"Mein erstes Tattoo": Wieso hunderte Menschen mit abgebrochenen Bleistiftspitzen in der Haut leben
Kinder können grausam sein. Meistens mit Absicht, manchmal aus Versehen. Und einige Auserwählte unter uns tragen den Beweis noch heute mit sich herum, als mehr oder weniger deutliche Markierung einer wilden Kindheit. Wir sprechen von in die Haut eingewachsenen Bleistiftspitzen. Passiert ist es schneller, als man denkt: eine lustig gemeinte Attacke auf den Sitznachbar in der Grundschule, eine ungeschickte Bewegung – zack, spitzer Bleistift piekst die Haut, die Mine bricht ab.
Twitter-Nutzer @Los_Writer, der selbst seit Grundschulzeiten mit einem dunklen Fleck in der Handfläche herumläuft, startete nun einen Aufruf auf der Kurznachrichten-Plattform: Wer, außer ihm, lebt tatsächlich seit Kindertagen mit einer sichtbaren Bleistiftspitze in der Haut? Er postete:
Die Reaktionen waren überwältigend. Unzählige Menschen schickten @Los_Writer ihre Bleistift-Unfall-Geschichten samt Beweisfotos. „Mein erstes Tattoo“, scherzt etwa Nutzerin @isabelisabel102 und zeigt ein Bild ihrer Zeigefingerkuppe. Andere wurden an den Knien, Knöcheln, Füßen, im Gesicht oder gar am Bauch erwischt. Viele schreiben, dass sie die Bleistift-Markierungen seit mehr als 30 Jahren mit sich herumtragen.
Die Twitter-Nutzerin @rxdaughter postete ein Foto ihres Ringfingers, an dem die dunkle Markierung zu sehen ist. „21 Jahre, nachdem meine Freundin aus der siebten Klasse mich gestochen hat“, schreibt sie.
Susan Kirkness steuerte ein besonders erschreckendes Foto bei – eins von ihrem Augenlid. „Hier ist meins! Linkes Augenlid! Keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, noch das Auge zu besitzen! Passiert ist es in der Grundschule“, schreibt sie.
„Ich habe mich selbst ins Knie gestochen … in der achten Klasse, keine Ahnung, wie das passiert ist“, schreibt Allan Guthrie.
So normal der dunkelgraue Fleck für diejenigen ist, die seit vielen Jahren mit ihm herumlaufen, so abschreckend und faszinierend klingt das Phänomen der eingewachsenen Bleistiftspitzen für alle, die nicht betroffen sind und nie Zeuge eines entsprechenden Unfalls wurden. Wie geht das überhaupt? Wir haben diese Frage dem Dermatologen Dr. Peter Mohr gestellt.
„Wenn eine Bleistiftspitze in den Körper eindringt und dort abbricht, versucht der Körper in der Regel, diesen Fremdkörper zu beseitigen. Dieses kann passieren, indem der Fremdkörper aus der Eintrittsstelle herauseitert“, so der Mediziner, der als Chefarzt an den Elbe Kliniken in Buxtehude tätig ist. „Passiert dies nicht, verbleibt der Fremdkörper unter oder in der Haut im Körper und wird von Abwehrzellen ,angegriffen‘. Diese können jedoch eine Bleistiftspitze nicht ,auflösen‘, so dass es zum Verbleib des Fremdkörpers kommt, gegebenenfalls mit einem Granulom – Abwehrzellen und Bindegewebe um den Fremdkörper herum.“
Die steckengebliebene Spitze einfach in der Haut zu lassen, ist allerdings nicht die optimale Vorgehensweise. „In der Regel sollte man versuchen, die Bleistiftspitze zu entfernen. Macht man dies nicht selbst, kann es durch einen Arzt erfolgen“, so Dr. Mohr. „Es ist allerdings keine Notfallindikation.“ Man kann eine Bleistiftverletzung auch recht einfach selbst versorgen, „dazu sollte die Wunde desinfiziert und das Pflaster regelmäßig gewechselt werden. Sollte es zu einer Rötung in der Umgebung und zu einer Vereiterung kommen, ist jedoch unbedingt ein Mediziner aufzusuchen“, rät der Dermatologe.
Wer sich sorgt, dass aus der Bleistiftmine giftiges Blei in den Körper gelangt, kann übrigens aufatmen: „Die Inhaltsstoffe einer Bleistiftspitze bestehen nicht aus Blei, sondern aus Grafit“, erklärt Dr. Peter Mohr. „In der Regel ist es eine Verkohlung von Braun- oder Steinkohle. Von einer Schädlichkeit dieses Grafits, welches in Form einer Bleistiftspitze im Körper sein kann, ist bis jetzt nicht berichtet worden.“
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