Ethinylestradiol und Co.: Diese Wirkstoffe werden heute verwendet

Heute vor 60 Jahren, am 1. Juni 1961, brachte das Berliner Pharmaunternehmen Schering mit „Anovlar“ die erste Pille auf den westdeutschen Markt. Sie war nur für verheiratete Frauen mit Erlaubnis ihres Ehemannes erhältlich. Die Schwangerschaftsverhütung war auch erstmal nur als Nebenwirkung angegeben. Die offizielle Indikation waren schmerzhafte Regelblutungen. Anlässlich des runden Geburtstags der Pille in Deutschland haben wir uns die heute verwendeten Wirkstoffe noch einmal angesehen.

Spricht man von der „Pille“ sind meist kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) gemeint. Sie enthalten eine Östrogen- und eine Gestagenkomponente. Daneben gibt es noch sogenannte Gestagen-only-Pills (GOP). Bei korrekter Einnahme weisen sie ebenfalls eine hohe kontrazeptive Effektivität auf. Durch die Abwesenheit einer Estrogenkomponente ist der Einfluss auf das Gerinnungssystem und damit das Thromboserisiko geringer als bei der Behandlung mit Kombinationspräparaten, außerdem können sie in der Stillzeit eingesetzt werden. Gerade zu Beginn kommt es allerdings häufiger zu Zwischenblutungen.

Wie wirkt die Pille?

Kombinierte orale Kontrazeptiva vermitteln ihre kontrazeptiven Eigenschaften im Wesentlichen durch drei Mechanismen:

  • Hemmung der Ovulation durch Suppression der FSH- und LH-Sekretion: Die erhöhte Estrogen-/Gestagen-Konzentration führt durch eine negative Rückkopplung auf die Hypothalamus-Hypophysen-Achse zu einer Senkung der Gonadotropin-Ausschüttung (LH und FSH) aus der Hypophyse. Infolgedessen wird der Eisprung, und somit auch die Befruchtung, verhindert.
  • Erschwerung/Hemmung der Einnistung: Da die Stimulation durch das luteinisierende Hormon fehlt, wird weniger Progesteron ausgeschüttet. Voraussetzung für eine erfolgreiche Nidation ist aber der Progesteron-induzierte drüsige Umbau des Endometriums. Des Weiteren kommt es auch zur Downregulation der Estrogen-Rezeptoren am Endometrium und somit auch zur Hemmung der Proliferation der Uterusschleimhaut.
  • Erhöhung der Viskosität des Zervixschleims: Die Zusammensetzung und Konsistenz des Zervixschleims verändert sich und erschwert so die Penetration und Einnistung der Spermien.

Reine Gestagenpräparate wirken auch über letzteren Mechanismus. Die meisten Gestagenpillen verhindern darüber hinaus auch den Eisprung und wirken somit, ähnlich wie die Kombinationspillen, als Ovulationshemmer.

Die Estrogenkomponente

Mestranol ist ein Prodrug des Ethinylestradiols und war in der weltweit ersten Pille „Enovid“ enthalten. Zurzeit ist kein Kombinationspräparat mit Mestranol auf dem Markt.

Ethinylestradiol (EE) ist das mit Abstand am häufigsten verwendete synthetische Estrogen in kombinierten Pillen. Sie enthalten in der Regel 20 bis 35 µg Ethinylestradiol. Bei einer Ethinylestradiol-Konzentration unter 50 µg nennt man die kombinierten oralen Kontrazeptiva auch Mikropillen.

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Es handelt sich dabei um ein Derivat des natürlich vorkommenden Estradiols, das an der 17α-Position eine Ethinylgruppe trägt. Das in der ersten Pille eingesetzte Mestranon ist ein Prodrug von EE. Im Unterschied zum natürlich vorkommenden weiblichen Sexualhormon Estradiol hat es eine höhere orale Bioverfügbarkeit und eine verstärkte biologische Aktivität. Letztere basiert zum einen auf einem verlangsamten Abbau durch die 17-β-ol-Dehydrogenase und zum anderen auf einer stabileren Bindung von Ethinylestradiol an Estrogenrezeptoren. Die 17-β-ol-Dehydrogenase katalysiert den Abbau von Estradiol zu Estron. Estron zeichnet sich durch eine geringere Affinität zum Estrogenrezeptor aus und somit durch eine geringere biologische Aktivität. Die höhere Stabilität von Ethinylestradiol führt somit zu einer höheren biologischen Aktivität.

Estradiolvalerat ist ein Prodrug von Estradiol, das zu Estradiol und Valeriansäure metabolisiert wird. Die Veresterung mit Valeriansäure erhöht die orale Bioverfügbarkeit. Im Vergleich zu ethinylestradiolhaltigen Präparaten führen Estradiol und Estradiolvalerat zu geringerer Leberenzyminduktion und geringerer Beeinflussung der Hämostase. Pillen, die diese als „natürlich“ beworbene Estrogenkomponente haben, sollen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweisen. Die verfügbaren Daten reichen aber für eine finale Aussage zum Thromboembolierisiko nicht aus.

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