Werden Corona-Impfstoffe wieder für ein normales Leben sorgen? – Heilpraxis

Corona-Impfung: Wird das Leben bald wie vor der Pandemie?

In Großbritannien wurde bereits der erste Corona-Impfstoff zugelassen. Deutschland will in den kommenden Wochen folgen. Mit der Verfügbarkeit steigt auch die Hoffnung auf eine schnelle Normalisierung der Lage. Wie lange wird es dauern, bis das Leben wieder so ist, wie vor der Pandemie?

Jüngst überschlagen sich die Meldungen über Corona-Impfstoffe. Hersteller und Politik hoffen, dass sie noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen. Sind damit die Beschränkungen bald passé? Die neuesten Impfstoff-Nachrichten stimmen zuversichtlich. Mit Moderna und Biontech/Pfizer haben Hersteller bereits für zwei Corona-Vakzine einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur Ema gestellt. Die Behörde will binnen Wochen über eine Empfehlung entscheiden.

Grünes Licht für Corona-Impfstoffe noch im Dezember?

Gibt es grünes Licht, könnten die Impfstoffe nach Herstellerangaben bereits im Dezember ausgeliefert werden. Bei vielen ist nun die Hoffnung groß, dass das Leben bald so ist wie vor Corona. Werden sich die Menschen bald wieder näher kommen, die Alltagsmasken fallen und das gesellschaftliche Leben wieder durchstarten?

Eine Frage der Bevölkerungsimmunität

Darüber könne nur spekuliert werden, sagt Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko), die Impfempfehlungen für Deutschland entwickelt. Der Virologie-Professor macht eine Lockerung von mehreren Faktoren abhängig: der Menge des Impfstoffs, dessen Wirksamkeit und Wirkdauer sowie der Anzahl der Menschen, die sich impfen lassen. „Circa 60 Prozent der Bevölkerung sollten immun sein.“ Immun heißt, dass sie den Erreger nicht weitergeben können.

Ein Soforteffekt ist unwahrscheinlich

„Es wird längere Zeit dauern, bis wir durch die Impfung eine spürbare Veränderung des Infektionsgeschehens sehen werden, dass wir sagen können, jetzt kann wieder Ruhe einkehren“, hatte Mertens bereits Ende Oktober den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt. Wenn man etwa pro Tag 100.000 Menschen impfen würde, brauche man 150 Tage, um 15 Millionen Menschen zu impfen, so der Stiko-Vorsitzende. Dieses Tempo wäre seiner Ansicht nach bereits eine Herausforderung.

Erste Prognose zur Normalisierung: Spätherbst 2021

Die Chef-Virologin der TU München, Ulrike Protzer, geht für einen flächendeckenden Corona-Schutz von einer ähnlich hohen Zahl aus: Etwa 65 Prozent der Bevölkerung müssten gegen das Virus immun sein. „Je nachdem, wie viele die Infektion durchgemacht haben, bedeutet das 55 bis 60 Prozent Geimpfte.“ Die Professorin nimmt derzeit an, dass das bis Spätherbst 2021 dauern könnte. Allerdings sei nicht abschließend klar, ob auch diejenigen, die bereits eine Corona-Ansteckung hinter sich haben, geimpft werden müssen.

Rund jeder Zweite will sich impfen lassen

Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, liegt in Deutschland nach einer Umfrage der Universität Erfurt von Mitte November bei 53,5 Prozent. Mitte April waren es noch 79 Prozent der Befragten. Dem Meinungsforschungsinstitut Kantar sagten im November etwa 35 Prozent der Menschen hierzulande, dass sie sich „definitiv“ impfen lassen würden, weitere 32 Prozent hielten das für „wahrscheinlich“.

Impfung als logistische Herausforderung

Zuvor geht es an die komplexe Verteilung des Impfstoffes. „Das ist in etwa vergleichbar mit der Logistik für die Automobilindustrie“, sagt Pharmalogistik-Experte Thomas Schnur vom Beratungsunternehmen Camelot MC. Nur dass man die diesmal in etwa sechs Monaten habe aufbauen müssen. „Alles muss fein getaktet sein.“

Engpässe im Lufttransport möglich

Eine mögliche Engstelle sieht Schnur beim Luftverkehr: Wegen zurückgegangener Passagierflüge werde auch weniger Fracht, die darin zugeladen wird, transportiert. Logistikunternehmen bereiten sich aber darauf vor, etwa mit Frachtmaschinen die Verteilung von Impfstoffen zu gewährleisten. Lufthansa Cargo, die Lufthansa-Frachttochter, führt deshalb laut eigenen Angaben seit Monaten Gespräche mit Logistik- und Pharmaunternehmen.

Ob es darüber hinaus zu Verzögerungen kommen kann, könne derzeit niemand beantworten, sagt das Paul-Ehrlich-Institut. Dem für Impfstoffe und Arzneimittel zuständigen Bundesinstitut zufolge haben die Hersteller aber angegeben, bereits seit Wochen und Monaten – auf eigenes Risiko – mit der Impfstoffproduktion begonnen zu haben, damit sofort nach der Zulassung mit der Auslieferung begonnen werden kann.

„Wir haben auf Halde produziert und alles, was da ist, kann innerhalb von wenigen Stunden dann wirklich verteilt werden“, sagt etwa Biontech-Finanzvorstand Sierk Poetting. Das Produkt dieses Unternehmens dürfte besonders herausfordernd sein. Es muss bei etwa minus 70 Grad Celsius gelagert werden und kann – nach bisherigen Erkenntnissen des Herstellers – nur einige Tage im normalen Kühlschrank überleben. «Da muss von Anfang bis Ende alles glasklar sein, damit es funktioniert», sagt Logistik-Experte Schnur. Konkret: Wo wird wann genau welche Menge benötigt?

In Deutschland sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums 27 Anlieferungszentren für die Impfdosen geplant. Von dort sollen sie weiter an die Impfzentren und mobilen Impfeinheiten in den Bundesländern verteilt werden. Nach Schnurs Einschätzung könne es alles etwas langsamer gehen, als von der Politik geplant. Denn: Man kann bei dieser Logistik-Kette „nicht nach Belieben Gas geben“.

Wie die Impfdosen in Deutschland verteilt werden

Die EU hat sich Hunderte Millionen Covid-19-Impfdosen verschiedener Hersteller gesichert. Da diese nach Bevölkerungsgröße auf die Mitgliedstaaten verteilt werden, stünden Deutschland rechnerisch deutlich mehr als 100 Millionen Dosen zu. Auch innerhalb der Bundesrepublik sollen sie nach dem Bevölkerungsanteil an die Länder weitergegeben werden.

Corona-Impfzentren

Geimpft werden soll dann vor allem in Impfzentren, deren Organisation den Bundesländern unterliegt. Eingerichtet und betrieben werden diese mit Hilfe von niedergelassenen Ärzten und Medizinerinnen, Krankenhäusern, den kassenärztlichen Vereinigungen und etwa von Hilfsorganisationen oder der Bundeswehr. In Bayern etwa sollen bis Mitte Dezember etwa 100 Impfzentren eingerichtet sein. In Nordrhein-Westfalen soll es mehr als 50 geben – mit Massenimpfungen rechnet das Land aber erst ab Mitte 2021.

Bei einem Probelauf in einem Impfzentrum in der Messe Ulm stellte sich zuletzt heraus, dass dort täglich 1700 Menschen geimpft werden könnten. „Wir können das in Ulm verdoppeln auf 3400 Menschen am Tag“, sagte der örtliche Kreisverbandsarzt beim Deutschen Roten Kreuz, Bernd Kühlmuß, dem ZDF. Dem Kardiologie-Professor zufolge sind an jedes Impfzentrum zudem ambulante Teams angeschlossen, die etwa in Heimen impfen könnten. Stiko-Chef Mertens geht davon aus, dass medizinisches Personal wohl parallel teils in Kliniken geimpft wird.

Wer zuerst geimpft werden soll

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Dienstag im Deutschlandfunk: „Unser Ziel ist es, dass bereits im Januar die ersten Risikogruppen und Pflegebeschäftigen geimpft sind.“ Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, betont: Direkt nach der Zulassung eines Impfstoffes könne es auf keinen Fall genug für alle geben. Denn die Pandemie betreffe nicht nur Deutschland und die EU, sondern die ganze Welt. Der Professor spricht sich daher für eine Priorisierung aus – also wer vorrangig welche Impfstoffe erhalten soll.

Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Stiko fordern in einem gemeinsamen Positionspapier eine Priorisierung der Impfungen mit dem Ziel, schwere Covid-19-Verläufe und Todesfälle zu vermeiden. Dazu sollten sich Risikogruppen wie Ältere und Vorerkrankte vorrangig impfen lassen, aber auch Medizin- und Pflegepersonal sowie Menschen in Berufen zur Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen und des öffentlichen Lebens.

Es wird keine Impfpflicht geben

Eine erste konkrete Impfempfehlung wird die Stiko geben, sobald weitere Daten aus den Phase-3-Impfstoffstudien verfügbar sind. Eine Corona-Impfpflicht wird es nicht geben, das haben Bund und Länder immer wieder ausgeschlossen. (vb/Quelle: Sebastian Fischer und Alexandra Stober, dpa)

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