Hält der Immunschutz gegen Corona doch länger als gedacht? Neue Studien machen Hoffnung
Der beste Schutz gegen das Coronavirus? Sich nicht zu infizieren. Eine überstandene Covid-19-Erkrankung kann zumindest in der Folge wehrhaft machen. Und die Impfung verhindert bestenfalls, dass man überhaupt erkrankt. Ob nach einer Infektion oder Impfung, in beiden Fällen produziert der Körper Antikörper, die gegen das Virus feuern, wenn es in Folge versucht, in die Zellen einzudringen. Aber wie lange hält der Immunschutz gegen das Coronavirus an? Die Befürchtung, dass die Immunantwort des Körpers möglicherweise relativ schnell nachlässt, Auffrischimpfungen notwendig werden könnten, ist nicht neu. Sowohl Pfizer-Chef Albert Bourla als auch Özlem Türeci, Mitgründerin von Biontech, stellten bereits dritte Impfungen in Aussicht, die Rede war auch von jährlichen Corona-Impfungen ähnlich denen gegen Influenza.
Die Ergebnisse zweier neuer Studien legen nun nahe, dass die Immunantwort doch nachhaltiger sein könnte. In beiden Studien wurden Menschen untersucht, die sich etwa ein Jahr zuvor mit dem Coronavirus infiziert hatten. Die eine Studie wurde im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht, die andere liegt bislang erst als Preprint vor und wurde noch nicht von unabhängigen Gutachter:innen geprüft. Die Ergebnisse aus beiden Studien schüren Hoffnung – vor allem für die, die bereits eine Covid-19-Erkrankung hinter sich haben.
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Beste Kombi: Infektion plus Impfung
Fasst man die Ergebnisse beider Studien zusammen, lässt sich davon ableiten, dass das Gros derjenigen, die nach ihrer Genesung geimpft wurden, ausreichend geschützt sind und wohl keine weitere Auffrischungsimpfung nötig haben. Genau das trifft aber nicht auf alle zu. Die Ausnahmen bestätigen hierbei mal wieder die Regel: Denn es gibt demnach auch Menschen, die nach einer Covid-19-Erkrankung plus Impfung keine robuste Immunreaktion zeigen, bei denen höchstwahrscheinlich kein Weg an einer weiteren Dosis vorbeiführt. Ähnlich zeigt sich die Lage bei all denen, die zwar geimpft, aber nie an Covid-19 erkrankt waren.
Die Studien könnten Befürchtungen zerstreuen, sagte Immunologe Scott Hensley von der Universität Pennsylvania der "New York Times", dass die Immunität gegen das Coronavirus nur vorübergehend ist. Die Studien zahlen demnach auf bereits vorliegende Ergebnisse ein, die ebenfalls nahe legen, dass eine Infektion und nachfolgende Impfung eine langlebige Immunität gegen Sars-COV-2 hervorrufen.
Langlebige Immunzellen im Knochenmark
So fand die eine Forschergruppe langlebige Plasmazellen im Knochenmark von Studienteilnehmern, was darauf hindeutet, dass diese Zellen bei einer neuerlichen Virusinfektion aktiviert werden und Antikörper produzieren können. Ob solche langlebigen Zellen überhaupt gebildet werden, hatten zuvor etliche Expert:innen mit einem Fragezeichen versehen, nachdem ein starker Abfall von Corona-Antikörpern in den ersten Monaten nach der Infektion beobachtet worden war.
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Die Forscher:innen hatten Blutproben von 77 Freiwilligen untersucht. Die erste Probe wurde etwa einen Monat nach den ersten Covid-19-Symptomen entnommen, danach weitere drei Proben in Abständen von etwa drei Monaten. Sie stellten dabei fest, dass der Antikörperspiegel binnen der ersten vier Monate nach Symptombeginn absank, allerdings verlangsamte sich diese Entwicklung in den Folgemonaten (4 bis 11). Und: Auch lange nachdem das Antigen nicht mehr nachgewiesen werden könne, finde man antigenspezifische Plasmazellen im Knochenmark, so die Forscher:innen in dem Bericht. Die Plasmazellen sorgen demnach dafür, dass bei Bedarf weiterhin Corona-Antikörper produziert werden können.
Antikörper entwickeln sich weiter
In der anderen Studie (Preprint) kommen die Wissenschaftler:innen zu dem Schluss, dass die sogenannten Gedächtnis-B-Zellen, die der Körper als Reaktion auf eine Infektion bildet, durch eine Impfung verstärkt werden. Und das in einem Maße, die keine weitere Auffrischungsimpfung nötig mache, wie Immunologe Michel Nussenzweig und Leiter der Studie zu Gedächtnisantworten, dem gleichen Blatt erläuterte. Er geht davon aus, dass die Antikörper "für eine lange Zeit" anhalten werden. Menschen, die erst infiziert waren, dann geimpft wurden, hätten "einen großartigen Satz von Antikörpern, weil sie ihre Antikörper weiter entwickeln", so der Wissenschaftler von der Rockefeller Universität in New York.
Denn genau diese Entwicklung hatte sich die Forschergruppe um Nussenzweig genauer angesehen. Dafür hatten sie das Blut von 63 Studienteilnehmern untersucht, deren Covid-19-Erkrankung etwa ein Jahr zurücklag. 26 von ihnen hatte zum Zeitpunkt der Studie mindestens eine erste mRNA-Impfung erhalten. Sie stellten fest, dass neutralisierende Antikörper, diese verhindern eine Infektion, bis zu 12 Monate lang unverändert blieben, während andere Antikörper nach und nach aus den Körpern verschwanden.
Zudem scheinen sich die B-Gedächtniszellen zu verändern und damit auch die Antikörper, die sie bilden. Laut der Studie reagierten die weiterentwickelten Antikörper auch gut gegen Virus-Varianten, sie konnten viele neutralisieren. Studienteilnehmer:innen die eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht hatten, aber nicht geimpft waren, trugen demnach sehr viel weniger Antikörper in sich und waren auch gegen die Varianten weniger geschützt.
Unterm Strich deuten die Ergebnisse daraufhin, dass Menschen, die sich zunächst natürlich mit dem Virus infizierten und später einen weiteren Immunboost durch eine Impfung erhielten, einen besonders guten Immunschutz gegen Sars-COV-2 aufbauten. Weder Studienteilnehmern, die nur eine Erkrankung durchgemacht hatten noch die, die nie infiziert waren und "nur" geimpft sind, können mit diesen stabilen Immunantworten mithalten. Weshalb bei ihnen die Notwendigkeit einer Auffrischungsimpfung wahrscheinlicher ist.
Quelle: Nature, Preprint, NYT
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