Wann verzweifelte Eltern ihren Kindern „Erwachsenenmedikamente“ geben können
Fiebersenkender Ibuprofen-Saft oder Paracetamol: Medikamente für Kinder fehlen aktuell in vielen Apotheken. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem Deutschland eine heftige Infektionswelle plagt. Die gute Nachricht: In bestimmten Fällen können Eltern auf Präparate für Erwachsene ausweichen. Was Sie wissen müssen.
„Wir erleben eine sehr hohe Nachfrage nach fiebersenkenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Paracetamol, weil derzeit extrem viele Kinder erkrankt sind“, schildert Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, der „Rheinischen Post“. „Es ist ein Armutszeugnis, dass so simple Medikamente wie ein Fiebersaft häufig nicht mehr verfügbar sind.“ Verzweifelte Eltern kämen in die Praxen, die Apotheker müssten unverschuldet den Ärger aushalten. „Es gibt zu wenige Anbieter solcher Mittel, weil die Festpreisregelung bei uns zu einem Abwandern der Produktion in Billiglohnländer wie Indien und China geführt hat“, kritisiert der Kinderarzt. „Dort gibt es nun Lieferkettenprobleme, was wiederum zu Lieferengpässen führt.“
Wegen der Lieferprobleme bei Kleinkind-Medikamenten wie Fiebersäften fordert der Berufsverband ein kurzfristiges Einschreiten der Bundesregierung. „Wir brauchen jetzt eine von der Politik angeschobene Beschaffungsaktion, um wie zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Notlage schnell an Fiebersaft, bestimmte Antibiotika und andere selten gewordene Präparate für kleine Kinder zu kommen“, sagte Verbandspräsident Fischbach. Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgestellten Pläne für Gesetzesänderungen kämen zu spät. Die Bundesregierung will das Vergaberecht ändern. Ziel sei, Lieferketten breiter anzulegen, damit die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern abnimmt, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums Ende November. Die Situation sei trotz vorhandener Instrumente zu Ausweichpräparaten bei Engpässen unbefriedigend. Lauterbach hatte dem ARD-Hauptstadtstudio gesagt, die Krankenkassen sollten nicht länger gezwungen sein, Medikamente und Wirkstoffe dort einzukaufen, wo sie am billigsten sind.
Was Eltern statt Fiebersaft geben können
Gerade wenn das fiebernde Kind zu Hause liegt, helfen diese mittelfristigen Pläne allerdings nicht. Da fragen sich verzweifelte Eltern, ob sie nicht auch die Präparate, die sie für sich in der Hausapotheke haben, geben können. In einigen Fällen ist das tatsächlich möglich.
Tabletten mit Ibuprofen und Paracetamol können meist geteilt werden. Das erläutert die Freisinger Apothekerin Ingrid Kaiser im Gespräch mit FOCUS online: „Von den Paracetamol-Tabletten für Erwachsene mit 500 Milligramm können Eltern ihren Kindern schon ab vier Jahren eine halbe Tablette geben, Ibuprofen geht ab sechs Jahren – entweder die Hälfte einer 400-Milligramm-Pille oder in Form von Granulaten zum Auflösen.“
So empfiehlt es auch das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM), das mit einem entsprechenden Beirat für das Management von Liefer- und Versorgungsengpässen zuständig ist, für teilbare Tabletten:
- Paracetamol: Halbe Tablette für Kinder ab vier Jahren
- Ibuprofen: Halbe Tablette für Kinder ab sechs Jahren
Kaiser hat außerdem noch einen Tipp parat, damit die Kinder der etwas bittere Geschmack nicht stört. „Sie dürfen die Tablette ruhig ein bisschen zerbröseln und beispielsweise in einer Banane verstecken oder in einen Pudding rühren“, sagt die Apothekerin. Anders als etwa Penicillin müssten die Fiebersenker nicht auf nüchternen Magen genommen werden.
Überdosierung von Paracetamol kann lebensgefährlich werden
Wichtig, wenn Eltern ihren Kindern Erwachsenenmedikamente geben wollen: Sie sollten Paracetamol auf keinen Fall überdosieren. In der Packungsbeilage finden sich die Informationen, wie viel Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen werden – und wie hoch die maximale Tagesdosis ist. Vor allem für Kinder unter vier Jahren sollten Tabletten für Erwachsene keinesfalls in Wasser aufgelöst und verabreicht werden. Davor warnt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe in einem Gastbeitrag für „Prisma“: „Das kann lebensgefährlich sein.“ Paracetamol kann die Leber schädigen, deshalb muss die Dosis genau auf das Alter und das Körpergewicht des Kindes abgestimmt sein.
Empfohlene Dosierung:
- 10 bis 15 Milligramm Paracetamol pro kg Körpergewicht als Einzeldosis
- 60 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht oder auch vier Gramm bei Erwachsenen gelten als Tageshöchstdosis.
- Die einzelnen Dosen nehmen Patienten über den Tag verteilt und sollten dabei jeweils mindestens sechs Stunden Abstand einhalten.
Ohnehin muss nicht jedes Fieber bei Kindern gesenkt werden. Denn es ist eine natürliche Reaktion des Körpers, um einen Infekt abzuwehren. Auch können Sie zunächst einmal versuchen, das Fieber mit Hausmitteln wie Wadenwickeln zu senken. „Fieber ist eine natürliche Reaktion des Körpers und vergeht meist von allein wieder“, erklärt die Apothekerin. Behandelt werden sollte es nur, wenn es höher als 39 Grad steigt.
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