Firma näht tausende Mundschutze – und verdient damit keinen einzigen Cent

Bis vor wenigen Wochen hat Manomama T-Shirts, Hosen und Taschen hergestellt. Doch nun werden Mundschutze genäht. Mittlerweile 7000, 8000 Stück pro Tag – die zum Selbstkostenpreis an Kliniken, Ärzte und andere systemrelevante Einrichtungen abgegeben werden.

„3,40 Euro nehmen wir pro Stück“, sagt Sina Trinkwalder, die Geschäftsführerin des Unternehmens, im Gespräch mit dem stern. „Das ist der Preis, bei dem wir nicht noch Geld draufzahlen.“

Profit vor Gesundheit

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„So ticken wir hier nicht“

Bei Manomama ist es Alltag, nicht auf den Gewinn zu achten. Trinkwalder gründete die ökosoziale Textilfirma vor rund einem Jahrzehnt in Augsburg, um möglichst vielen Menschen eine Arbeit bieten zu können und die Produkte fair zu produzieren.

Für das einzigartige Konzept hagelte es seither mehrere Preise – das Bundesverdienstkreuz eingeschlossen. Da versteht es sich für Trinkwalder von selbst, dass sie jetzt erst recht nicht versucht, Profit aus der Situation zu schlagen. „So ticken wir hier nicht.“

Das Motto „Gemeinsam gegen Corona“ markiert Berichterstattung und Initiativen über besonders solidarische und bemerkenswerte Projekte im Kampf gegen Corona. Initiator der Aktion ist die Bertelsmann Content Alliance, zu der auch der Verlag Gruner+Jahr gehört, in dem der stern erscheint.

Ein Produkt aus ihrem Sortiment sieht sie heute selbst in einem anderen Licht: den „Urbandoo“, ein Schal, der vor Feinstaub und Pollen schützt. „Aus heutiger Sicht ist das völlig verrückt“, sagt Trinkwalder. Zwei Jahre lang wurde das Produkt entwickelt, ehe sie es patentieren ließ. „Manchmal drückt die Realität eine Idee in eine ganz andere Richtung.“ Dass der Atemschutzschal nun viel besser als jemals verkauft wird, versteht sich in der aktuellen Lage fast von selbst. Dennoch weist die Firma ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um ein zertifiziertes Medizinprodukt handelt.

„Es geht mir gut, weil wir helfen können“

Ende Februar fiel bei Manomama die Entscheidung, die Herstellung zu Gunsten von Mundschutzen umzustellen und auf einige andere Produkte zu verzichten. „So langsam läuft alles in geregelten Bahnen“, sagt Trinkwalder, „allerdings bin ich schweinemüde, habe ein riesiges Schlafdefizit. Aber es geht mir gut, weil wir helfen können und etwas bewirken.“

Als vor einigen Wochen mehrere Verantwortliche von Kliniken und Pflegeeinrichtungen bei ihr angerufen haben, wusste sie: „Hier geschieht etwas.“ Mit einer Klinik in Nordrhein-Westfalen fand rasch eine gemeinsame Entwicklung von Mundschutzen inklusive Waschtests und ähnlichem statt – nun arbeitet ihre Firma im behördlichen Auftrag. 

Trinkwalder hat ihren Humor trotz der schwierigen Situation nicht verloren. Sie lacht viel während des Gesprächs, vor allem, wenn es um das Material für die Mundschutze geht. „Es tut mir im Herzen weh, dass wir unseren supergeilen Hemdenstoff für die Mundschutze nutzen“, sagt sie. Trinkwalder hatte den Stoff extra herstellen lassen, die produzierende Firma ist mittlerweile insolvent. Sie wird nie wieder an diesen Stoff rankommen. „Es wären so schöne Hemden geworden, das können Sie mir glauben.“ Doch es hilft nicht zu lamentieren: „Wat mutt, dat mutt.“

Die Stimmung wird nicht besser, wenn man nur noch Mundschutze näht

Gute Laune zu haben, sei in der aktuellen Situation dennoch nicht einfach. Auch nicht für ihre Angestellten. Einige Mitarbeiter bedrücke die Lage durchaus: „Ich sitze nicht nur in der Näherei, um Tempo zu machen, auch wenn es jetzt durchaus auf Geschwindigkeit ankommt. Es geht auch darum, die Stimmung hochzuhalten. Denn es wird einem schon bewusst, was gerade los ist, wenn man den ganzen Tag nur Mundschutze näht. Das drückt aufs Gemüt. Und nicht jeder ist so stabil, das einfach wegzustecken.“ 

Sie selbst gibt auch zu, dass es „gelogen wäre“, wenn sie behaupten würde, sie könne abends gut abschalten. Seit Wochen hat sie ihr Zuhause in Hamburg nicht mehr gesehen, weil die aktuelle Situation keine Pendelei zulässt. Sie habe sich irgendwann gefragt, wie sie mit der Situation umgehen wolle: „Ich telefoniere mit Oberärzten oder Krisenstabsärzten, die anrufen – da bekomme ich total ungefiltert mit, was sich anbahnt. Und doch bin und bleibe ich ein positiver Mensch: Jeder Mundschutz, jeder Urbandoo wird helfen, die Welt ein bisschen gesünder und besser zu machen. Das trägt mich.“

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