Ozempic-Fälschungen – auf den Spuren von Charge MP5E511

Offenbar sind noch mehrere hundert gefälschte Ozempic-Pens im Umlauf, deren Verbleib unklar ist. Das haben Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ergeben. Im Zentrum steht die Charge MP5E511, deren Spuren mittlerweile bis in die Türkei führen.

Ende Oktober haben Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) erste Hinweise auf die Lieferkette von in Deutschland aufgetauchten Ozempic®-Fälschungen offengelegt. Neben einem Großhändler in Deutschland (Pharma Medtec in Lörrach) und einem Großhändler aus Großbritannien waren vor allem Händler aus Österreich in den Fokus von Ermittlungen geraten. Bei einem der Händler aus Österreich, der die Fälschungen an Pharma Medtec vertrieben haben soll, handelte es sich um die AZ Naturemed in der Steiermark. 

Daneben haben in Österreich die gefälschten Semaglutid-Pens aber auch schon Patient*innen erreicht und zu Krankenhauseinlieferungen geführt. Hinter diesen Fällen soll ein Salzburger Schönheitschirurg stecken. Dieser hatte seine Pens offenbar von einer anderen Firma erworben, gegen welche die Staatsanwaltschaft Steyr die Ermittlungen aufnahm.

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Am 9. November machte die Polizei Düsseldorf zudem in einer Pressemitteilung auf eine Neusser Firma aufmerksam. Dies sollte im Juli von einer türkischen Firma mehr als tausend Einheiten der gefälschten Produkte eingekauft und teilweise weiterverkauft haben. Bei einer Durchsuchung konnten die Fälschungen jedoch nicht aufgefunden werden. Aus der Pressemitteilung ging nicht hervor, ob es einen Zusammenhang zu den bereits zuvor bekannt gewordenen Ozempic®-Fälschungen gibt.

Die Recherchen NDR, WDR und SZ zeigen nun, dass es eine Verbindung gibt. Im Zentrum steht die Ozempic®-Charge MP5E511, bei der bereits das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zuvor bestätigt hatte, dass zum Teil Insulin statt Semaglutid enthalten ist und es sich vermutlich um umetikettierte Insulinpens handelt. Die Recherchen berufen sich auf interne Mitteilungen der europäischen Working Group of Enforcement Officers (WGEO), an der auch das BfArM teilnimmt. Demnach nimmt der Fall größere Dimensionen an, als bislang bekannt war.

Neusser Firma soll Geld von AZ Naturemed erhalten haben

Pharma Medtec aus Lörrach soll neben den bislang bekannten 200 gefälschten Ozempic®-Pens weitere 600 aus Österreich bezogen haben. Der Verbleib dieser Packungen sei „unbekannt“, heißt es. Wie bereits bekannt, soll AZ Naturemed der Lieferant dieser Pens sein. AZ Naturemed soll 300 weitere Packungen gefälschte Ozempic®-Pens direkt nach Großbritannien an einen Großhändler verkauft haben. Und dabei kommt offenbar die Neusser Firma ins Spiel, die das Geld für alle diese Packungen von AZ Naturemed erhalten haben soll. Dabei soll es sich um ILTS-Forwarding handeln, die während der Corona-Pandemie mit FFP2-Masken gehandelt und das Bundesgesundheitsministerium in der Folge unbegründet auf eine Zahlung von 85 Millionen Euro verklagt haben soll.

Beschaffung aus der Türkei und den USA?

Den WGEO-Berichten zufolge habe die Neusser Firma die Fälschungen von dem Unternehmen AUB Healthcare in Ankara aus der Türkei bezogen. Doch: „Auf Anfrage teilt AUB Healthcare allerdings mit, dass sie keine Geschäfte zu den im Zusammenhang mit den Ozempic-Fälschungen genannten Firmen unterhalten und keine Produkte geliefert hätten“, und wie NDR, WDR und SZ erklären, schrieb auch die Geschäftsführerin von ILTS per Kurznachricht: „Die Infos, die sie haben, sind alles Halbwissen“ und „setzen Sie ihr Können woanders ein und stören Sie nicht die Ermittlungen“.

Laut dem WGEO-Berichten, soll die Charge der gefälschten Pens, die „von der türkischen Firma AUB an die österreichische AZ Naturemed gegangen sein sollen“, aber die Nummer MP5E511 tragen. Und diese Charge soll auch beim erwähnten Salzburger Schönheitschirurgen gelandet sein, den NDR, WDR und SZ auch namentlich nennen. Aus den WGEO-Berichten gehe hervor, dass er zehn gefälschte Pens an Patient*innen abgegeben haben soll. Insgesamt habe er jedoch 250 Pens erhalten und die verbleibenden an seinen Lieferanten zurückgegeben. 

Mediale Aufmerksamkeit hatte der Schönheitschirurg schon vor Bekanntwerden der Fälschungen auf sich gezogen. Es wird aus einem Bericht im Magazin „Focus“ zitiert, wonach er wisse wie man Lieferengpässe umgeht: „Er beschafft sich das Diabetesmedikament Ozempic seit mehr als zwei Jahren über eine internationale Apotheke direkt aus den USA und behandelt Patienten in Wien, Salzburg, München und Mallorca off-label gegen Fettleibigkeit“, heißt es.

Die Ermittlungen laufen noch

Die Staatsanwaltschaft Steyr soll nun nicht nur gegen den Salzburger Arzt, sondern auch gegen seine mutmaßlichen österreichischen Lieferanten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet haben (TCHmed und die Kairos 13), die keine Zulassung zum Handel mit Arzneimitteln haben sollen. Der Geschäftsführer der TCHmed sagte NDR, WDR und SZ, seine Firma habe „niemals Geschäfte mit Ozempic gemacht“.

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Ende Oktober hatte es laut österreichischem Bundeskriminalamt noch geheißen, dass es keine Hinweise gebe, dass AZ Naturemed auch mit den Krankenhausaufnahmen im Umfeld des Salzburger Arztes in Verbindung gebracht werden könnte. Ob die neuen Erkenntnisse zur Charge doch auf einen Zusammenhang hindeuten, bleibt offen. 


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