Corona: Aufhebung der Kontaktbeschränkungen sollte nachhaltig geschehen – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal

Stellungnahme der Hans-Böckler-Stiftung zur Lockerung der Maßnahmen

Die Lockerung der Kontaktbeschränkungen, die zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 durchgesetzt wurden, sollten nach Empfehlung der gemeinnützigen Hans-Böckler-Stiftung lieber mit Bedacht statt zu schnell durchgeführt werden. Die Fachleute warnen vor einem erneuten starken Anstieg der Fallzahlen, falls die Lockerungen vorschnell erfolgen.

Die gemeinnützige Hans-Böckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Ein Komitee der Stiftung empfiehlt in einer aktuellen Stellungnahme die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen aus gesundheitspolitischer und ökonomischer Sicht nicht übereilt durchzuführen, sondern in gut vorbereiteten Schritten. Eine vorschnelle Aufhebung berge die Gefahr, dass die Infektionen wieder schlagartig ansteigen. Die Stellungnahme mit dem Titel „Schneller Ausstieg oder bedachte Lockerung?“ wurde auf der Webseite der Stiftung veröffentlicht.

Vorschnelle Lockerung könnte den Erfolg der Maßnahmen zunichte machen

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung führte eine Kurzstudie durch, in der die kommenden Schritte zur Lockerung der Kontaktbeschränkungen bewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass eine unvorsichtige und zu schnelle Aufhebung einen wesentlich heftigeren und langanhaltenden Effekt auf das Gesundheitssystem und auf die Ökonomie hat, als eine schrittweise und vorsichtige Lockerung.

Zudem müssten die Bedingungen zur Lockerung unbedingt mit genug Vorlauf kommuniziert werden, damit sich die Bevölkerung und die Betriebe darauf einstellen können. „Es ist wichtiger, dass die Kontaktbeschränkungen nachhaltig gelockert werden, als dass sie schnell gelockert werden“, betont Professor Dr. Sebastian Dullien, der Wissenschaftliche Direktor des IMK.

Welche wirtschaftlichen Folgen haben die Maßnahmen?

Das Institut berechnete, dass durch jeden Monat, den die Kontakteinschränkungen unverändert fortgesetzt werden, das Wirtschaftswachstum um etwa einen Prozentpunkt sinkt. Zudem wachse die Gefahr, dass es zu Unternehmenspleiten und steigender Arbeitslosigkeit komme. Darüber hinaus müsse mit einer Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um vier Prozent gerechnet werden.

Ein erneuter Shutdown würde schwerer wiegen

Demgegenüber steht das Risiko von erneuten flächendeckenden Schließungen von Schulen, Geschäften und der Gastronomie sowie Urlaubsverboten. Ein länger anhaltender Stop-and-Go würde die deutsche Wirtschaft schwerer treffen, warnt die Stiftung. „Am Ende zählt die Gesamtdauer der Betriebsunterbrechungen. Wenn jetzt für zwei Wochen alles wiedereröffnet wird, um dann wieder für zwei Monate schließen zu müssen, ist nichts gewonnen“, unterstreicht Ökonom Dullien

Vorschnelle Lockerung = exponentieller Infektionswachstum?

Laut den Simulationsrechnungen des IMK käme es innerhalb von wenigen Wochen zu einem erneuten exponentiellen Wachstum der SARS-2-Infektionen. Eine Lockerung macht nach Ansicht der Stiftung nur Sinn, wenn gleichzeitig die Reproduktionsrate niedrig bleibt – also die Anzahl der Menschen, die eine infizierte Person ansteckt. Im besten Fall muss diese Zahl unter eins liegen. Liegt sie bei zwei, kommt es zu einem exponentiellen Wachstum.

Lockerungen könnten Anfang Mai beginnen

Die Hans-Böckler-Stiftung hält eine schrittweise Lockerung ab Anfang Mai für sinnvoll, wenn man dabei eine intelligente Strategie der Öffnungen verfolgt. Die Bedingungen hierfür sollten so schnell wie möglich in den nächsten Tagen kommuniziert werden. Dabei sollten folgende Punkte eine Rolle spielen:

Umsetzung von Infektionsschutz und Abstandsregeln

In Kindertagesstätten, Schulen, Einzelhandel und Gastronomie müsse sichergestellt sein, dass Vorgaben zum Infektionsschutz umgesetzt werden. „Den Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen muss klarer als bisher gesagt werden, was ab wann auf sie zukommt“, so Dullien. Solche Maßnahmen könnten auch Umbauten beinhalten, damit Hygiene-Vorschriften eingehalten werden können. In Geschäften und Dienstleistungsbetrieben sollte mit Trennwänden gearbeitet werden.

Schulen und Kitas

Die Stiftung schlägt zudem vor, den Betrieb in Schulen und Kitas zunächst teilweise wieder aufzunehmen. Zum Beispiel könnten die Klassen halbiert werden und abwechselnd an jedem zweiten Tag unterrichtet werden.

Maskenpflicht

Sobald eine breite Verfügbarkeit von einfachen Mund-Nasen-Schutzmasken gegeben sei, sollte über eine generelle Pflicht zum Tragen dieser einfachen Masken in der Öffentlichkeit nachgedacht werden. Ein schnelles Hochfahren der heimischen Produktion solcher Masken sei sinnvoll und sollte von der Regierung gefördert werden.

Handy-Apps zur Infektionsverfolgung

Eine große Bedeutung spricht das IMK Handy-Apps zu, die ein flächendeckendes Tracking von Infektionsgeschehen und Infektionsketten ermöglichen. Dabei müsse großer Wert auf das Einhalten von Datenschutzbestimmungen gelegt werden. Kontakt- oder Bewegungsprofile dürften nicht gespeichert werden.

Regional begrenzte Öffnungen vorantreiben

Zudem hält es die Stiftung für sinnvoll, in Städten, Landkreisen und Regionen mit niedrigen Infektionsraten die Wiedereröffnungen schneller voranschreiten zu lassen, als in stark betroffenen Gebieten. Dabei müssten aber die Hygiene-Vorschriften eingehalten werden.

Digitale Infrastruktur an Schulen fördern

Schulen müssen sich der Stiftung zufolge auf erneute zeitweise Schließungen einstellen. Deshalb sei eine Verbesserungen in der digitalen Infrastruktur sinnvoll, um den Schulunterricht auf digitalem Weg aufrechtzuerhalten. Benachteiligte Kinder und Jugendliche müssten mit den dafür benötigten Geräten versorgt werden.

Die europäischen Nachbarländer fördern

Zudem weist die Stiftung darauf hin, dass es zur Aufrechterhaltung der deutschen Wirtschaft auch sinnvoll ist, die europäischen Nachbarländer zu unterstützen, denn ein großer Teil des zu erwarteten Einbruchs beim BIP im laufenden Jahr ist auch auf einen Rückgang der Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten im Ausland sowie auf Störungen in den grenzüberschreitenden Lieferketten zurückzuführen. Allein unter diesem Gesichtspunkt sei keine schnelle Erholung der Wirtschaft durch eine schnelle Aufhebung der Kontaktbeschränkungen zu erwarten.

„Mindestens ebenso wichtig ist, dass grenzüberschreitende Lieferketten reaktiviert und die Weltwirtschaft stabilisiert wird“, resümiert Dullien. „Auf europäischer Ebene sei deshalb mehr Flexibilität der Bundesregierung in Fragen der so genannten Corona-Bonds gefragt, um gleichzeitig eine koordinierte Stabilisierung des grenzüberschreitenden Handels mit den EU-Partnern zu erreichen“, schreibt die Hans-Böckler-Stiftung.

Großveranstaltungen längere Zeit tabu?

Zudem gibt die Hans-Böckler-Stiftung ein klares Statement zu Großveranstaltungen ab. Hier sei in nächster Zeit keine Rückkehr zum Zeitpunkt vor der Corona-Krise zu erwarten. Das Verbot solcher Veranstaltungen werde wohl noch längere Zeit bestehen bleiben. (vb)

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