Nichts als Corona im Kopf: Wann wird Lauterbach endlich Gesundheitsminister?
Das deutsche Gesundheitswesen ist schwer krank: Kliniken leisten sich seit Jahrzehnten einen ruinösen Wettbewerb auf dem Rücken der Patienten; Deutschland hat die teuersten Medikamente; es mangelt flächendeckend an Pflegepersonal. Reformen tun Not. Doch Gesundheitsminister Lauterbach scheint nur ein einziges Thema zu kennen: Corona.
Kassandra, die tragische Figur des trojanischen Kriegs. Verflucht von den Göttern, auf dass niemand ihren Warnungen glauben schenken sollte. Ihre Weissagungen vom nahenden Unheil, dem Untergang Trojas, verhallten.
Karl Lauterbach hingegen wurde nicht von den Göttern verflucht, er hat sich die Rolle der Corona-Kassandra in den letzten zwei Jahren in zahlreichen Talkshow-Auftritten hart erarbeitet. Eine Welle der Sympathie und Anerkennung hat ihn letztlich ins Bundesgesundheitsministerium der Ampel gespült.
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Jetzt orakelt Lauterbach, dass im Herbst eine sehr tödliche Mutation des Coronavirus drohe. „Eine absolute Killervariante“ könnte sich über den Sommer hinweg entwickeln, prophezeite er in einer Sonntagszeitung. Fachpolitiker, Virologen und Patientenschützer schüttelten darauf öffentlich den Kopf: Lauterbach solle sich mit dieser Art Panikmache bitte zurückhalten.
Mittlerweile läuft der SPD-Politiker Gefahr, von der mystischen Gestalt der Kassandra zu dem kleinen, nervigen Hirtenjungen zu verkommen, der im Märchen sein Dorf dauernd vor dem bösen Wolf warnt, der aber nicht kommen will.
Lauterbach weiß: Deutschland ist ein gutes Pflaster für Pharma-Konzerne
Corona ist nicht das einzige Thema im Ressort Gesundheit. Karl Lauterbach muss sich neu erfinden, will er die Rolle des Bundesgesundheitsministers ausfüllen.
700 Beamte, in sieben Fachabteilungen mit rund 100 Referaten und einem Jahresetat in Höhe von über 50 Milliarden Euro stehen ihm zur Verfügung – doch er hat nur Corona im Kopf. Dabei steht unser Gesundheitssystem auf der Kippe. Die Pandemie hat schonungslos alle Schwächen aufgezeigt – und alle Kosten. Lauterbach müsste sie kennen.
Der Bundesgesundheitsminister – studierter Mediziner und Gesundheitsökonom – war bereits in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder Regierungsberater. Damals wollte er der gierigen Pharma-Industrie ans Leder, die mit immer teureren Schein-Neuerungen für Blutdruck-, Cholesterinsenker und Diabetes-Präparaten den Beitragszahler schröpfte.
Er konnte sich nicht durchsetzen. In Deutschland kosten Medikamente daher weiterhin mehr als in allen anderen Ländern – mit Ausnahme der USA. Im Vergleich zahlen die Deutschen laut Studien rund 125 Prozent mehr für Arzneimittel als Bürger anderer Länder. Für manche Psychopharmaka, Asthma-Präparate oder Cholesterin-Senker sogar das Doppelte und Dreifache.
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Deutschland ist ein gutes Pflaster für die Pharma-Konzerne. Im Bürokratie-Dschungel zwischen Hausarzt, Krankenkasse und kassenärztlichen Vereinigungen bekommt der Patient gar nicht mit, wie teuer seine Medikamente und seine Behandlung sind.
Was er hingegen mitbekommt, sind stundenlange Wartezeiten in der Notaufnahme seines Krankenhauses, den Personalmangel an Klinikärzten und Krankenschwestern. Was die Menschen spüren, ist der ruinöse Wettbewerb zwischen viel zu vielen Kliniken, die an Personal sparen müssen, um zu überleben.
Lauterbach weiß auch um den teuren und ruinösen Wettbewerb der Kliniken
Das weiß auch Lauterbach. Und auch Karl Lauterbach wollte noch als einfacher Bundestagsabgeordneter die Zahl der Krankenhäuser vor allem in den Großstädten reduzieren, um die Qualität zu verbessern und „überflüssige Eingriffe“ zu vermeiden. Und in der Pandemie war es dann auch für jeden offensichtlich, wie anfällig das deutsche Gesundheitswesen ist:
- Intensivbetten: Zwar hat Deutschland ein Vielfaches mehr an Intensivbetten als andere Industriestaaten wie Großbritannien, Schweden oder die Niederlande, doch scheinbar existieren diese nur auf dem Papier. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) schätzt, dass bundesweit 3500 bis 4000 Fachkräfte für die Intensivpflege fehlen.
- Bettenbelegung: Um finanziell überleben zu können, werden deutsche Patienten länger ans Klinik-Bett gefesselt als in anderen Staaten: Gerechnet auf einen Einwohner liegt die Zahl der Bettentage bei uns bei 1,75 Tagen, in Dänemark beispielsweise nur bei 0,6.
- Zu viele Operationen: Deutsche Kliniken haben sich wegen der begrenzten Anzahl an Patienten auf lukrative Operationen spezialisiert – mit entsprechenden Nebenwirkungen. Nirgendwo auf der Welt werden laut OECD so viele Hüften generalüberholt wie in Deutschland: rund 400.000 Stück im Jahr, davon sind etwa die Hälfte Hüftprothesen. Und jedes Jahr müssen rund 35.000 Kunstgelenke wieder ausgewechselt werden, weil sie nicht so lange halten wie geplant.
- Rettungsmilliarden: In der Pandemie mussten diese nicht unbedingt notwendigen OPs verschoben werden. Das hat viele Krankenhäuser an den Rand des Ruins gebracht. Steuer- und Beitragszahler spendeten in der Pandemie viele, viele Milliarden, um das pervertierte System weiter am Laufen zu halten. Das Geld versickerte zu einem Großteil.
Auf Karl Lauterbach warten als Gesundheitsminister große Aufgaben
In den letzten 20 Jahren haben sich die Kosten für die deutsche Gesundheit verdoppelt und liegen mittlerweile bei über 440 Milliarden Euro pro Jahr. Fachpolitiker im Bundestag wissen um die Kosten-Explosion im Gesundheitswesen.
Spricht man sie aber darauf an, reagieren sie ausweichend. Abgeordnete haben Angst davor, ihren Landräten zu Hause im Wahlkreis klar zu machen, dass zwei statt drei Krankenhäuser völlig ausreichend wären. Und kürzt man der Pharma-Industrie die Gelder, wird die Gesundheitslobby laut und warnt reflexartig vor dem Untergang des deutschen Gesundheitssystems. Und natürlich haben auch die Ärzte, Apotheker und ihre Verbände Angst um ihre Pfründe.
Warum sich Deutschland neben dem Klinik-Irrsinn auch 17 kassenärztliche und 17 kassenzahnärztliche Vereinigungen auf Landesebene leistet und ein ebenso intransparentes Medikamenten- und Apotheken-System, bleibt ein weiteres sündhaft teures Geheimnis. Und deren gibt es in unserem Gesundheitssystem noch viele, viele andere.
Kurzum: Auf Karl Lauterbach warten als Gesundheitsminister große Aufgaben. Doch dazu braucht man einen echten Reformer und keinen Endzeit-Propheten. Wo ist das Reform-Paket, das das deutsche Gesundheitswesen so dringend benötigt, Herr Lauterbach?
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