10.000 Euro Schmerzensgeld für Betroffene des Bottroper Zyto-Skandals

In einem ersten Schadensersatzprozess haben Richter des Landgerichts Essen ein Schmerzensgeld für psychische Belastungen anerkannt, nicht aber für gesundheitliche Beeinträchtigungen. Denn es sei unklar, ob die angenommenen Unterdosierungen hierzu geführt haben, wie aus den nun vorliegenden Urteilsgründen hervorgeht.

In einer ersten Zivilklage zum Bottroper Zyto-Prozess hatte das Landgericht Essen kürzlich geurteilt – nun liegen die Urteilsgründe vor. Geklagt hatte eine Witwe, bei deren Mann mit 63 Jahren Lungenkrebs diagnostiziert worden war, behandelt wurde er von einem Bottroper Onkologen, der eng mit dem früheren Zyto-Apotheker Peter S. zusammengearbeitet hat. Nach einer Therapie mit Carboplatin, unter der der Tumor sich deutlich zurückentwickelte, wurde ein Lungenteil entfernt, außerdem erhielt der Patient eine Bestrahlung. Trotzdem nahm die Zahl von Krebsherden in der Lunge zu. Hieraufhin verordnete der Onkologe eine Therapie mit Nivolumab – der Patient erhielt ab Anfang 2016 neun Infusionen, die in der Alten Apotheke von Peter S. hergestellt wurden.

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Während der Therapie verschlechterte sich sein Zustand erheblich. In der zweiten Jahreshälfte erhielt der Patient das Präparat Docetaxel, die letzte Therapie am 29. November 2016: dem Tag der Razzia in der Apotheke sowie der Verhaftung von S.. Wenig später erfuhr der Patient vom Onkologen, dass er vielleicht von Unterdosierungen betroffene Präparate erhalten haben könnte – er erwog, eine Sammelklage anzustreben. Doch in den folgenden Monaten verschlechterte sich sein Zustand weiter, im Herbst 2017 verstarb er.

Im Strafprozess gegen Peter S. berechneten die Richter, dass mindestens 208 von insgesamt 364 zwischen Juli 2015 und der Verhaftung hergestellten Nivolumab-Infusionen erheblich unterdosiert waren – wahrscheinlich waren es deutlich mehr, da die Strafkammer viele Annahmen zugunsten von S. getroffen hat. Unklar bleibt, welche Infusionen dies waren, der frühere Apotheker schweigt zu dieser Frage.

Witwe forderte mindestens 25.000 Euro

In dem Schadensersatzprozess argumentierte die Witwe, die Nivolumab-Infusionen seien unterdosiert gewesen, bei richtiger Dosierung hätte ihr verstorbener Mann deutlich länger leben können. Sie verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000 Euro. Der Insolvenzverwalter von S., der aufgrund des zwischenzeitlich gestarteten Insolvenzverfahrens dessen Vermögen verwaltet, weist derartige Ansprüche pauschal zurück. Gegenüber dem Gericht bestritt er laut Urteil auch, die jeweiligen Präparate seien unterdosiert gewesen. Auch habe sich weder das Leiden verlängert noch seien Heilungschancen verkürzt worden: Aufgrund der Krankheitsschwere habe der Patient von vorneherein keine Überlebenschance gehabt, der Tod sei schicksalhaft gewesen.

Zwar liege die Beweislast grundsätzlich bei der Witwe, schreiben die Richter in ihrem Urteil – doch entziehe sich die Frage der tatsächlichen Dosis den Aufklärungsmöglichkeiten der Witwe. Da diese wie auch andere Patienten und Angehörige keinen Einblick in die Abläufe und Zubereitungshandlungen der Apotheke haben, könnten Klagen „von vornherein keinen Erfolg haben“, argumentieren die Richter. S. und dem Insolvenzverwalter sei es hingegen „zuzumuten, die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen oder zumindest konkret dazu vorzutragen, warum die Behauptung der Klägerin nicht zutrifft“. Doch der Insolvenzverwalter habe „keinerlei greifbare Anhaltspunkte“ dafür geliefert, dass ausgerechnet dieser Patient korrekt dosierte Zubereitungen erhalten hat. S. sei dem Insolvenzschuldner „umfassend zur Auskunft verpflichtet“, was die Dosierung der Mittel anbelangt.

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