50 Patienten müssen raus: Pflegeheim schließt wegen Personalmangels

Vor dem roten Backstein-Gebäude in der Hagenbeckstraße in Stellingen stehen vollgepackte Kartons, Isabella Lindermeier (58) holt gerade ihre schwer demente Mutter Hannelore Mengel (81) aus der Einrichtung ab.

50 Bewohner müssen neuen Pflegeplatz in Hamburg finden

„Wir sind sehr in Aufruhr, seit wir von der Schließung wissen“, sagt sie. „Wir waren so froh, dass wir vor drei Jahren diesen Platz für sie gefunden hatten.“ Sie habe sich an die Pflegekräfte gewöhnt und wenn man sie zu Besuch zu sich holte, so wollte sie immer irgendwann „nach Hause“. So eine enge Bindung hatte sie zum Wohnheim.

Um einen neuen Pflegeplatz zu finden, musste ihre Tochter 20 bis 30 Altenheime kontaktieren. „Viele waren nicht schön.“ Jetzt haben sie aber mit Glück eine neue Einrichtung gefunden. „Durch den Umzug ist Hannelore aber völlig durch den Wind, weil alles so unbekannt für sie ist“, schildert Isabella Lindermeier.

AWO-Sprecher zu Schließung in Hamburg: „Wir mussten diesen Schritt gehen“

Das AWO-Seniorenzentrum ist das erste in ganz Hamburg, das schließen muss, weil offene Pflegestellen nicht besetzt werden konnten. „Wir haben von solch einem Fall noch nicht gehört“, so Dennis Krämer von der Gesundheitsbehörde. AWO-Sprecher Frank Krippner sagt: „Wir mussten diesen Schritt gehen, weil uns dort schon lange examinierte Pflegefachkräfte fehlen.“

Neun Vollzeitstellen konnten nicht besetzt werden. Mehr als jede fünfte Stelle! Die Einrichtung musste sich mit Zeitarbeitskräften behelfen. „Aber da sind die Personalkosten deutlich höher, das wäre dauerhaft zu teuer geworden.“

Die Betroffenen und ihre Familien wurden Ende März informiert, von da an gilt die dreimonatige Kündigungsfrist bis Ende Juni. Im Moment sieht es aber laut Gewerkschaft Ver.di so aus, als würden bis dahin nicht alle Bewohner eine neue Heimat gefunden haben. Das Heim kann daher wohl nicht planmäßig schließen.

Die AWO betont, dass kein Mitarbeiter gehen muss. Sie würde auch allen Angehörigen bei der Suche helfen. Isabella Lindermeier winkt ab: „Wirkliche Hilfe haben wir nicht bekommen. Wir haben die Sache selbst in die Hand genommen.“

Ver.di kritisiert Altenheim-Schließung in Hamburg

Ver.di sieht die Schließung äußerst kritisch. „Man hätte seitens der AWO rechtzeitig umsteuern müssen“, sagt der für Altenpflege zuständige Ver.di-Gewerkschaftssekretär Norbert Proske.

„Viele betroffene Mitarbeiter sind enttäuscht von der AWO“, so Proske. Junge gut ausgebildete Pflegekräfte hätten kein Problem, woanders neu anzufangen. Für ältere Kollegen sei es schwerer, etwas Passendes zu finden.

Dass die AWO keine Altenpfleger finden konnte, wundert Proske nicht. „Die AWO zahlt keine Tariflöhne.“ Der Träger war laut Ver.di vor zehn Jahren aus dem Tarif ausgestiegen. Daher verdienen Mitarbeiter bei Pflegen und Wohnen (ehemals städtischer Arbeitgeber) deutlich mehr. Monatlich ein Unterschied von 100 bis 150 Euro.

Aber die AWO ist nicht der einzige Arbeitgeber, der keine Tariflöhne in dem Sektor zahlt. Im Gegenteil. Laut Ver.di werden von den 24 000 Hamburger Beschäftigten im Pflegedienst (ambulant und stationär) nur sieben bis zehn Prozent nach Tarif bezahlt. AWO-Sprecher Frank Krippner betont, dass man jetzt Tarifverhandlungen mit Ver.di aufgenommen hat. Für Menschen wie Hannelore Mengel, die in der Hagenbeckstraße ein Zuhause gefunden hatte, kommt das leider zu spät.

Dieser Artikel wurde verfasst von Sandra Schäfer

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