Lauterbachs Aufruf zur 4. Impfung ist verwirrend: Was Sie wirklich wissen müssen
Mal wieder überrascht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit einer seiner Aussagen. Er empfiehlt jetzt auch allen unter 60 Jahren die vierte Impfung. Die Stiko ist hingegen anderer Meinung.
Schon wieder eine neue Impfempfehlung? Erst Anfang der Woche sprach sich die EU für einen zweiten Booster bei allen über 60 Jahren aus. Gesundheitsminister Karl Lauterbach reicht das offenbar nicht. Er empfahl jetzt im Gespräch mit dem „Spiegel“, dass sich auch die Jüngeren eine weitere Auffrischungsimpfung abholen sollten.
Mit einer offiziellen Empfehlung hat das allerdings nichts zu tun. Denn bestimmte Gruppen zur Impfung aufzufordern, das ist eigenlich der Ständigen Impfkommission (Stiko) vorbehalten. Und die bleibt dabei, dass sich der zweite Booster im Augenblick vor allem für Risikogruppen lohnt. Und so überrascht es auch wenig, dass sich deren Vorsitzender nur wenige Stunden später in der „Welt am Sonntag“ gegen Lauterbach stellt. Er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigten, sagte Thomas Mertens – und dass er es „für schlecht“ halte, medizinische Empfehlungen unter dem Motto „Viel hilft viel“ auszusprechen.
Stiko bleibt bei bisheriger Empfehlung
Und Mertens ist nicht allein mit seiner Kritik. Ganz klar gegen Lauterbachs Impfempfehlung positioniert sich auch Epidemiologe Klaus Stöhr im Gespräch mit der „Welt“: Wer jetzt die vierte Impfung für alle empfehle, spreche sich eigentlich für das fünfte Mal im Herbst aus. Denn der durch den zweiten Booster leicht verbesserte Immunschutz auch gegen schwere Verläufe wäre im Herbst bereits wieder verpufft. Zudem sei dann der Abstand zwischen vierter und fünfter Impfung sehr kurz, was wiederum nicht die optimale Immunreaktion auslöse. Aus seinem Blickwinkel sollten alle es so machen, wie die Stiko es empfiehlt. Sie habe alle entscheidenden wissenschaftlichen Daten vorliegen.
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt einen zweiten Booster bislang nur Menschen
- über 70 Jahren sowie einigen anderen Gruppen, darunter
- Menschen mit unterdrücktem Immunsystem,
- Pflegeheimbewohner und
- Personal medizinischer Einrichtungen.
Bezogen auf die Gesamtbevölkerung haben nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI; Stand 15.7.) 7,5 Prozent (6,1 Millionen) eine zweite Auffrischimpfung erhalten, bei den Menschen ab 60 Jahren ist es jeder Fünfte (5,1 Millionen).
Viele Ärzte orientieren sich an der Stiko-Empfehlung. Die Impfentscheidung sei immer eine Entscheidung zwischen Hausarzt und Betroffenen, sagte Lauterbach. Die Stiko „empfiehlt ja nur im Allgemeinen“.
Lauterbachs Empfehlung sorgt für Verwirrung
Doch Lauterbachs Empfehlung sorgt für Verwirrung. Denn die Tatsache allein, dass Lauterbach den zweiten Booster bei Jüngeren für angemessen hält, bedeutet nicht, dass sie diesen auch bekommen. So werden junge Impfwillige etwa in Impfzentren wieder weggeschickt, wenn sie nach einer vierten Dosis fragen – weil sie zu jung sind.
Zwar schade die vierte Impfung bei Jüngeren nicht, sagte Immunologe Carten Watzl. Sie verbauten sich damit auch nichts in Bezug auf eine eventuell fünfte Impfung, mit einem an Omikron angepassten Impfstoff. Bedarf für den zweiten Booster sehe er jedoch nicht. Für immungesunde Menschen gelte, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung auch mehr als sechs Monate nach der dritten Impfung immer noch sehr hoch sei.
Nicht alle Experten stellen sich gegen Lauterbach
Wer dennoch unsicher ist, kann bei seinem Hausarzt nachfragen, ob der eine vierte Impfung für sinnvoll hält. Denn auch Epidemiologe Timo Ulrichs sprach sich jetzt für eine Impfung „mindestens für die Ü-60-Jährigen“ aus. „Jetzt impfen ist besser als auf den omikronspezifischen Impfstoff im Herbst zu warten. Der könnte dann als fünfte Impfung nachgelegt werden“, erläutert er.
„Angesichts von BA.4/5 macht eine vierte Impfung schon jetzt Sinn, ganz besonders für Vulnerable und priorisierte Berufsgruppen, oder generell, wenn die letzte Impfung deutlich länger als sechs Monate her ist“, sagt auch Virologe Friedemann Weber auf Nachfrage von FOCUS Online. Ansonsten werde es aber wichtig sein, dass die Impfung zu Beginn des Herbstes aufgefrischt wird. „Idealerweise gibt es dann einen angepassten Impfstoff, aber auch der klassische Impfstoff wird helfen.“
Wo kann ich mir die vierte Impfung holen?
Grundsätzlich impfen
- mobile Impfteams wie in Impfbussen,
- niedergelassene Ärztinnen und Ärzte,
- Betriebsärztinnen und Betriebsärzte,
- Einrichtungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes,
- Krankenhäuser sowie
- die Impfzentren.
Seit dem 11. Dezember 2021 sind auch Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker – nach entsprechender Schulung – gesetzlich berechtigt, Corona-Schutzimpfungen bei Personen ab zwölf Jahren vorzunehmen.
Entsprechend geschulte Apothekerinnen und Apotheker sind auf www.mein-apothekenmanager.de zu finden.
Wer sich seine zweite Auffrischungsimpfung holen möchte, sollte sich am besten an seine Hausärztin oder seinen Hausarzt wenden. Denn dieser kennt die jeweilige Krankengeschichte am besten. In Impfzentren kann es vorkommen, dass Impfwillige abgewiesen werden, wenn sie nicht zu einer der Gruppen der Stiko-Empfehlung gehören – also beispielsweise jünger als 70 Jahre sind. Das entscheidet in der Regel die impfende Ärztin oder der Arzt vor Ort.
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