AvP – Gemeinsames Werben für den Vergleich
Alle Beteiligten werben eindringlich für den angebotenen Vergleich im Insolvenzverfahren des Rechenzentrums AvP. Die Apotheken und auch die anderen Gläubiger würden viel früher Geld erhalten, und dieses Geld würde nicht im Verfahren verbraucht. Bei einer Informationsveranstaltung wurden weitere Einzelheiten bekannt, die alle für den Vergleich sprechen.
Am Montagabend informierte der Apothekerverband Nordrhein über den angebotenen Vergleich im Rahmen des Insolvenzverfahrens des Rechenzentrums AvP Deutschland. Das Vergleichsangebot hatten der Insolvenzverwalter, der Apothekerverband Nordrhein und eine „Working Party Group“ von Anwälten der betroffenen Apotheken erarbeitet. Es sieht vor, dass die Apotheken auf strittige Aussonderungsrechte verzichten und dafür eine Vergleichszahlung erhalten. Vor allem würden sich dadurch langwierige und unsichere Gerichtsverfahren erübrigen, und das weitere Insolvenzverfahren würde erheblich beschleunigt. Damit der Vergleich zustande kommt, müssen 80 Prozent der betroffenen Apotheken, gemessen am Forderungsbetrag, bis zum Stichtag am 9. Oktober dem Vergleich zustimmen.
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Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, gab an, in der Veranstaltung sollten letzte Fragen geklärt werden, um die Entscheidungen der betroffenen Apotheker zu untermauern. Nach seiner Einschätzung seien viele „dankbar für das Angebot“. Auch die anderen Referenten machten deutlich, dass sie den Vergleich dringend empfehlen. Denn der Vergleich würde das Verfahren sehr beschleunigen, und ohne den Vergleich erscheint unklar, wie das Verfahren überhaupt weitergehen soll.
Klagen bisher erfolglos
Neben den bekannten Hauptinhalten des Vergleichs wurden bei der Veranstaltung einige weitere Hintergründe und Informationen angesprochen. Rechtsanwalt Dr. Jochen Markgraf, Düsseldorf, berichtete, dass bisher Inhaber von 27 öffentlichen Apotheken Klagen wegen Aussonderungsrechten angestrengt hätten, von denen 16 bereits verhandelt wurden. Das Landgericht Düsseldorf habe 15 Klagen abgewiesen, davon seien zehn Kläger in die Berufung gegangen. Davon habe das Oberlandesgericht Düsseldorf drei Berufungen abgewiesen, drei weitere seien zurückgezogen worden. Zu diesen drei Fällen habe es ausdrücklich verneinende Hinweisbeschlüsse des Berufungsgerichts gegeben.
Nur in einem einzigen Fall mit einer Sonderkonstellation, bei der Rezepte auch von einem anderen Rechenzentrum eingereicht worden waren, habe das Landgericht Düsseldorf ein Aussonderungsrecht gewährt. Diese für die Apotheken ungünstige Ausgangslage ist ein wesentliches Argument für den Vergleich, denn in dem Vergleich würden die Apotheken für ihre strittigen Aussonderungsrechte immerhin eine Vergleichszahlung erhalten.
Vergleichszahlung verspricht wirtschaftlichen Vorteil
Markgraf erläuterte auch, dass das Quorum für das Zustandekommen des Vergleichs mit 80 Prozent bewusst recht hoch gewählt wurde. Denn nur so könnten die Rückstellungen für die nicht teilnehmenden Apotheken auf ein überschaubares Maß begrenzt werden. Von den vorhandenen Geldern müssen aus insolvenzrechtlichen Gründen Rückstellungen gebildet werden, um diese im unwahrscheinlichen Fall einer erfolgreichen Klage an die nicht teilnehmenden Apotheken auszahlen zu können. Daher wird die Vergleichszahlung umso höher, je mehr Apotheken am Vergleich teilnehmen.
Nach Abzug der Rückstellungen werden von dem verfügbaren Geld 25 bzw. 35 Prozent im Rahmen des Vergleichs ausgezahlt. Bei den Mitteln, die am Beginn des Insolvenzverfahrens vorhanden waren, beträgt dieser Anteil 25 Prozent, bei den später vereinnahmten Beträgen sind es 35 Prozent. Markgraf berichtete, dass am Beginn des Insolvenzverfahrens etwa 147 Millionen Euro auf den Geschäftskonten vorgefunden wurden. Dr. Jan-Philipp Hoos, Insolvenzverwalter der AvP Deutschland, ergänzte später, dass weitere 48 Millionen Euro, die später eingegangen waren, auf Treuhandkonten lägen. Hinzu kämen die bei Gerichten hinterlegten Beträge.
Die „große Unbekannte“ seien die Zahlungen der Krankenkassen, die wegen der Unsicherheit zurückgehalten wurden. Außerdem berichtete Hoos, dass die beim Vergleich beitrittsberechtigten Offizin-Apotheken 315 Millionen Euro als Forderungen angemeldet hätten. Die Gesamthöhe der Forderungen aller Gläubiger betrage etwas über 600 Millionen Euro, werde aber wohl noch etwas abnehmen. Hoos spekulierte nicht über die Höhe der Vergleichszahlungen, aber aus den genannten Größen lässt sich schließen, dass beim Vergleich insgesamt ein beachtlicher Betrag an die Apotheken fließen würde, den diese dann nicht mit den anderen Gläubigern teilen müssten.
Erste Zahlung zum Jahreswechsel
Bei der Veranstaltung wurde vor allem immer wieder der zeitliche Vorteil betont, der durch die Inflation an Bedeutung gewinnt. Die Vergleichszahlungen aus den bei AvP vorhandenen Geldern sollen im Dezember 2023 an den Treuhänder fließen, aus den gerichtlich hinterlegten Zahlungen im Februar 2024 und aus den später eingehenden Zahlungen im August 2024. Etwa einen Monat später soll das Geld im Verhältnis der angemeldeten Forderungen an die teilnehmenden Apotheken ausgezahlt werden.
Außerdem verpflichtet sich der Insolvenzverwalter im Vergleich, im Herbst 2024 eine Abschlagszahlung auf die Insolvenzquote an alle Gläubiger zu zahlen. Die Apotheken würden dann erneut Geld erhalten und auch alle anderen Gläubiger würden viel früher Geld bekommen als ohne den Vergleich.
Zuordnung praktisch unmöglich
Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, Freiburg, führte ein weiteres starkes Argument für den Vergleich an. Sogar in dem unwahrscheinlichen Fall, dass eine Apotheke nach fünf oder mehr Jahren vom Bundesgerichtshof Aussonderungsrechte zuerkannt bekäme, würde sie damit noch kein Geld erhalten. Denn die Forderungen könnten nicht zugeordnet werden. Er selbst habe dies auch erst im Rahmen des Verfahrens erkennen müssen und sei „ernüchtert“ gewesen, „wie wenig Information“ über die Forderungen und Zahlungen bei AvP vorliegen. Dies sei das Ergebnis der Geschäftsführung vor der Insolvenz gewesen. Gerade in so unübersichtlichen Fällen würden auch Gerichtsverfahren vielfach mit Vergleichen beendet. Dies könne nun früher und ohne das erhebliche Prozesskostenrisiko geschehen. Daher sprechen nach Einschätzung von Douglas alle wirtschaftlichen Argumente für den Vergleich.
Dagegen sei der Betrag von umgerechnet unter 200 Euro pro Apotheke, der beim Vergleich an den Apothekerverband Nordrhein fließe, als die „sprichwörtlichen Peanuts“ zu bezeichnen. Preis ergänzte, dass der Verband hohe Kosten für die Beratung zur Vorbereitung des Vergleichs habe. Dies alles sei transparent ausgewiesen. Douglas resümierte in einem Plädoyer für den Vergleich, es liege im Interesse aller, „dass die Gelder freigegeben werden und nicht wie Schnee in der Sommersonne schmelzen“. Er sieht die wirtschaftliche Position der Apotheken in dem Vergleich auch besser als bei Angeboten von Forderungsaufkäufern, die bei etwa 28 bis 30 Prozent der Forderungen lägen.
Noch ein Vergleich zur Anfechtung
Neben dem Aussonderungsvergleich stellte Hoos den zusätzlichen Anfechtungsvergleich vor. Er betrifft etwa 800 Apotheken, die am 11. oder 14. September 2020 Geld von der AvP erhalten haben. Dabei gehe es um etwa 126,4 Millionen Euro. Da die Zahlungen entgegen einem Bescheid der Finanzaufsicht geleistet wurden, seien sie nach seiner Ansicht anfechtbar. Doch er strebe auch hier einen Vergleich an.
In diesen Vergleich sollten die Zahlungen an die Apotheken und die erhobenen Forderungen dieser Apotheken eingehen. Beide sollten so ausgeglichen werden, dass dies einem 50-Prozent-Vergleich zu den erhaltenen Zahlungen entspricht. Einzelne Apotheken müssten daraufhin einen Teil des erhaltenen Geldes zurückzahlen. Die Teilnahme an diesem Anfechtungsvergleich setze voraus, dass die betreffende Apotheke am Aussonderungsvergleich teilnimmt und dieser auch zustande kommt.
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Umgekehrt könne eine Apotheke aber am Aussonderungsvergleich teilnehmen, ohne dem Anfechtungsvergleich beizutreten. Stichtag für den Anfechtungsvergleich ist auch der 9. Oktober. Den Apothekeninhabern, die den Anfechtungsvergleich ablehnen, empfahl Hoos dringend, auf die Einrede der Verjährung seines Anfechtungsrechts zu verzichten. Die Apotheken würden damit keine inhaltlichen Rechte verlieren. Doch anderenfalls müssten sie damit rechnen, dass er sie noch in diesem Jahr beklagt, damit die Verjährung nicht wirksam wird.
Noch keine Nachricht? – Unbedingt melden!
Auch bei diesem Aspekt hängt also alles davon ab, ob der Vergleich über die Aussonderungsrechte zustande kommt. Auf Nachfrage berichtete Hoos, dass sich die Zahl der Apotheken, die den Vergleich annehmen, schon der Marke von 1.000 nähere. Insgesamt geht es um etwa 2.500 teilnahmeberechtigte Apotheken. Es habe allerdings in einigen Fällen Schwierigkeiten mit der Zustellung der Unterlagen gegeben, weil sich Adressen geändert oder die anwaltlichen Vertreter gewechselt haben. Wer meint, beim Vergleich teilnahmeberechtigt zu sein, aber noch keine Nachricht erhalten hat, soll sich daher dringend beim Insolvenzverwalter melden.
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