Warum Männer kürzer leben
Jedes Jahr ergründet die Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie es um das Wohlbefinden der Menschheit steht. Dieses Jahr beschäftigen sich die Statistiken mit der Frage, wie die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen zustande kommt.
„Dabei ist wichtig zu beachten, dass – obwohl die World Health Statistics 2019 ihre Geschichten in Zahlen erzählen – die Konsequenzen echte Menschen betreffen“, schreibt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in seinem Vorwort.
Sechs Erkenntnisse:
1. Es werden deutlich mehr Jungen als Mädchen geboren – doch das Verhältnis dreht sich im Laufe des Lebens um.
Dieses Jahr kommen weltweit mehr als 141 Millionen Babys auf die Welt, schätzt die WHO. Bei der Geburt gibt es noch einen deutlichen Männer-Überhang: 73 Millionen der Neugeborenen werden Jungen sein, nur 68 Millionen Mädchen. Auf 100 Mädchen kommen damit rund 107 Jungen.
Da Männer früher sterben als Frauen, dreht sich dieses Verhält im Laufe des Lebens jedoch um. In der Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen hat sich der Unterschied 2016 ausgeglichen. Bei den 60- bis 64-Jährigen waren die Frauen bereits in der Überzahl, hier zählten die Forscher nur noch 95 Männer auf 100 Frauen. Diese Entwicklung setzt sich in den höheren Altersgruppen rasant fort:
2. Frauen leben nicht nur länger – sie bleiben auch länger gesund.
Die Lebenserwartung der Menschen steigt weltweit. Heute geborene Jungen werden im Durchschnitt knapp 70 Jahre alt, Mädchen 74 Jahre. Das sind rund fünf Jahre mehr als noch im Jahr 2000. Zwischen den beiden Geschlechtern bleibt damit jedoch ein Unterschied von mehr als vier Jahren bestehen.
Auch die Jahre, die Menschen ohne Krankheiten verbringen, steigt. Demnach können sich heute geborene Babys im Schnitt auf 63,3 gesunde Lebensjahre freuen. Allerdings gibt es auch hier Geschlechterunterschiede: Bei Frauen liegt die Zahl der gesunden Lebensjahre bei 64,8 Jahren, bei Männern nur bei 62,0 Jahren.
3. Es gibt viele Gründe, warum Männer früher sterben.
Die kürzere Lebenserwartung der Männer hat viele Ursachen, schreiben die Forscher. Von den 40 häufigsten Todesursachen wirken sich 33 stärker auf die Lebenserwartung von Männern aus. Die größten Differenzen bestehen bei:
- Ischämischen Herzkrankheiten (kosten Männer 0,84 Lebensjahre mehr als Frauen),
- Verkehrsunfällen (kosten Männer 0,47 Lebensjahre mehr als Frauen),
- Lungenkrebs (kostet Männer 0,4 Lebensjahre mehr als Frauen) und
- Chronisch obstruktive Lungenkrankheiten (COPD) (kosten Männer 0,36 Jahre mehr als Frauen).
Einige der Unterschiede lassen sich genetisch erklären. So sorgen etwa mit dem X-Chromosom verbundene Prozesse dafür, dass Mädchen ein stärkeres Immunsystem haben und das Kleinkindalter häufiger überleben. 2017 war das Risiko von Jungen, vor dem fünften Geburtstag zu sterben, elf Prozent höher als das der Mädchen.
Andere Ursachen wiederum hängen mit den Geschlechterrollen zusammen. Da Männer häufiger im Verkehrssektor arbeiten, werden sie auch häufiger Opfer von Unfällen. Das Risiko für Männer, in einem Verkehrsunfall zu sterben, ist ab dem 15. Lebensjahr mehr als doppelt so hoch wie das der Frauen.
4. Die Unterschiede sind in reichen Ländern viel stärker ausgeprägt als in armen.
Je ärmer eine Region ist, desto geringer sind die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen. Das liegt vor allem an Gefahren rund um die Schwangerschaft. In mehr als 90 Prozent der Länder mit einem geringen Einkommen sind weniger als vier Hebammen für 1000 Frauen zuständig. Die Folgen:
- In Ländern mit einem niedrigen Einkommen stirbt bis heute eine von 41 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Geburt.
- In Ländern mit einem hohen Einkommen ist eine von 3300 Frauen betroffen.
Hinzu kommt, dass in armen Ländern mehr Menschen durch Infektionskrankheiten sterben, die Männer und Frauen gleichermaßen treffen.
In reichen Ländern hingegen lassen sich die Unterschiede in der Lebenserwartung stärker durch Umwelt-Faktoren und einen ungesunden Lebensstil erklären. So wird in Ländern mit einem hohen Einkommen im weltweiten Vergleich der meiste Alkohol getrunken und am meisten geraucht. Männer haben daran einen großen Anteil: Dem Report zufolge rauchten sie 2016 fünfmal häufiger als Frauen und konsumierten viermal mehr Alkohol.
„Ein besserer Zugang für Männer zur Gesundheitsversorgung, etwa bei der Behandlung von Bluthochdruck, könnte die Überlebensraten erhöhen“, schreiben die Forscher. Das größte Potenzial aber bergen Änderungen im Lebensstil im Hinblick auf Tabak, Alkohol und eine ungesunde Ernährung sowie ein besserer Schutz vor Verkehrsunfällen.
5. Suizide und Morde sind ein amerikanisches und europäisches Problem.
Weltweit gesehen passieren im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße die meisten Morde in der amerikanischen WHO-Region, zu der neben Nord- und Mittel- auch Südamerika gehört. In der europäischen WHO-Region, die auch Russland mit einbezieht, ist dagegen die Suizid-Rate im weltweiten Vergleich am höchsten.
Auch bei diesen beiden Faktoren existieren Geschlechterunterschiede, wie die Forscher schreiben: Den weltweiten Daten zufolge ist das Risiko, dass ein Mann sich das Leben nimmt, 75 Prozent höher als bei einer Frau. Außerdem sterben Männer viermal häufiger durch einen Mord als Frauen.
Abgesehen davon erleben jedoch auch Frauen weltweit extrem viel Gewalt: 2013 berichteten 35 Prozent der Frauen, im Alter von 15 bis 49 körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren zu haben.
6. Zuletzt: Männer kümmern sich später um Krankheiten als Frauen.
Leiden Männer und Frauen unter den gleichen Krankheiten, holen sich Männer in der Regel später Hilfe. Bei Infektionskrankheiten wie HIV und Tuberkulose etwa erhalten Männer oft verzögert eine Diagnose und Behandlung. Dies führe dazu, dass sie mit ihrem geschwächten Körper häufiger Folgekrankheiten entwickelten und häufiger an Aids sterben, schreiben die Forscher.
„Strategien, um den Zugang von Männern zu Gesundheitsangeboten zu verbessern, könnten deshalb nicht nur Geschlechterunterschiede verbessern, sondern auch die grundsätzliche Verbreitung von Krankheiten in der Gesellschaft verringern“, heißt es in dem Bericht.
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