"Es rasen zwei Züge aufeinander zu": Karl Lauterbach erklärt, wie wir dritte Welle stoppen können

Ein Buchstabe und drei Zahlen sind derzeit die größte Sorge der deutschen Politik: B.1.1.7. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich jene Coronavirusmutation, die zuerst Ende des vergangenen Jahres in Großbritannien auftauchte und die sich nun auch flächendeckend in Deutschland durchsetzt.

Die Mutation breitet sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Das norddeutsche Flensburg ist längst ein Hotspot. In Düsseldorf ist die britische Virus-Mutation ebenfalls auf dem Vormarsch: Dort wird sie bereits bei jeder zweiten bestätigten Corona-Infektion nachgewiesen. Im größten Labor in Berlin ist vergangene Woche in 37 Prozent aller positiven Sars-Cov-2-Proben die B.1.1.7-Variante nachgewiesen worden. Bundesweit liegt der Wert derzeit bei etwa 30 Prozent.

Impfstrategie muss geändert werden

Für SPD-Gesundheitsexperte ist klar: Die dritte Welle hat begonnen. Und sie "ist nicht mehr zu stoppen", schreibt der Politiker auf Twitter. Zündstoff birgt die aktuelle Situation vor allem, weil kurz vor dem nächsten Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rufe nach Lockerungen lauter werden, sowohl aus der deutschen Wirtschaft als auch aus der Bevölkerung. Mutanten einerseits, Lockerungswünsche andererseits – Lauterbach wählt für diese Situation ein drastisches Bild. "Es rasen zwei Züge aufeinander zu."

"Long Covid"-Symptom


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Um zu verhindern, dass wir ähnlich heftig von der dritten Welle getroffen werden wie von der zweiten im Spätherbst 2020, müssen dem Gesundheitsexperten zufolge zwei Maßnahmen kombiniert werden. Die Impfstrategie müsse sofort geändert werden, indem die Erstimpfung aller Impfstoffe vorgezogen wird. "Erstimpfung verhindert mehr als 80 Prozent der Krankenhauseinweisungen." Dazu müsse der Wirkstoff von Astra Zeneca auch für Ältere eingesetzt werden. "Dort ist das Risiko", mahnt er.

Söders Vorschlag, Astra-Zeneca für alle freizugeben, statt ihn ungenutzt liegenzulassen, hält Lauterbach für falsch. "Wenn wir ihn für Ältere einsetzen, bleibt kein Impfstoff liegen und zahlreiche Todesfälle werden verhindert. Bei Jüngeren ist er jetzt weniger dringlich."

Antigen-Tests als Öffnungsvehikel

Entwicklungen in anderen Ländern haben deutlich gezeigt, dass die rigorose Einhaltung der AHA+L-Regeln auch der wirksamste Hebel gegen die Mutanten bleibt. Wenn sich Menschen gar nicht erst miteinander treffen, kann sich auch niemand infizieren. Doch Lauterbach ist bewusst, dass die Menschen sich nach monatelangem Lockdown voller Entbehrungen zumindest nach ein wenig Normalität sehnen.

Gleichzeitig dürfte das vermehrte Auftreten von B.1.1.7 zu noch größeren Ausbrüchen durch sogenannte Superspreader-Events führen. Denn Infizierte sorgen für eine höhere Viruslast in der Luft und sind somit noch ansteckender.

Deshalb schlägt er vor, in Betrieben und Schulen einmal pro Woche Antigentests bei allen Personen durchzuführen. "Am Tag des Tests darf man in Geschäfte mit Vorlage der Bescheinigung. Wer weder in Schule noch Betrieb getestet werden kann, geht zu einem Testzentrum." So mache man aus der Not eine Tugend: "Öffnungen werden Anreiz für Testungen."

Sobald genug Antigen-Tests verfügbar seien, sollte die Testung auf zweimal die Woche ausgedehnt werden. "Dann kann man an 2 Tagen in die Geschäfte." Lauterbach ist überzeugt: "Mit der Strategie sinkt der R-Wert auf unter 1 selbst für B117."

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