Topmodel leidet an seltener Darmfehlbildung – das steckt dahinter
Model Stefanie Giesinger leidet an einer seltenen angeborenen Darmfehlbildung. Es sei ein Wunder, dass sie so lange überlebt hat, erzählte sie kürzlich in einem TV-Interview. Wir klären die medizinischen Hintergründe.
Es hätte einige Zeit gedauert, bis sie ihre Narbe lieben lernte, erzählte Model Stefanie Giesinger in einem Interview. Mittlerweile sehe sie die Narbe und die damit verbundene Krankheit aber als eine Art Superpower. „Sie zeigt mir, dass ich gekämpft habe, dass ich etwas erreicht habe und, dass ich immer noch hier stehe.”
Die Narbe am Bauch hat Giesinger, weil sie zwei Operationen durchstehen musste. Sie leidet an einer seltenen Darmfehlbildung namens Malrotation. Lebensgefährlich wurde es durch einen sogenannten Volvulus, das ist eine akute Darmdrehung, die im Zusammenhang mit der Malrotation auftritt. „Ein chirurgischer Notfall, der immer und sofort operiert werden muss“, erklärt Jens Dingemann, Oberarzt für Kinderchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), im Gespräch mit FOCUS online.
„Malrotation ist angeboren, Volvulus die Folge“ – die medizinischen Hintergründe
Bei einer normalen Entwicklung wandert der Darm des Embryos in der achten Schwangerschaftswoche in die Nabelschnur, um außerhalb der engen Bauchhöhle in die Länge zu wachsen, so Dingemann. Nach Wiedereintritt dreht sich der Darm dann normalerweise 270 Grad gegen den Uhrzeigersinn und heftet sich dann an der hinteren Bauchwand an. Gelingt das nicht – sind also Rotation und Anheftung gestört – spricht man von einer Malrotation.
„Ein Volvulus ist ein potentiell lebensbedrohliches Ereignis, das im Zusammenhang mit der Malrotation steht“, erklärt der Chirurg. „Das Darmpaket dreht sich um die eigene Achse und schneidet sich die eigene Blutzufuhr ab. Wird das nicht früh genug erkannt, stirbt der Darm oder Teile des Darms ab.“ Weil das schon nach wenigen Stunden gefährlich werden kann, ist ein Volvulus immer ein „lebensgefährlicher Notfall, der sofort operiert werden muss“.
Volvulus durch Malrotation – die Symptome
Als Symptome für einen Volvulus (akute Darmdrehung) bei Malrotation nennt der Chirurg
- plötzliches Erbrechen (vor allem Gallenflüssigkeit),
- Durchfall oder Stuhlverhalt,
- Bauchschmerzen und
- einen aufgedunsenen Bauch.
Die genaue Häufigkeit der Malrotation ist nicht bekannt, denn nicht immer führt sie zu Beschwerden. Allerdings: Klinische Symptome durch Malrotationsfehlbildungen, wie sie zum Beispiel bei einem Volvulus auftreten, kommen laut MHH bei einem von 6000 Neugeborenen vor. Bei den im Jahr 2021 geborenen 795.492 Babys in Deutschland wären das gerade einmal 133 Fälle pro Jahr.
Die Ursache der Malrotation ist nicht bekannt. „Ich sage immer, es ist ein kleiner Programmierfehler der Natur“, so Dingemann. Gene, Ernährung oder Verhalten der Eltern in der Schwangerschaft spielen dabei keine Rolle, betont er.
Die Haupt-Gefahr besteht darin, dass der medizinische Notfall eines Volvulus' nicht erkannt wird, denn die Symptome treten auch bei anderen Krankheitsbildern auf. „Es gilt deshalb der Grundsatz, dass bei Säuglingen mit entsprechenden Beschwerden sofort an einen Volvulus gedacht werden muss“, so Dingemann. Wenn es erkannt wird, seien die Erfolgschancen einer OP sehr hoch.
Giesinger: „Es war ein Wunder, dass ich das so lange überlebt habe“
Bei Giesinger wurde die Erkrankung lange nicht erkannt. Als Kind litt sie teils unter qualvollen Schmerzen, immer wieder musste sie erbrechen, viele verdächtigten sie, Bulimie zu haben, erinnert sie sie sich im ARD-Format „deep und deutlich“. Mit 13 Jahren hatte sie einen Zusammenbruch. Verlor innerhalb von nur einer Woche zehn Kilo. Im Krankenhaus diagnostizierten die Ärzte schließlich einen Volvulus und eine Malrotation. Eine mehrstündige Not-Operation rettete Giesingers Leben.
„Es war eh schon ein Wunder, dass ich das so lange überlebt habe“, sagt sie heute.
Tatsächlich ist das höhere Alter eher ungewöhnlich. Laut Dingemann tritt ein Volvulus bei Malrotation in 90 Prozent der Fälle vor dem fünften Lebensjahr auf. Der Experte vermutet, dass bei Giesinger zunächst die sogenannten Ladd-Bänder die Beschwerden verursachten. Diese treten ebenfalls als Folge einer Malration auf. „Dabei handelt sich um anormale Bindegewebsstränge, die Teile des Darms abdrücken und Schmerzen und Erbrechen verursachen“, erklärt er. „Eine akute Darmdrehung, also ein Volvulus, ist ein akutes Krankheitsbild während Ladd-Bänder eher chronische Beschwerden verursachen. Beide stehen im Zusammenhang mit der Malrotation und können daher auch kombiniert auftreten.“ Allerdings: „Für eine Diagnose müsste ich ihr genaues Krankheitsbild kennen“, betont der Chirurg.
Giesinger berichtet auch von psychischen Problemen – und was ihr half
Giesinger berichtete, dass ihre Krankheit auch von depressiven Phasen begleitet wurde. Besonders heftig wurde es ab 2018. Nach ihrer letzten OP hätte sie auf einmal nicht mehr funktionieren müssen, sei allein mit ihren Emotionen gewesen. „Ab da ging es bergab“, erinnert sie sich. Dann kam die Pandemie hinzu und damit das Aussetzen vieler Model-Jobs.
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Ihre damalige Managerin hätte ihr eine Psychologin besorgt. „Das hat mir auf jeden Fall geholfen“, sagt sie. Ein Jahr lang nahm sie Antidepressiva. Aber vor allem: „Das einordnen zu können, dass das nicht ich selbst bin, sondern eine Krankheit, war der Auslöser, dass es mir jetzt besser geht.“
Hinweis: Wenn Sie sich in einer Krise befinden, wenden Sie sich bitte an Ihren behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten, die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter 112. Sie erreichen die Telefonseelsorge zudem rund um die Uhr und kostenfrei unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222.
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