Meditation als Allheilmittel? Warum sich Achtsamkeit lohnt – und wer damit lieber vorsichtig sein sollte

Achtsamkeit, insbesondere Meditation, wird heutzutage gerne als DAS Mittel gegen Stress und Probleme. Das klingt beinahe nach einem Allheilmittel. Aber kann Meditation dieses Versprechen wirklich einhalten?

Siri Frericks: Die Idee von einem Allheilmittel ist so schön, wie unwahrscheinlich. Alles, was als Allheilmittel angepriesen wird, darf also ruhig eine gesunde Skepsis hervorrufen. Insbesondere bei (schweren) behandlungsbedürftigen Erkrankungen ist es ratsam, sich erstmal an die Therapierenden zu wenden und ihre Meinung einzuholen, wenn Interesse am Aufbau einer Achtsamkeits- oder Meditationsroutine besteht. Inzwischen haben auch immer mehr Mediziner:innen und Psycholog:innen entsprechende Fortbildungen im Bereich Achtsamkeit und können den Prozess begleiten und bei Bedarf Hilfe leisten – das ist besonders für Beginnende oft wertvoll.

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Aber woher kommt dann die weitverbreitete These, dass Achtsamkeit für jeden nur Gutes mit sich bringt?

Die Annahme, Achtsamkeit könne ein Allheilmittel sein, deutet darauf hin, dass viele Menschen positive Erfahrungen damit sammeln oder gesammelt haben. Hier kann ich nur vermuten: ein gemeinsamer Nenner vieler dieser Menschen könnte im Stress liegen. Gerade Dauerstress kann zu verschiedenen körperlichen und psychischen Erkrankungen beitragen oder diese auslösen. Achtsamkeit wiederum kann dabei helfen, einen gesünderen Umgang mit Stress zu lernen und die psychische Widerstandskraft zu stärken. Die Bezeichnung als Allheilmittel finde ich dadurch allerdings nicht weniger problematisch.

Wie Meditation gegen Stress helfen kann

Achtsamkeit hilft nicht jedem und nicht gegen alles. Trotzdem ist Meditation und ein achtsamer Lebensstil fester Bestandteil Ihres Alltages – privat und beruflich. Warum?

Es gibt zahlreiche Gewohnheiten, die für viele heute völlig selbstverständlich zum Alltag dazugehören, um gesund zu bleiben und sich wohl zu fühlen: Händewaschen, Zähneputzen oder Joggen und Bewegung sind da nur einige Beispiele. Unseren Vorfahren kämen diese Routinen womöglich sonderbar vor, doch im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass all das hilfreich sein kann, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Wir waschen Hände, um Infektionskrankheiten einzudämmen, putzen Zähne, um sie möglichst lange und unbeschadet zu behalten und treiben Sport, um den Körper nachhaltig zu stärken.

Meditation, insbesondere Achtsamkeitsmeditationen, haben eine vergleichbare Rolle für mich: Es ist eine alltägliche Praxis, die mir dabei hilft, inneren Vorgängen Aufmerksamkeit zu schenken. Das schließt Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen mit ein. Ich beschäftige mich also mit Meditation und Achtsamkeit, weil sie Teil meiner Psychohygiene sind. Damit haben sie einen großen Stellenwert für mich. Besonders – aber nicht nur – dann, wenn das Leben mich mal wieder mit ein paar Herausforderungen mehr versorgt.

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Das klingt ein bisschen nach zielgerichteter Meditation. Sollte es bei Achtsamkeit aber nicht eigentlich um eine ziellose und intrinsische Handlung beziehungsweise Lebensweise gehen?

Richtig. Gerade in Achtsamkeitsmeditationen wird eher dazu geraten, eine Praxis aufzubauen, aufrecht zu erhalten und zu genießen, anstatt auf bestimmte Ziele "hin zu meditieren". Oft kommen Menschen aber in herausfordernden Lebensphasen zu Meditation und Achtsamkeit. Das macht mit Blick auf die Studienlage auch Sinn. Denn was inzwischen wissenschaftlich recht klar ist: eine Achtsamkeitspraxis kann helfen, Stress nachhaltig zu reduzieren. Und gestresst fühlen sich heute viele Menschen – nicht nur durch private Themen und Arbeitsbelastungen, sondern auch durch gesellschaftliche Krisen.

Nun gibt es aber eine ganze Bandbreite an Entspannungsverfahren und Mittel gegen Stress…

Im Unterschied zu anderen Entspannungsverfahren scheint eine Stärke der Achtsamkeitsmeditationen darin zu liegen, dass ablenkende und grüblerische Gedanken und Verhaltensweisen abnehmen. Weniger Stress, mitsamt selteneren Ablenkungen und Grübeleien, kann sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit auswirken. Außerdem gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass Meditation zu positiven Veränderungen im Gehirn beiträgt. Was genau dahinter steckt und wie sich das auf unser Alltagserleben auswirkt, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Hier warten noch einige spannende Erkenntnisse auf die Forschenden und auf uns.

Ab wann ist es Meditation?

Es gibt tatsächlich bereits einige Studien, die die Wirksamkeit von Meditation und Achtsamkeit belegen. Nun ist Wohlbefinden eine sehr subjektive Angelegenheit. Wie misst man den Erfolg von Meditation?

Ein häufiges Vorgehen ist, dass Studienteilnehmende zu Beginn verschiedene psychologische Fragebögen beantworten und in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Während eine Gruppe meditiert, praktiziert eine andere beispielsweise ein etabliertes Entspannungsverfahren wie autogenes Training, eine weitere Gruppe schaut einen Film und eine Gruppe tut gar nichts. Am Ende der Gruppenphase füllen alle erneut die Fragebögen aus – womöglich beantworten sie diese noch mal nach einigen Monaten, um Langzeitveränderungen festzustellen.

Die Forschenden können dann die Ergebnisse der einzelnen Gruppen miteinander vergleichen, Zusammenhänge oder Wirkungen berechnen und die Ergebnisse anschließend interpretieren und diskutieren. Zusätzlich gibt es auch physiologische Messverfahren. Dabei werden zum Beispiel Gehirnwellen, Blutdruck oder andere Vorgänge des Körpers im Zusammenhang mit Meditation gemessen. 

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Meditation wird auch eng mit unserer Atmung in Verbindung gebracht. Ab wann genau meditiere ich eigentlich, statt nur zu atmen?

Schon im alltagssprachlichen Gebrauch des Begriffs wird klar, dass Meditation ganz unterschiedlich aussehen kann. Einige beschreiben beiläufig Hausarbeiten, wie aufräumen, abwaschen oder bügeln als meditativ. Dazu kommen unzählige, konkrete Meditationstechniken, die Menschen sich im Laufe der Zeit ausgedacht haben. Meditation ist ein eher unspezifischer Sammelbegriff für verschiedenste mentale Übungen, zu denen auch der Fokus auf die Atmung gehört.

Und Achtsamkeit?

Hier ist die Unterscheidung in formelle und informelle Praxis beliebt. Achtsamkeit wird dabei definiert als eine bestimmte Art und Weise, die Aufmerksamkeit auszurichten: absichtsvoll, auf den gegenwärtigen Moment und möglichst akzeptierend, anstatt automatisch zu urteilen. Diese natürliche Fähigkeit, achtsam zu sein, können wir formell trainieren, indem wir Zeit und Raum dafür einplanen und möglichst fokussiert einer Achtsamkeitsübung nachgehen. Oder wir trainieren informell – das bedeutet: ich nehme diese achtsame Haltung in Alltagssituationen ein, während ich die Wäsche aufhänge, aus dem Fenster schaue oder im Supermarkt an der Kasse stehe. Ich selbst kombiniere gern formelle und informelle Übungen – je nachdem, wie es gerade am besten zu mir und meinem Alltag passt.

Was Achtsamkeit mit Esoterik zutun hat

Den gegenwärtigen Augenblick wahrnehmen und annehmen, sich mit seinem Inneren verbinden – das sind Sätze über Achtsamkeit, die dafür sorgen, dass einige Menschen Meditation mit Esoterik in einen Topf werfen. 

Mit Sicherheit gibt es Menschen, die sich sowohl für Esoterik, als auch für Meditation interessieren und so beides miteinander verbinden. Die Verbindung liegt allerdings keinesfalls in der Sache selbst. Es gibt Meditationstechniken, die einen religiösen, spirituellen oder esoterischen Inhalt haben und es gibt Techniken, die vollkommen auf solche Inhalte verzichten. Insbesondere Achtsamkeitsmeditationen sind sehr auf das gerichtet, was im Hier und Jetzt beobachtbar ist – also auf Körper, Geist und alles, was in der Umgebung mit den eigenen Sinnen wahrgenommen werden kann. Es gibt keine religiöse oder esoterische Lehre, die mitgeliefert wird, sondern nur die Beobachtung dessen, was jetzt ist. Ich finde nichts Esoterisches daran, meinen Körper bewusst wahrzunehmen, einigen Atemzügen aufmerksam zu folgen, mich auf mein Gehör zu fokussieren oder meine Gedanken zu beobachten.

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Esoterisch mag es nicht unbedingt sein, aber es klingt mitunter schwer, mich auf Gedanken und Gefühle zu konzentrieren, wenn ich beispielsweise unter innerer Unruhe leide. Wie lernt man Meditation?

Wer einen ersten Kontakt damit aufnehmen möchte, kann sich zuerst Gedanken über die Rahmenbedingungen machen: Möchte ich in einer Gruppe meditieren oder lieber alleine? Möchte ich im Rahmen eines Präventionskurses oder Retreats tiefer in die Materie einsteigen oder erst einmal ein wenig herumprobieren? Welche Technik interessiert mich? Einen guten, niedrigschwelligen Einstieg finden viele Interessierte mit qualitativ hochwertigen Meditations- und Achtsamkeits-Apps. Hier haben Nutzende die Möglichkeit, verschiedene Techniken, Übungslängen und Lehrende auszuprobieren und herauszufinden, was zu ihnen passt.

Wer eine eigene Gewohnheit aufbauen möchte, kann es sich leichter machen, indem die neue Gewohnheit an eine bereits bestehende geknüpft wird. Ich kann zum Beispiel immer vor dem Zähneputzen meditieren oder jeden Tag am Ende meiner Mittagspause. So eine Verknüpfung von Gewohnheiten kann in Kombination mit dem passenden Commitment dazu beitragen, eine Routine aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

Quelle: Studie: Achtsamkeitsmeditation gegen Stress

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