zu rechnen. Wie groß der Einfluss psychischer Faktoren auf die Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2 tatsächlich ist, bleibe zwar noch unklar, „erste Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Stressoren wie ein niedriges Einkommen oder Arbeitslosigkeit, Partnerlosigkeit, mangelhafte Ernährung oder beengte Wohnverhältnisse auch hier eine negative Rolle spielen“, erläutert Prof. Peters.

Stress ist nicht gleich Stress

Allerdings ist laut Aussage des DGPM-Vorstandsmitglieds Professor Dr. med. Harald Gündel, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm Professor, zwischen verschiedenen Formen des Stress zu unterscheiden. So erhöhe chronischer Stress die Infektanfälligkeit, aber akuter, nur kurz anhaltender Stress könne genau das Gegenteil bewirken. „In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass eine gezielte, kurzfristige Aktivierung der Stressantwort gesundheitsfördernd wirkt“, betont Professor Gündel. Dies könne man sich auf vielfältige Weise zunutze machen, denn als „Stress“ gelte auch gemäßigter Sport wie Fahrradfahren, Gymnastik oder Spazierengehen

Laut Professor Gündel ist es zum Beispiel ratsam, „einmal am Tag allein, mit dem Partner oder der Familie an die frische Luft zu gehen.“ Dies lasse sich gerade an freien Tagen gut einplanen. Zudem aktiviere „auch Lachen, beispielsweise bei einem gemeinsamen Spiel oder einem lustigen Film, die gesundheitsfördernde Stressachse“ und das gleiche gelte für Singen. Dies sei in unserem digitalen Zeitalter trotz räumlicher Isolation gemeinsam möglich. So werden Herzschlag und Atmung beschleunigt, der Sauerstoffverbrauch erhöht sich und die Immunaktivität wird gesteigert, erläutert der Experte.

Gegen das Gefühl der Isolation helfen manchmal schon kurzfristige Kontakte auf Spaziergängen, beim Einkaufen oder am Telefon. „Für viele ist es hilfreich, sich für ein Telefonat oder ein digitales Treffen zu verabreden – auch das kann ein Gefühl von Einsamkeit bereits lindern“, so Professorin Peters. Gute soziale Bindungen seien, auch wenn sie nur digital stattfinden, mitunter ein wirksames Moment der Immunabwehr, denn sie puffern negative langfristige Stresseffekte.

Stress abbauen zum Schutz vor Infektionen

Die Expertinnen und Experten kommen zu dem Schluss, dass Stress durchaus eine Rolle bei der Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2 spielen kann, doch im Umkehrschluss durch einen Stressabbau auch die Abwehrkräfte gegen das Coronavirus gestärkt werden können. Hilfreiche Ansatzpunkte zur Stresslinderung finden Sie zum Beispiel in dem Beitrag Stressabbau: Stress abbauen leicht gemacht. Und nicht zuletzt „können auch psychotherapeutische Verfahren dazu beitragen, einen guten Umgang mit Belastungen zu erlernen“, so der Hinweis der DGPM. (fp)

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