So erlebte der erste Coronavirus-Patient in Deutschland Krankheit und Quarantäne
Unaufgeregt, geradezu tiefenentspannt klingt die Stimme in der Leitung. Es ist die Stimme von „Patient 1“, dem ersten bekannten Coronavirus-Patienten in Bayern und ganz Deutschland, der im Telefongespräch mit dem Radiosender Bayern 1 seine Geschichte erzählt. Zwischen seiner Infektion und Entlassung aus dem Krankenhaus liegen knapp drei Wochen, „erst mal ein Schock“ und ein „sehr, sehr langweiliger Alltag“ in Quarantäne, wie er sagt.
Ende Januar hatte sich der Webasto-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden will, mit Sars-CoV-2 angesteckt. Insgesamt 14 Corona-Fälle im Freistaat standen in Zusammenhang mit dem Stockdorfer Autozulieferer (lesen Sie hier mehr dazu). Eine chinesische Kollegin hatte den Erreger bei einer Dienstreise eingeschleppt. Dabei hatten sich einige Mitarbeiter angesteckt, teils infizierten sich auch Angehörige.
„Mir geht es gesundheitlich super“, sagt er nun, „bin wirklich in Topform“. Eigentlich sei es ihm auch „nie schlecht gegangen“. Er möchte möglichst objektiv seine Erfahrung schildern, sagt er. Die Berichterstattung vieler Medien zu dem Thema hat dieses Kriterium nicht erfüllt, so sein Eindruck. „Und so ein Radiointerview ist natürlich dafür prädestiniert.“
… über die Infektion
Über einige Umstände, seinen Aufenthaltsort und auch den genauen Grund, könne er nicht sprechen. „Was ich sagen kann: Wir waren in einem Raum. Er war höchstens sechs Quadratmeter groß. Wir waren da insgesamt zu viert. Wir haben uns dort für eine Stunde ungefähr unterhalten. Es gab ein kurzes Händeschütteln“, berichtet er Bayern 1. „Irgendwelche Krankheitserscheinungen“ seiner Kollegin seien ihm nicht aufgefallen.
… über die ersten Symptome
Erst ein paar Tage nach dem Treffen sei er krank geworden. „Das Meeting war am Montag und am Freitag ging es dann los. Ich hatte Halskratzen, habe mir aber gedacht, dass das zu dieser Jahreszeit ganz normal ist“, sagt er. Am Wochenende seien noch Husten, Fieber (39 Grad), Schüttelfrost und „ein bisschen“ Gliederschmerzen dazu gekommen. Nach Einnahme einer Paracetamol seien die Symptome allerdings abgeklungen. „Ich habe mich am Montag dann fit genug gefühlt, um wieder in die Arbeit zu gehen.“
… über die Diagnose
An jenem Montag habe er erfahren, dass bei der Kollegin, mit der er Kontakt hatte, der Coronavirus nachgewiesen worden sei. „Danach bin ich dann sofort zu meinen Hausarzt gefahren, der mich ans Tropeninstitut weitergeleitet hat.“ Dort habe ein Test ergeben, dass er ebenfalls infiziert sei. „Es war natürlich erst mal ein Schock, weil ich damit gar nicht gerechnet habe.“ Bis dahin kannte man den Virus nur aus den Nachrichten.
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Er sollte „zu einem Haus“ in Schwabing fahren, offenbar meint er die München Klinik Schwabing, und sei dort durch eine Krankenschwester empfangen worden. „Sie war auch ganz abgeklärt von der Situation, hat auch keine Panik gemacht. Sie hat mich dann einfach aufgenommen, meine Daten notiert und mich ins Zimmer gebracht“, erzählt er Bayern 1. „Dort wurde dann wieder mein Fieber gemessen. Ich habe aber kein Fieber gehabt. Dann wurde Blut abgenommen und noch ein paar andere Abstriche. Aber im Grunde genommen war ich dann in diesem Zimmer und war gefühlt gesund.“
Die Situation sei ihm „surreal“ vorgekommen: „Warum muss ich jetzt der einzige Patient oder die einzige Person in Deutschland sein, die diesen Virus hat? Ich habe mich ja auch komplett gesund gefühlt.“
… über die Quarantäne
„Es war ein sehr, sehr langweiliger Alltag“, sagt er. Er habe ein Einzelzimmer und „keine Abwechslung“ gehabt. Fieber messen („was immer negativ war“), Abstriche geben („aus der Nase und vom Rachen“), Frühstück, Arbeit („ich hatte meinen Laptop dabei“), Mittagessen, „dann hat man vielleicht eine Serie geschaut“, Abendessen „und irgendwann hat man dann geschlafen“. Und das 18 Tage lang. Neben seiner Familie, mit der er via Videoanruf in Kontakt geblieben sei, habe er am meisten die „Freiheit. Spazierengehen. Sich mit Menschen einfach in der Öffentlichkeit zu treffen“ vermisst.
… über die Entlassung
An den Moment seiner Entlassung könne er sich „noch sehr genau“ erinnern. Es sei ein Freitagabend gewesen, „nachdem endlich mal die Entlassungskriterien schriftlich festgehalten worden sind.“ Auch seine Kollegen von Webasto, die ebenfalls in dem Krankenhaus wegen des Coronavirus behandelt wurden, hätten den Virus „komplett abgestoßen“. Sie hätten allerdings dort bleiben müssen, weil die Entlassungskriterien noch nicht festgestanden hätten. „Und das hat auch einen sehr hohen psychischen Druck bei uns verursacht“, sagt er Bayern 1, „weil wir hatten nie eine Perspektive.“ Sie seien gesund gewesen, „wir waren mehr oder weniger gefangen in dieser Anstalt und wir mussten darauf warten, bis das Ministerium sich entscheidet, mal Kriterien zu verfassen, durch die wir entlassen werden können.“
… über die Auflagen danach
Er sei wieder zuhause, arbeite aber noch nicht wieder in der Firmenzentrale, „da ich vom Gesundheitsamt noch nicht alle Auflagen zu hundert Prozent erfülle“. Die Ärzte hätten ihm gesagt, „dass ich komplett gesund bin und auch andere Leute nicht mehr durch Husten anstecken kann.“ Er solle erst einmal Zuhause bleiben, bis „auch wirklich das letzte Stück DNA“ vom Virus befreit sei.
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„Ich werde noch regelmäßig getestet, bis man wirklich nachgewiesen hat, dass auch der letzte Funke von diesem Virus weg ist. Das heißt aber nicht, dass der Coronavirus auf irgendeine Weise noch aktiv ist. Die schauen nun nach der DNA. Das ist aber sozusagen eine tote DNA“, sagt er Bayern 1. „Ich bin zu Hause, ich darf aber ganz normal rausgehen. Ich darf nur nicht in die Arbeit gehen.“
… über die Reaktionen
„Das Schlimmste sind nicht die Reaktionen. Es ist die Wiedergabe an Informationen, diese Falschinformation, die weitergegeben wird“, sagt er. So habe es etwa einen Artikel über ein „komplett erfundenes Gespräch zwischen mir und meiner Frau“ gegeben. Auch für Unsicherheit hätten einige Berichte gesorgt.
… über den Umgang mit dem Coronavirus
„Ich würde erst mal allen raten, ruhig zu bleiben.“, sagt er Bayern 1. Es sei ein neuer Virus, allerdings nicht so schlimm wie die Grippe. „Also das ist wirklich eine Art Erkältung.“ Schlimm hingegen sei, dass man nach dem Nachweis einer Infektion „abgestempelt“ würde. „Das muss man einfach hinnehmen.“
Wenn man keine Vorerkrankungen habe, würde es auch nicht schlimm werden. „Aber wenn man eine Vorerkrankung hat und zum Beispiel die Grippe bekommt, dann wird das viel, viel ernster sein. Deswegen würde ich allen erstmal raten: Wenn man es hat, dann ruhig bleiben. Wenn man es nicht hat, sollte man sich gegen die Grippe impfen lassen.“
Quelle: Bayern 1
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