Soll Ausmaß der Pandemie zeigen: Forscher entwickeln Antikörpertest für Sars-CoV-2
Wissenschaftler suchen mit Hochdruck nach Methoden, um die tatsächliche Verbreitung des Coronavirus einzuschätzen. Ein Antikörpertest soll jetzt helfen. Er soll zeigen, wer die Krankheit bereits hatte, immun ist und das Virus nicht mehr weitergeben kann.
Das Ausmaß der Corona-Pandemie abzuschätzen ist schwer. Zu viele Menschen erkranken, ohne Symptome zu zeigen, bei anderen äußert sich die Krankheit nur wie eine leichte Erkältung. Getestet werden diese Personen nicht, die Dunkelziffer ist damit wahrscheinlich hoch. Zudem kann keine eindeutige Letalitätsrate, also die Anzahl der Infizierten, die an der Krankheit sterben, bestimmt werden, solange nicht alle Fälle bekannt sind.
New Yorker Forscher wollen das nun ändern. Sie entwickelten einen Test, der Antikörper nach einer Sars-CoV-2-Infektion nachweisen soll. Die Wissenschaftler der Icahn School of Medicine Mount Sinai veröffentlichten ihre Studie vorläufig auf dem Preprint-Server „medRxiv“.
Demnach wurde die Studie noch nicht von unabhängigen Fachleuten überprüft. Studienautor Florian Kammer versichert aber, das Vorgehen habe sich in mehreren Experimenten bewährt. Die Prozedur sei einfach und in größerem Maßstab anwendbar. Somit könnten „mehrere tausend Menschen pro Tag“ getestet werden, erklärte Kammerer gegenüber dem Fachmagazin „Science“. In New York werde das Verfahren bereits angewendet.
So funktioniert der Antikörper-Test
Um zu verstehen, wie der Test funktioniert, ist es zunächst wichtig, die Wirkung des Virus im Körper zu kennen: Gelangt Sars-CoV2 in den Körper, nutzt es sein Hüllprotein, das sogenannte Spike- oder S-Protein, wie einen Angelhaken, um an Wirtszellen anzudocken. Deshalb ist das S-Protein einer der wichtigsten Angriffspunkte für die Abwehrzellen.
Für die Entwicklung des Tests nutzten die Wissenschaftler eine leicht veränderte Variante des S-Proteins, das gleichermaßen als Angriffsstelle für die Antikörper funktionierte. Zellkulturen von Blut- und Plasmaproben konnten die Forscher dann messen, ob sich Antikörper angesammelt hatten.
Das ermittelten sie mithilfe eines sogenannten „ELISA“-Tests (Enzyme Linked Immunosorbent Assay), einem Verfahren zum Nachweis und zur Bestimmung der Konzentration von Antikörpern.
Experten der WHO haben kürzlich in einem Kommentar im Fachmagazin „The Lancet“ eine Übersicht zu den internationalen Aktivitäten zur Virus-Eindämmung und Risikobewertung gegeben. Das sind Kernaussagen:
- Corona scheint genetisch stabil zu sein. Auf der Grundlage von 500 Virus-Gensequenzen gibt es keine Hinweise auf die Entwicklung neuartiger Virusstämme.
- Ansteckungen durch Klinik-Personal waren in China die Ausnahme. Das spricht dafür, dass die empfohlenen Schutzmaßnahmen für Klinik-Personal gut wirksam sind.
- Bislang beruht der Nachweis einer Infektion weiter auf PCR-Tests. Serologische Tests (an Blutproben) sind zwar in der Entwicklung, aber noch nicht validiert.
- Die Virus-Produktion ist am Anfang einer Infektion offenbar am höchsten – möglicherweise schon vor Auftreten von Beschwerden. Viele Länder beginnen mit der Identifizierung von Kontakt-Personen 1 bis 2 Tage vor Auftreten der Symptome bei einem Infizierten.
Erste Experimente waren erfolgreich
Die Wissenschaftler überprüften ihr Verfahren anhand von Blutproben dreier Covid-19-Patienten. Sie verglichen diese mit 59 Proben von Patienten aus der Zeit vor Ausbruch des Coronavirus.
Diese waren teilweise mit anderen Viren infiziert, etwa dem Hanta- oder Denguevirus oder dem sogenannten humanen Coronavirus NL63. Letzteres nutzt den gleichen Rezeptor wie Sars-CoV-2, um Wirtszellen zu befallen und löst bei den meisten Infizierten ebenfalls Erkältungssymptome aus.
Die Experimente verliefen erfolgreich, der Test zeigte nur bei Covid-19-Patienten ein positives Ergebnis. Selbst beim Coronavirus NL63 war das Ergebnis negativ, die beiden Coronaviren NL63 und Sars-CoV-2 werden also durch unterschiedliche Antikörper neutralisiert.
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Hier kann hat der Test helfen
Die Wissenschaftler wenden den Test in der New Yorker Klinik bereits an, um herauszufinden, wann im Krankheitsverlauf Antikörper gebildet werden. Bis diese im Blut nachweisbar sind, dauert es meist etwas. Für Schnelltests während einer akuten Erkrankung eignet sich das Verfahren deshalb nicht.
Stattdessen wollen die Forscher mit ihrem Test die Betreuung von Covid-10-Patienten vereinfachen. Man könne künftig Ärzte und Pflegepersonal einsetzen, das positiv auf die Antikörper getestet wurde und somit immun ist.
Zudem gebe es langfristig die Möglichkeit, eine Immuntherapie für schwer an Covid-19 Erkrankte zu entwickeln. Patienten könnten dann Blut- oder Plasmaspenden bekommen, in denen bereits Antikörper enthalten sind.
Ein weiterer Vorteil: Man könne erfahren, welcher Teil der Bevölkerung bereits gegen das Virus immun ist. Auch Fälle bei Kindern, bei denen sich meist keine Symptome zeigen, könnten so ermittelt werden. Diese könnten dann beispielsweise wieder zur Schule gehen, Erwachsene wieder zur Arbeit.
Wo tritt Coronavirus auf? Echtzeit-Karte zeigt die Verbreitung der Krankheit
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