Schon wach? – Empfehlungen der neuen DEGAM-S3-Leitlinie „Müdigkeit“
Nach fünf Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ihre Leitlinie zum Thema Müdigkeit aktualisiert. Hinter dem Symptom können viele Ursachen stecken – ein Mineralstoff- oder Vitaminmangel ist es jedoch nur selten.
„Müdigkeit ist eine universelle menschliche Erfahrung“, so heißt es in der neuen DEGAM S3-Leitlinie Müdigkeit. Manche Patient:innen suchen jedoch medizinische Hilfe, etwa weil ihre Erschöpfung persistiert oder weil diese sie in ihrer Lebensqualität stark einschränkt. In einigen Fällen deutet die Müdigkeit auf eine andere Erkrankung wie beispielsweise eine Depression, ein Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) oder eine Schlafapnoe hin. In vielen Fällen lässt sich jedoch keine direkte organische Ursache ausmachen, schließlich können viele Faktoren wie eine starke emotionale Belastung oder zurückliegende Infekte einzeln oder kombiniert zu Müdigkeit führen. Apotheker:innen kennen zudem noch eine ganz Reihe Arzneimittel, die als Nebenwirkung müde machen. Prominente Beispiele sind Vertreter aus den Gruppen der
- Antidepressiva,
- Neuroleptika,
- Antihypertensiva,
- Antihistaminika,
- Benzodiazepine und Z-Substanzen,
- Migränemedikamente oder
- Opiate.
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Haben Patient:innen vor der Konsultation von medizinischem Fachpersonal „Dr. Google“ befragt, sind sie möglicherweise beunruhigt, ob sie an einer schwerwiegenden oder bösartigen Erkrankung leiden. Hier gibt es in der Leitlinie Entwarnung. Zu Malignomen im Zusammenhang mit Müdigkeit heißt es beispielsweise, sie seien nicht häufiger als bei anderen − nicht müden – Praxispatient:innen.
Müdigkeitsauslöser Eisen-, Kalium- und Vitamin-D-Mangel?
Auch ein Mangel an Eisen, Kalium oder Vitamin D ist eine häufig vermutete Müdigkeitsursache. Die Evidenz hierzu ist jedoch durchwachsen. Zwischen Kaliumspiegel und Müdigkeit konnten die Herausgeber der Leitlinie keinen Zusammenhang feststellen und auch ein Vitamin-D-Defizit korreliere nicht mit vermehrter Müdigkeit. Eisenmangel dürfte nur hinter einer niedrigen, einstelligen Zahl der Fälle von Müdigkeit stecken. Von Müdigkeit betroffene Patient:innen mit Eisenmangel können aber von einer bevorzugt oralen Eisensubstitution profitieren.
Hilfe durch Phytopharmaka?
Die Leitlinie erwähnt ein Kombinationspräparat mit Baldrianwurzel (4mg Baldriansäure), Hopfenzapfen (0,8mg Flavonoide) und Jujubesamen (2mg Triterpensaponine), für welches in einer kleinen Studie ein positiver Effekt auf die Tagesmüdigkeit gezeigt wurde. Wunder sind an dieser Stelle nicht zu erwarten, für Patient:innen die sich phytotherapeutische Unterstützung wünschen bietet dies jedoch eine Orientierung. Da Kombinationen aller drei Arzneipflanzen in Deutschland nicht als Fertigarzneimittel erhältlich sind, müssten Apothekenteams auf Kombinationspräparate mit Baldrian und Hopfen ausweichen.
Empfehlungen der Leitlinie
Eine medikamentöse Therapie wird bei Müdigkeit nicht empfohlen. Im Gegenteil kann das Absetzen mancher Arzneimittel, wie beispielweise Schlafmittel, zu einer Verbesserung führen. Den höchsten Empfehlungsgrad erreichen in der Leitlinie folgende Maßnahmen:
- Entwöhnung bei Substanzabusus von Tabak, Cannabis und Alkohol,
- Optimierung der Behandlung von Grunderkrankungen wie COPD oder Herzinsuffizienz,
- Verhaltenstherapie,
- aktivierende Maßnahmen (explizit nicht bei ME/CFS).
Oder wie es in der zur Leitlinie gehörigen Patienteninformation heißt: „Müdigkeit ist behandelbar: Das verlangt aber meist Veränderungen in Lebensweise und Tagesablauf. Die Erfolge treten nicht von heute auf morgen auf.“
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