Unser zweites Weihnachten mit Corona: Wie wir das Fest trotz Pandemie genießen
Letztes Jahr hatten wir gehofft, in diesem Jahr wieder in gewohnter Weise Weihnachten zu feiern. Doch Corona macht uns erneut einen Strich durch die Rechnung. Statt zu jammern gilt es, kreativ darauf zu reagieren.
Wenn Weihnachtsgottesdienste nicht in der gewohnten Weise gefeiert werden können, dann ist es sinnvoll zu überlegen, wie wir zu Hause neue Formen finden, um dieses Fest zu feiern. Der jüdische Glaube hat all die leidvollen Zeiten überlebt, weil er sich in der wöchentlichen Hausliturgie der Sabbatfeier ausgedrückt hat. Die frühe Kirche war ebenfalls Hauskirche. Zu Hause hat man die Bibel gelesen, hat gebetet und das heilige Mahl miteinander gefeiert. So sollten wir an Weihnachten an die Tradition der Hauskirche anknüpfen. imago/epd Pater Anselm Grün im Hof des Benediktinerklosters in Münsterschwarzach.
Über den Gastautor
Anselm Grün wurde 1945 geboren. Er ist Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach und Buchautor. Die zahlreichen Publikationen des Theologen erscheinen weltweit in mehr als 30 Sprachen. Themen seiner Schriften sind unter anderem Spiritualität, Psychologie, Glück und Lebenslust.
Wir können daheim nur dann ein angemessenes Weihnachtsritual feiern, wenn wir über den Kern von Weihnachten nachdenken. Weihnachten ist nicht nur die Idylle vom Kind in der Krippe und vom Stall von Bethlehem. Der Kern von Weihnachten besteht darin, dass Gott herabgestiegen ist in unsere Welt.
Wolfgang Amadeus Mozart hat das verstanden. Er hat das Wort „descendit = herabgestiegen“ in seinen Credo-Vertonungen besonders betont. Seine Musik spiegelt das wieder. Da ist Mozart selber zusammen mit Gott hinabgestiegen in die Abgründe menschlichen Lebens, in die Traurigkeit und Verzweiflung, in die Schmerzen und Enttäuschungen. Das Hinabsteigen Gottes in Jesus hat alles in uns verwandelt, unser inneres Chaos, unsere Zerrissenheit, unsere Not und unsere Schmerzen. Das wird in der Musik Mozarts hörbar. Es ist keine oberflächliche Musik, sondern eine Musik, die auch das Dunkle erhellt und die Traurigkeit in Fröhlichkeit verwandelt.
„Weihnachten für alle“ von Maite Kelly und Anselm Grün
Weihnachten will diese Welt, so wie sie ist, verwandeln
C.G. Jung sagt, wir sollten uns immer daran erinnern, dass Jesus im Stall geboren wurde und nicht in einem Palast. Gott will auch in meinem Stall geboren werden, in dem mancher Mist herumliegt. Er will all das Chaos in uns und das Chaos, das uns heute in der Welt umgibt, verwandeln durch seine ohnmächtige Liebe. Es gilt, das Licht von Weihnachten eindringen zu lassen in alle Abgründe unserer Seele und in die Zerrissenheit unserer Gesellschaft, gerade auch in unsere Unfähigkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Weihnachten ist keine Flucht in eine heile Welt. Weihnachten will diese Welt, so wie sie ist, verwandeln. Daher sollten wir die Augen nicht verschließen vor der Wirklichkeit, wie sie uns täglich in den Medien begegnet. Doch wir sollten die Wirklichkeit mit anderen Augen anschauen, mit Augen, die in all der Dunkelheit das Licht erblicken, die in all der Zerrissenheit die Sehnsucht nach dem Frieden erkennen.
Weihnachten berührt diese Sehnsucht nach Frieden in uns. Indem wir uns nach dem Frieden sehnen, der von den Weihnachtsbildern ausgeht, die wir in diesen Tagen anschauen, spüren wir schon etwas von dem Frieden in unserem Herzen. Denn wie Exupery sagt: In der Sehnsucht nach Liebe ist schon Liebe. In der Sehnsucht nach Frieden ist schon Frieden. Und in der Sehnsucht nach Gott ist schon Gott.
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Rituale schaffen ein tieferes Miteinander
Wenn wir verstanden haben, was das Wesen von Weihnachten ist, werden wir auch Rituale finden, in denen wir das Fest daheim gestalten können. Das könnte das Vorlesen des Weihnachtsevangeliums vor dem Christbaum und der Weihnachtskrippe sein, das gemeinsame Singen von Weihnachtsliedern. Und das Ritual könnte darin bestehen, dass wir uns in der Familie einander erzählen: Was bedeutet für mich Weihnachten? Was hat mich als Kind an Weihnachten fasziniert? Welche Bilder von Weihnachten sprechen mich heute an? Wie würde ich den Kern von Weihnachten heute beschreiben?
Rituale sind der Ort, an dem wir Gefühle ausdrücken, die sonst in der Familie nie zum Ausdruck kommen. Und Rituale schaffen eine Familienidentität. Wir schaffen ein tieferes Miteinander. Und Rituale geben uns Anteil an den Wurzeln. Eine adlige Frau erzählte mir, wenn ihre Söhne an Weihnachten nach Hause kommen, möchten sie, dass die alten Familienrituale gefeiert werden. Das ist für sie nicht Nostalgie.
Es sind alles moderne Menschen, die diese alten Rituale möchten. Doch sie haben das Bedürfnis, dass sie mitten in dieser turbulenten Zeit Anteil bekommen an den Wurzeln ihrer Familie, an der Lebenskraft und Glaubenskraft der Familie. Die Familie hat diese Rituale in Zeiten des Krieges, in Zeiten der Not und der Krankheit, in Krisenzeiten durchgehalten. Indem die Familie heute diese Rituale feiert, kommt sie in Berührung mit diesen Wurzeln. Das stärkt den einzelnen und das Miteinander.
Rituale lassen uns in eine andere Welt eintauchen
Und Rituale schaffen eine eigene Wirklichkeit. Mitten in dieser chaotischen Zeit der Pandemie erleben wir im Ritual eine andere Welt, keine Scheinwelt, sondern eine Welt, die genauso wirklich ist wie die Welt, die uns die Medien täglich vor Augen führen. Es ist die Welt, die durch das Kind in der Krippe geprägt ist, durch die ohnmächtige Liebe eines Kindes, die dennoch stärker ist als alle Mächte dieser Welt.
Indem wir in diese Welt eintauchen, kommen wir in Berührung mit der Weisheit unserer Seele, die weiß, dass diese Welt nicht sich selbst überlassen ist, sondern dass Gott in Jesus selbst in diese Welt gekommen ist, um sie zu heilen, um sie zu befreien aus ihrer Zerrissenheit. Unsere Seele wird beflügelt, wenn wir die Botschaft des Weihnachtsengels hören: „Friede auf den Erden den Menschen“.
Das relativiert die Nöte und Probleme dieser Welt. Die äußere Welt verliert an Macht über uns, weil wir die innere Welt unserer Seele spüren, die sich erhebt über die Niederungen des alltäglichen Lebens, die um das Geheimnis weiß, das uns an Weihnachten umgibt, das Geheimnis, dass Gott in unsere konkrete Welt herabgestiegen ist. Wenn wir das Geheimnis um uns und in uns spüren, dann fühlen wir uns daheim. Denn daheim sein – so weiß es die deutsche Sprache – kann man nur, wo das Geheimnis wohnt.
So wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest, an dem Sie bei sich selbst daheim sein können und diese Welt nicht mehr nur als das Fremde und Feindliche erleben, sondern als Heimat, weil in Gott als das Geheimnis selbst in diese Welt hinabgestiegen ist.
Einfacher Stollenkuchen vom Blech – mit viel Marzipan und Trockenfrüchten
Esslust Einfacher Stollenkuchen vom Blech – mit viel Marzipan und Trockenfrüchten
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