Israeli stirbt nach Reinfektion mit Corona-Mutante – wie sicher ist man nach Infektion?

Dass Menschen sich innerhalb kurzer Zeit ein zweites Mal mit Corona infizieren, gilt als Seltenheit. Der Fall eines Israeli, der an seiner zweiten Corona-Infektion sogar gestorben ist, wirft aber Fragen zur Immunität auf – diesmal infizierte er sich mit einer mutierten Virusvariante.

Ein kleines Trostpflaster in diesen beunruhigenden Corona-Zeit war bisher die Annahme, dass eine zweite Infektion mit Sars-CoV-2 nach einer bereits durchgemachten Infektion zumindest für einige Zeit ausgeschlossen ist. Auch wenn es eine Handvoll dokumentierte Fälle in den USA, Asien und Europa über Zweitinfektionen gab, gehen Mediziner derzeit von einer mindestens mehrere Monate anhaltenden Immunität aus.

Nun wirft ein neuer Fall aus Israel wieder Fragen auf: Nach einer erneuten Corona-Infektion wurde ein 74-jähriger Mann, der in einem Seniorenheim lebte, kürzlich mit Atemnot ins Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv eingeliefert und ist jetzt an den Folgen der Infektion verstorben. Erst drei Monate zuvor musste der Mann bereits mit Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden – er konnte aber nach mehreren negativen Tests als genesen entlassen werden. Diesmal war der Mann an einer mutierten Corona-Variante erkrankt – ob es sich dabei um die neue Mutante handelt, die im Südosten Englands grassiert, ist nicht bekannt. 

Die Wiederinfektion wurde eindeutig bestätigt

Dennoch ist ganz Israel in Alarmbereitschaft und hat wegen der sich in England und anderen Ländern ausbreitenden neuen und vermeintlich viel infektiöseren Corona-Variante die Einreise für Ausländer verboten. Professor Galia Rahav, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten im Schiba-Krankenhaus, sagte der Nachrichtenseite ynet, der Fall sei beunruhigend: „Es ist einer der Fälle, in denen es sich eindeutig um eine Wiederinfektion handelt, und es besteht kein Zweifel daran, dass der Verstorbene nach seiner ersten Infektion vollständig genesen war.“ Es habe sich um zwei verschiedene Varianten des Coronavirus gehandelt, bestätigte die Medizinerin zudem.

Sie will nun weitere Fälle untersuchen, denn eine erneute Erkrankung durch eine mutierte Virusvariante wirft Fragen auf: „Wenn ein Mensch sich mehrmals infizieren kann, während das Coronavirus sich verändert, welche Bedeutung hat dann der Impfstoff?“ Aus diesem Grund hat das das israelische Gesundheitsministerium auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von dem Fall unterrichtet.

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Forscher glauben, dass Reinfektion möglich ist, aber vor schwerem Verlauf schützt

Wie lange eine Immunität nach einer durchgemachten Sars-Cov-2-Infektion anhält, beschäftigt die Forschung seit Beginn der Pandemie. Erst vor kurzem kam eine Studie aus Kalifornien zu dem Schluss, dass eine durchgemachte Infektion Menschen zwar nicht vor einer Reinfektion nach einer gewissen Zeit, aber dafür jahrelang vor einer schweren Neuerkrankung schützen könnte.

Forscher vom La Jolla Institute for Immunology untersuchten dazu 185 Covid-19-Genesene. Sie stellten fest, dass sich bei den ehemaligen Patienten auch acht Monate nach ihrer Infektion noch genügend Immunzellen fanden, um das Virus abzuwehren. Der "New York Times" erklärte Studienautor Shane Crotty: "Dieses Ausmaß an Gedächtniszellen schützt wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der Menschen für viele Jahre davor, schwer zu erkranken."

"Auch das ist Immunität", erklärte dazu auch Virologe Ulf Dittmer gegenüber FOCUS Online. „Wenn eine Person bei einer zweiten Infektion nicht mehr erkrankt. Das Immunsystem sorgt dann zwar nicht dafür, dass die Infektion ganz verhindert wird – aber es sorgt dafür, dass das Virus so kontrolliert wird, dass es keine Erkrankung mehr hervorruft."

Das Immunitätsrätsel – Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen

Ein anderes Bild zeichneten andere Studien zuvor: Erst im Juni resümierten chinesische Forscher in einer im Fachblatt "Nature" veröffentlichten Studie etwa, dass 40 Prozent der asymptomatischen Virusträger nach nur drei Monaten keinerlei nachweisbare Antikörper mehr im Blut aufwiesen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine Studie aus den USA, die zeigte, dass bei Ärzten und Pflegern, die einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt waren, bereits nach 60 Tagen die Antikörpertiter zurückgehen. Von insgesamt 249 getesteten medizinischen Mitarbeitern des Vanderbilt University Medical Center in Nashville, Tennessee, hatten anfänglich nur 19 Antikörper, nach 60 Tagen waren es nur noch 11 Personen.

Andere Forschungsergebnisse deuten aber darauf hin, dass trotz schnell sinkendem Antikörperspiegel immer noch Immunität besteht, weil der Körper sich nach einer durchgemachten Infektion noch länger an das Virus erinnern und entsprechend reagieren könnte. So kommen Autoren einer Studie der University of Arizona zu dem Schluss, dass eine Immunität mindestens mehrere Monate nach einer Sars-CoV-2-Infektion anhält.

Dokumentierte Fälle von Zweitinfektionen

Dennoch gab es bisher einige dokumentierte Fälle von Zweitinfektionen, die der Theorie einer länger anhaltenden Immunität widersprechen – auch ein milderer Verlauf als bei der Erstinfektion war in einem Fall nicht gegeben:

  • So infizierte sich zum Beispiel ein 25-jähriger Amerikaner erst im April und dann nach nur 48 Tagen im Mai erneut. Beide Male traten Erkrankungssymptome wie Kopfweh, Halsweh und Husten auf – beim zweiten Mal sogar noch stärker, so dass er im Krankenhaus mit Sauerstoff behandelt werden musste.
  • Aus Hongkong wurde der Fall eines 33-Jährigen dokumentiert, der sich nur 142 Tage nach der ersten Infektion erneut ansteckte. Genetische Analysen belegten, dass die Zweitinfektion, die sich der Mann in Spanien zugezogen hatte, eine andere Sars-Cov-2-Variante war. Das Gute daran: Im Gegensatz zur Erstinfektion, bei der der Mann im Krankenhaus behandelt wurde, verlief die Zweitinfektion nahezu symptomlos.
  • Auch in Europa traten bereits Fälle von Reinfektionen auf: So zum Beispiel in Belgien, wo eine 51-Jährige im März mit den typischen Symptomen Fieber, Husten, Brustschmerzen, Atemnot, Muskelschmerzen sowie Geschmacks- und Geruchsverlust an Covid-19 erkrankte. Im Juni, also 93 Tage danach, wurde sie erneut positiv auf Sars-CoV-2 getestet – diesmal waren die Symptome etwas milder und hielten nur eine Woche an.
  • Auch in den Niederlanden soll eine Reinfektion bei einem älteren Mann mit geschwächtem Immunsystem aufgetreten sein. Allerdings wurde über die Einzelheiten zu diesem Fall bisher nichts bekannt.

Bislang konnten Forscher aus diesen wenigen bekannten Einzelfällen noch keine zuverlässigen Schlüsse ziehen – auch ob Zweitinfektionen leichter als Erstinfektionen verlaufen, lässt sich anhand dieser wenigen Fälle kaum eindeutig ableiten. Eine Verschlimmerung der Symptomatik beim zweiten Mal wie es etwa bei dem Mann aus den USA der Fall war, könnte darauf hindeuten, dass das Immunsystem überreagiert – so wie es bei schweren Verläufen der Fall ist.

Auch die Möglichkeit, dass Sars-CoV-2 zu einer sogenannten „antikörperverstärkenden Wirkung“ führen könnte, besteht. Dies bedeutet, dass die durch eine Infektion gebildeten Antikörper das Virus bei einer zweiten Infektion nicht bekämpfen, sondern verstärken. Hinweise dafür gab es laut „Spektrum“ beispielsweise bei der Impfstoffentwicklung für andere Coronaviren wie Sars und Mers.

Beeinflusst Mutation Impfstoff-Wirkung?

Da es sich bei der Zweitinfektion des Mannes aus Israel um eine Muation von Sars-Cov-2 handelt, wirft der Fall auch die Frage und die Angst auf, ob die nun zugelassenen Impfstoffe überhaupt schützen. Gerade im Bezug auf die neue Virusvariante, die gerade im Südosten Englands grassiert und die auch schon in Italien, Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Australien nachgewiesen wurde, steht dieser Punkt zur Diskussionen.

In der Theorie könnten Mutationen nämlich die Wirksamkeit des Impfstoffes beeinflussen; dieser zielt nämlich auf das Spike-Protein ab, das sich bei der neuen Virusform in England in Teilen verändert hat. Das Immunsystem könnte dadurch nach einer Impfung blind für den Erreger sein, so die Überlegung.

In der Praxis erwarten die Experten jedoch keine maßgeblichen Nachteile bei der Effektivität der Impfstoffe auch bei den bislang bekannten mutierten Formen: Denn der entwickelte Impfstoff erzeuge Immunreaktionen gegen das gesamte Spike-Protein, sagt etwa der Virenforscher Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel. „Selbst wenn eine Mutation vorhanden ist, verhindert dies nicht die Erkennung durch das Immunsystem.“ Anders gesagt: Einzelne Mutationen reichen nicht aus, um der komplexen Immunabwehr zu entgehen. Grund für Alarm, weil die Mutation die entwickelten Impfstoffe unwirksam machen könnte, sieht er deshalb derzeit nicht.

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  • Drosten glaubt nicht, dass Mutante Einfluss auf Impfung und Schweregrad der Erkrankung hat

    Und auch Christian Drosten sieht diesbezüglich bisher keine Gefahr. Zwar sei es schon so, dass die jetzt bei der Virusvariante beobachtete bessere Bindung des Virus an den Rezeptor Konkurrenz zu Antikörpern machen könne und Antikörper dann vielleicht schlechter binden könnten. „Aber wir haben eine Riesenmischung von Antikörpern als Reaktion auf den Impfstoff und das wäre hier nur einer oder ganz wenige Antikörper, die das betreffen würde.“ Dass die Mutation negative Auswirkungen auf die Effektivität der Impfung haben könnte, glaube er im Moment „gar nicht“. 

    Am Dienstag betonte der Virologe noch einmal, dass die neue Variante einen Einfluss auf die Krankheitsschwere hat, sagte Drosten. „Das ist ganz wichtig für die Bevölkerung, die sich jetzt Sorgen macht.“  Auch für einen verminderten Impfschutz gebe es keine Anzeichen.

    Mit Material von dpa

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