So funktioniert der Krebsimpfstoff von BioNTech
Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Ein universelles Heilmittel gibt es noch nicht. Doch die Fortschritte bei der Erprobung eines Krebs-Impfstoffes von BioNTech machen Hoffnung.
Die Mediziner Uğur Şahin und Özlem Türeci sind Pioniere der Wissenschaft. Während der Corona-Pandemie entwickelten die Gründer von BioNTech den ersten in der EU zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19.
Momentan widmen sich Şahin und Türeci wieder ihrem eigentlichen Metier: der Krebsforschung, genauer gesagt der Entwicklung und Erprobung eines Impfstoffes gegen Krebs. Am Montag stellte ihr Biotechnologieunternehmen erste Zwischenergebnisse einer laufenden klinischen Studie vor, in deren Zuge die Wirksamkeit ihres mRNA-Krebsimpfstoffs CARVac an Probanden getestet wird – und lieferte damit einen Grund zum Optimismus.
BioNTech testet Krebsimpfstoff CARVac
An der Studie nahmen 44 Probanden teil, die unter bösartigen Tumoren litten. Ihnen wurde der Impfstoff CARVac in vier Dosierungsstufen verabreicht. Von 38 Studienteilnehmern konnten die Wissenschaftler die Daten auswerten. Es stellte sich heraus, dass fast bei der Hälfte der Probanden (45 Prozent) die Tumore kleiner geworden waren. Bei 75 Prozent blieben die Tumore gleich groß und wuchsen zumindest nicht.
23 der 44 Studienteilnehmer zeigten im Anschluss an die Impfung leichte Nebenwirkungen wie Fieber oder schnellen Herzschlag. Ein Patient entwickelte schwere Beschwerden, die eine therapeutische Behandlung erforderten. Zwei Probanden wiesen leichte und vorübergehende Nebenwirkungen wie Empfindungsstörungen und Schwitzen auf.
Ein anderes Ergebnis zeigte sich bei der Verabreichung von zwei Impfdosen. Hier konnten die Forscher die Daten von 13 Probanden auswerten. Dabei entdeckten sie, dass bei nahezu allen Patienten (95 Prozent) die Tumore nicht größer wurden. Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer (59 Prozent) wurden die Tumore kleiner.
Bei rund der Hälfte der Probanden wurden die Tumore kleiner
Derzeit befindet sich die Studie in Phase 1 und 2. In Phase 1 wird laut Bundesbildungsministerium in der Regel an einigen wenigen, gesunden Probanden die Verträglichkeit und Sicherheit eines neuen Medikaments getestet. In Phase 2 testen die Forscher es dann an Personen, die an der Krankheit leiden, für deren Behandlung das Heilmittel entwickelt wird. Hier geht es um die richtige Dosierung. Außerdem werden bereits erste Daten zur Wirksamkeit erhoben.
Klinische Studien mit kombinierten Phasen sind laut BioNTech dann möglich, wenn das zu erprobende Medikament und der medizinische Bedarf gewisse Anforderungen erfüllen. Bei der Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungsmöglichkeiten gegen Krebs werden häufiger kombinierte Studien durchgeführt. Dazu müssen die zuständigen Behörden die Studien genehmigen.
Im Zuge der laufenden Studie will BioNTech die optimale Impfdosis herausfinden und mit diesen Erkenntnissen im kommenden Jahr in Phase 2 der Studie starten.
Immuntherapie zur Behandlung von Krebs gilt als Grundlage
Doch wie genau funktioniert der Impfstoff und wie kann er den Tumoren Einhalt gebieten? Die Grundlage dafür ist die CAR-T-Zellen-Therapie. Das ist laut der Deutschen Krebsgesellschaft eine Art der Immuntherapie. Sie zielt darauf ab, dass das körpereigene Abwehrsystem wieder gegen die Tumorzellen kämpft.
Bei der Therapie wird dem Patienten zuerst Blut abgenommen. Dann werden die weißen Blutkörperchen herausgefiltert, die wichtige Bestandteile des Immunsystems sind. Aus diesen werden wiederum Immunzellen, die sogenannten T-Zellen, gefiltert. Im Labor werden die T-Zellen gentechnisch so behandelt, dass sie einen chimären Antigen-Rezeptor (CAR) produzieren – also einen Rezeptor, dessen Bestandteile eigentlich nicht zusammenpassen. Dadurch entstehen die CAR-T-Zellen.
Sie gelangen über eine Infusion in den Körper des Patienten. Der Rezeptor visiert dabei eine spezifische Zielstruktur auf den Krebszellen an und dockt dort an. Dadurch aktiviert die CAR-T-Zelle das Immunsystem und bringt die Tumorzelle zum Absterben.
Manchmal gelingt es den CAR-T-Zellen jedoch nicht, die Tumorzellen richtig zu erkennen und zu bekämpfen. Außerdem kann es passieren, dass die Zellen nicht beständig genug sind und absterben, bevor sie die Tumorzellen zerstören können.
mRNA-Impfstoff stärkt CAR-T-Zellen und erleichtert Bekämpfung der Tumorzellen
An dieser Stelle setzt der mRNA-Impfstoff an. Dieser soll die Funktionalität und Beständigkeit der CAR-T-Zellen verbessern und das Protein Claudin-6 angreifen, das von Tumoren gebildet wird.
Wie das funktioniert? Die Erbgutinformation von Claudin-6, also die mRNA, wird in die Krebszelle eingeschleust. Dort entwickelt sie dann das Protein. Dabei entsteht ein Antigen, das an die Oberfläche der Tumorzelle gelangt. Die CAR-T-Zellen können die Krebszelle nun besser erkennen und bekämpfen.
„Unser Ziel ist es, das Potenzial von CAR-T-Therapien für solide Tumore zu erschließen und dazu beizutragen, das Behandlungsergebnis für eine Reihe von Tumoren zu verbessern, für die die Möglichkeiten gegenwertig noch sehr begrenzt sind“, sagt BioNTech-Mitbegründerin Türeci laut Pressemitteilung.
BioNTechs Vorstandsvorsitzender Şahin schätzt sogar, dass der Einsatz von Impfstoffen bei der Behandlung von Krebspatienten bereits in den kommenden Jahren Realität wird. „Wir glauben, dass dies in größerem Umfang für Patienten vor 2030 möglich sein wird“, sagt er im Gespräch mit „Spiegel“.
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