Arnold: „Vor Gericht und auf hoher See …“
„… ist man bekanntermaßen in Gottes Hand.“ Dass diese Redewendung ganz plötzlich zur harten Realität werden kann, musste die Apothekerschaft am 19. Oktober 2016 hautnah erleben. Der Europäische Gerichtshof verkündete sein Urteil zur deutschen Arzneimittelpreisbindung, und das ganz und gar nicht im Sinne des deutschen Gesetzgebers und des etablierten Versorgungssystems. Mathias Arnold war schon damals Vizepräsident der ABDA und erläutert im Interview, wie er die EuGH-Entscheidung und die politischen Folgen erlebt hat.
DAZ: Herr Arnold, war der 19. Oktober in den letzten Jahren für Sie ein besonderer und erinnerungswürdiger Tag?
Arnold: Blumensträuße oder Kerzen habe ich jedenfalls nicht aufgestellt. In meinem politischen Leben war das EuGH-Urteil ein wichtiges Ereignis, das stattgefunden hat. Es löste aber vor allem einen Prozess aus, der uns in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigte. Daher halte ich ein konkretes Datum in dem Zusammenhang für weniger wichtig.
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Aber Sie haben das EuGH-Urteil und vor allem die Entscheidungsgründe sicher intern juristisch aufgearbeitet?
Selbstverständlich. Im Vorfeld analysierte man das Verfahren, insbesondere die Stellungnahme des Generalanwalts. Das Urteil haben wir auch analysiert. Dazu gehörte die Einholung von Rechtsgutachten und externen Meinungen. Aber wir hatten nun mal dieses Urteil dieses obersten europäischen Gerichts, und das musste man erstmal so hinnehmen. Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntermaßen in Gottes Hand.
Was hat dieser Richterspruch bei Ihnen selbst unmittelbar ausgelöst?
Ich wusste sofort, dass verdammt viel Arbeit auf uns zukommt. Es war klar, dass jetzt eine Entwicklung beginnt, die den Markt verändern wird. Wir waren als Apothekerinnen und Apotheker in jener Zeit ohnehin damit beschäftigt, uns neu zu positionieren. Dazu gehörte ein Umdenken, Neustrukturieren, Erweitern und sicher auch ein Verteidigen. Doch eigentlich diskutiert man ständig über die Tragsäulen unseres Arzneimittelversorgungssystems – gerade mit Blick auf das europäische Ausland, in dem ganz andere Regeln bezüglich der Niederlassungsfreiheit oder des Fremd- und Mehrbesitzverbots gelten. Die Rx-Boni waren ein Angriff auf unser Arzneimittelpreisbildungssystem und der musste abgewehrt werden.
Höre ich da heraus, dass Sie Befürchtungen hatten, dass mit dem EuGH-Urteil zur Preisbindung auch nachfolgend das ganze System infrage gestellt werden könnte?
Unser Arzneimittelversorgungssystem in Deutschland ist kein Kartenhaus. Das fällt nicht so leicht zusammen, wenn jemand pustet. Aber die Arzneimittelpreise sind nun mal ein wichtiger Bestandteil, vor allem im Zusammenhang mit den gesetzlichen Krankenkassen.
Existierte die Sorge, dass sich potenzielle Kläger durch das EuGH-Urteil erst recht beflügelt fühlen, um beispielsweise gegen das Fremdbesitzverbot zu prozessieren?
Es war keine Angst, aber man setzt sich natürlich immer mit diesen Themen auseinander: Wo können Systemgefährdungen entstehen? Welche Regeln müssen verteidigt werden? Das macht man permanent und sicher nicht erst nach einem Gerichtsurteil, sondern auch, wenn es Meinungsäußerungen aus der Politik gibt oder in anderen europäischen Ländern Systemveränderungen stattfinden.
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