Digitalis gegen Herzschwäche: Herzinsuffizienz mit Fingerhut behandeln – Heilpraxis
Herzschwäche-Therapie: Stärkt Digitalis das Herz?
Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer chronischen Herzschwäche (medizinisch: Herzinsuffizienz). Diese weit verbreitete Herzkrankheit ist trotz beachtlicher Fortschritte in der Prävention und Behandlung immer noch einer der Hauptgründe für Krankenhausaufenthalte und vorzeitige Todesfälle. Ein Wirkstoff aus der Fingerhut-Pflanze (botanisch: Digitalis) kann das Leben der Betroffenen mit Herzschwäche vielleicht verbessern.
Forschende der Deutschen Herzstiftung sowie der Deutschen Stiftung für Herzforschung prüfen zur Zeit den Nutzen des aus dem Fingerhut gewonnen Wirkstoffs Digitoxin bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Die sogenannte DIGIT-HF Studie (DIGitoxin to Improve ouTcomes in patients with advanced chronic Heart Failure) läuft bereits seit dem Jahr 2015 und wird noch bis zum Jahr 2024 fortgesetzt. Nun gibt es die ersten Zwischenergebnisse.
Digitalis als Ergänzung zu Standardbehandlungen
Die Arbeitsgruppe untersucht in der Langzeitstudie an rund 1700 Teilnehmenden, ob die Gabe des Fingerhut-Wirkstoffs Digitoxin zusätzlich zur Standardtherapie zu einem längeren und besseren Leben bei den Patientinnen und Patienten führt. Außerdem wird geprüft, ob die Digitalis-Arznei eine Therapie-Option für Betroffene ist, bei denen die Standardbehandlungen nicht anschlagen.
Was passiert im Körper bei Herzschwäche?
Wie das Forschungsteam erklärt, schlägt unser Herz etwa 60 bis 100 Mal pro Minute. Am Tag kommen so 80.000 bis 150.000 Herzschläge zusammen. Mit jedem Herzschlag pumpt das Herz Blut durch den Körper. Mit dem Blutfluss werden jedes Organ und jede Körperzelle mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Bei Herzschwäche ist die Pumpleistung des Herzens vermindert. Oft geschieht dies nach einem Herzinfarkt. Der Körper wird infolgedessen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Daraus resultieren Beschwerden wie
- Atemnot,
- verminderte Belastbarkeit,
- Wassereinlagerungen,
- Bewegungseinschränkungen,
- Herzrhythmusstörungen.
- Im schlimmsten Fall führt die Herzinsuffizienz zu einem frühzeitigen Tod.
Glykoside steigern die Schlagkraft des Herzens
Im Fingerhut gibt es eine Gruppe von Wirkstoffen, die sogenannten Glykoside, die die Schlagkraft des Herzens steigern. Die Wirkung von Digitalis ist bereits seit über 200 Jahren bekannt, verlor aber in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung, da die heutigen Standardtherapien wie Betablocker, ACE-Hemmer/Sartane und MRAs (Mineralkortikoid-Rezeptor-Antagonisten) als effektiver angesehen werden. Nun widmet sich das deutsche Forschungsteam erneut dem altbekannten Wirkstoff.
Standardtherapien bei Herzschwäche oft nicht möglich
„Manche Patienten vertragen die heutige Standardtherapie nicht“, erklärt Professor Dr. med. Udo Bavendiek, Oberarzt in der Klinik für Kardiologie und Angiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Da viele Herzschwäche-Patientinnen und Patienten eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion haben, sei eine Standardtherapie mit ACE-Hemmer/Sartan und MRA häufig nur begrenzt möglich. Denn solche Therapien verschlechtern die Nierenfunktion oft zusätzlich und sorgen für zu hohe Kaliumspiegel im Blut. „In diesen Fällen können Herzglykoside eine sinnvolle Alternative sein“, so Professor Bavendiek.
Digitalis hat sich bereits bewährt
Auch wenn Fingerhut-Präparate bereits seit Jahrhunderten erfolgreich zur Behandlung von Herzschwäche eingesetzt werden, gibt es nur wenig Studien, die dies wissenschaftlich belegen. Die aktuelle Studie soll nun klären, ob die Einnahme von Digitoxin zusätzlich zur Standardbehandlung dazu führt, dass Betroffene länger leben und weniger Zeit im Krankenhaus verbringen müssen.
Digitoxin schädigt die Nieren nicht
Die Einnahme von Digitoxin sei auch bei gestörter Nierenfunktion möglich, da der Wirkstoff überwiegend über den Darm ausgeschieden wird und die Nieren nicht so stark belastet. „Das haben Ergebnisse aus bisherigen Untersuchungen bestätigt“, betont Studienleiter Professor Dr. med. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie der MHH. Ein zusätzliches Ziel der Studie sei es, mithilfe von Biomarker-Analysen bisher unbekannte Wirkmechanismen von Herzglykosiden zu identifizieren.
Studie ohne Beteiligung der Pharmaindustrie
„Da die Pharmaindustrie in der Regel neue Wirkstoffe erforscht, hat sie wenig Interesse an dem alten Medikament Digitoxin, das schon lange für die Behandlung der Herzschwäche zugelassen ist“, schildert Professor Bauersachs. Der Nutzen von Digitalis-Präparaten sei aber immer noch nicht zweifelsfrei wissenschaftlich nachgewiesen. Die Forschenden wollen mit der aktuellen Studie diese Lücke nun schließen.
Die ersten Zwischenergebnisse geben Grund zum Optimismus. „Wenn dieses Herzglykosid tatsächlich das Leben der Patienten verlängert und zu weniger Krankenhausaufenthalten führt, also auch die Lebensqualität der Betroffenen verbessert, haben wir ein wirksames und kostengünstiges Medikament, das die Behandlungsmöglichkeiten bei Herzschwäche deutlich erweitert“, resümiert Bavendiek. (vb)
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