Ein weiterer Testlauf für das E-Rezept
Ab 1. Juli wird es das E-Rezept in Deutschland geben. Allerdings zunächst nur in einer sogenannten Fokusregion. ABDA-Telematik-Experte Sören Friedrich hatte diese Absicht in der aktuellen DAZ erstmals angekündigt. Nun liefert die Gematik weitere Einzelheiten zu dem Vorhaben. Demnach sollen ausgewählte Arztpraxen und Apotheken in der Region Berlin/Brandenburg an einer dreimonatigen Testphase ab Juli beteiligt werden. Die bundesweite Einführungsphase steht dann im vierten Quartal 2021 an.
Wie wahrscheinlich ist es, dass die Apotheken im Sommer flächendeckend und regelmäßig mit E-Rezepten in Berührung kommen? Aus Sicht der Apothekensoftwareanbieter spricht jedenfalls nichts gegen die Einführung der digitalen Verordnungen – sie sehen sich zum 1. Juli 2021 als „E-Rezept-ready“. Anders sieht es bei den Verantwortlichen von Krankenkassen, Berufsverbänden und Behörden aus. Ihre Stimmung war zuletzt alles andere als optimistisch.
So erklärte ein Vertreter der AOK Plus jüngst bei einer virtuellen Veranstaltung für Apotheker und Ärzte sogar, dass man mit E-Rezepten zum Stichtag überhaupt nicht rechnen könne. Ein Drittel der Ärzte habe noch Probleme beim Empfang ihrer elektronischen Heilberufsausweise (eHBA). Außerdem scheitere die Softwareprogrammierung am Fehlen der finalen Dokumente. Darüber hinaus täten sich die Arztpraxen beim Umgang mit der qualifizierten elektronischen Signatur (QES) schwer – denn ohne „Komfortsignatur“ müsse jede Verordnungszeile einzeln signiert werden. Insgesamt wird die Einführung der E-Rezepte daher von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen äußerst kritisch gesehen. Der standespolitische Widerstand ist immens.
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Ab 1. Juli: E-Rezepte zunächst in Fokusregion?
Laut einer Auswertung des Deutschen Apothekerverbands (DAV) waren Ende März 2021 rund 60 Prozent der Apothekeninhaber und -leiter mit dem eHBA ausgestattet, bei der Institutionskarte (SMC-B) lag die Rate bei mehr als 90 Prozent der Apotheken. Der DAV und die Apothekensoftwareanbieter sichern zu, dass zum freiwilligen Starttermin am 1. Juli alle Apotheken ausgestattet sein werden.
„Man muss auch realisieren, dass hier gerade ein Hauptprozess im deutschen Gesundheitswesen digitalisiert werden soll“, erklärt ABDA-Telematik-Experte Sören Friedrich in der aktuellen DAZ. In seinen Augen würde es nicht genügen, nach einem sechswöchigen Feldtest „großzügig zu skalieren“. Und dann kündigt er im Interview überraschend an: „Aktuell setzen wir uns stark dafür ein, dies alles zunächst in einem Fokusgebiet durchzuführen und zu begrenzen – mit einer konkreten Auswahl an Apotheken und Arztpraxen.“ Berlin/Brandenburg bezeichnet Friedrich dabei als die ideale Region, weil dort ein urbaner Bereich vorhanden ist und man zusätzlich territorial in die Breite gehen könnte.
Aus dieser Absichtserklärung ist nun ein konkretes Vorhaben geworden. Wie die Gematik mitteilt, soll das E-Rezept zunächst tatsächlich in dieser Region getestet werden, bevor es dann in der ganzen Republik zum Einsatz kommt. Der Test soll drei Monate dauern, im vierten Quartal wird der bundesweite Roll-out anvisiert, in den die Erkenntnisse aus der Phase zuvor einfließen sollen. Der gesetzliche Stichtag 1. Januar 2022 soll nach diesem Plan nach wie vor einhaltbar sein. Die angekündigte E-Rezept-App der Gematik soll davon unbeeinflusst zum 1. Juli 2021 verfügbar werden.
In der Region Berlin/Brandenburg läuft seit 2020 bereits ein E-Rezept-Modellprojekt im Rahmen der Zukunftsregion Digitale Gesundheit. Die Apothekerschaft ist durch den Berliner Apotheker-Verein (BAV) und den DAV an dem Projekt beteiligt.
Die seit langem angekündigte und bundesweit geplante freiwillige Einführung des E-Rezepts zum 1. Juli wird nun also eingedampft auf eine Region in und rund um die Hauptstadt – ist das nicht ein fatales Signal an die Ärzte und Apotheken in der restlichen Republik, die sich unter finanziellen und personellen Aufwendungen auf diesen Stichtag vorbereitet hatten? Die Gematik blendet diesen Aspekt in ihrer Mitteilung aus. Friedrich von der ABDA dazu im DAZ-Interview: „Ganz so pessimistisch sehe ich das nicht, der gesetzliche Stichtag wird ja realisiert. Vielleicht sind die meisten Heilberufler auch ganz froh, dass alle relevanten Prozesse noch mal genau analysiert werden. Sollte etwas nicht funktionieren, sind die Leidtragenden nämlich die Patienten. Vor diesem Hintergrund sollte ein Regelbetrieb erst mal in geordneten Bahnen angefangen und begleitet werden.“
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