Austauschregeln ab 1. August – was ist neu, was bleibt wie gehabt?
Ab morgen sind die erleichterten Austauschregeln für den Fall, dass ein Arzneimittel nicht verfügbar ist, gesetzlich verstetigt. Gegenüber den aus der Pandemie bekannten Regelungen gibt es aber durchaus Veränderungen.
Die Apotheken haben in den vergangenen mehr als drei Jahren die erleichterten Austauschmöglichkeiten zu schätzen gelernt. Zunächst in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verankert, sollten sie helfen, Patientenkontakte während der Pandemie zu vermeiden. Doch sie erwiesen sich auch als Segen in Zeiten andauernder Lieferengpässe. Die Apothekerschaft forderte daher bereits frühzeitig, die flexiblen Regelungen über die Pandemie hinaus zu erhalten und sie gesetzlich zu verstetigen.
Das verstand der Gesetzgeber – auch wenn die Kassen dagegen wetterten. Aber die Apotheken hatten ein gutes Argument auf ihrer Seite: Selbst in der Coronakrise wuchsen die Einsparungen der Krankenkassen durch Rabattverträge; es gab keinerlei Anzeichen, dass die Apothekenteams die ihnen zustehenden Möglichkeiten zum Schaden der Solidargemeinschaft überdehnten. Und so überführte der Gesetzgeber die fraglichen Bestimmungen nach Auslaufen der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung zunächst wortgleich, aber bis 31. Juli 2023 befristet, als Übergangsvorschriften ins Sozialgesetzbuch V und die Apothekenbetriebsordnung. Dabei hatte er das Ziel vor Augen, mit dem Engpassgesetz ab 1. August dieses Jahres gesetzliche Anschlussregelungen mit Bestand zu schaffen.
Nun ist es also so weit: Ab dem morgigen 1. August gibt es die verstetigten flexibleren Austauschregeln – in § 129 Abs. 2a SGB V für gesetzlich Versicherte, in § 17 Abs. 5b ApBetrO für privat Versicherte, Beihilfeempfänger und Selbstzahler. Doch in einigen Punkten unterscheiden sich diese Bestimmungen von denen, die seit April 2020 gegolten hatten.
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Neu ist vor allem, dass nicht mehr an die „Vorrätigkeit“ des auf „Grundlage der Verordnung“ abzugebenden Arzneimittels abgestellt wird. Die erleichterten Austauschregeln gelten nun bei „Nichtverfügbarkeit“ des nach „Maßgabe des Rahmenvertrags“ abzugebenden Mittels. Eine Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beschafft werden kann. Dazu sind zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen zu stellen; wird die Apotheke nur von einem Großhändler beliefert, reicht eine Anfrage. Die Formulierung „nach Maßgabe des Rahmenvertrags“ stellt klar, dass die von Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband festgelegte Abgaberangfolge beziehungsweise Gewichtung für das Verhältnis zwischen preisgünstigen, importierten und rabattierten Arzneimitteln zugrunde zu legen ist.
Möglichkeit des Aut-simile-Austauschs fällt weg
Was ebenfalls anders ist: Nicht mehr möglich ist ab sofort der zuvor nach Arztrücksprache mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel, wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist oder der Arzt das Aut-idem-Kreuz gesetzt hat.
Was unverändert bleibt, sind die Konstellationen, in denen Apotheken ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der Verordnung abweichen dürfen – sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Dabei geht es um Packungsgrößen, Packungsanzahl, Teilmengen und die Wirkstärke.
In Gesetzesform gegossen, sieht dies so aus:
§ 129 Abs. 2a SGB V
Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 (Anmerkung der Redaktion: Vorrang der Abgabe eines preisgünstigen, importierten oder rabattierten Arzneimittels) und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Nichtverfügbarkeit eines nach Maßgabe des Rahmenvertrags nach Absatz 2 abzugebenden Arzneimittels dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. Eine Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann. Werden Apotheken nur von einer vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlung beliefert, liegt abweichend von Satz 2 eine Nichtverfügbarkeit vor, wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Frist durch eine Verfügbarkeitsanfrage bei dieser vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlung im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann.
Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern hierdurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
Diese Austauschregeln gelten auch für Privatrezepte. Voraussetzung ist, dass der Arzt oder die Ärztin den Austausch nicht ausgeschlossen hat und die Person, die das Arzneimittel bekommen soll, mit dem Austausch einverstanden ist.
Ein Beispiel: Müsste die Apotheke nach der Verordnung eigentlich ein Rabattvertragsarzneimittel abgeben, ist dieses aber nicht beim Großhandel zu beschaffen, hätte sie in vorpandemischen Zeiten die rahmenvertragliche Abgabereihenfolge durchspielen, also nach preisgünstigen beziehungsweise importierten Arzneimitteln suchen müssen. Das ist nun weiterhin nicht nötig – die Apotheke kann jedes verfügbare wirkstoffgleiche Arzneimittel abgeben.
Eingeschränkter Retaxschutz
Nicht mehr ganz so umfassend ist jetzt auch der Retaxschutz: Die Beanstandung durch eine Krankenkasse ist in den gesetzlich geregelten Fällen nicht gänzlich ausgeschlossen. Aber wenn die Apotheke nicht nachweisen kann, die erforderlichen Verfügbarkeitsabfragen durchgeführt zu haben, darf zumindest keine Vollabsetzung folgen. Das Arzneimittel selbst muss die Kasse zahlen. Aber alle Zuschläge nach Arzneimittelpreisverordnung kann sie verweigern.
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