Vitamin D verstärkt das Leiden
Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie Allergien nahmen bislang häufig Vitamin D, um einen Mangel auszugleichen. Das könnte nicht nur kontraproduktiv, sondern sogar schädlich sein.
Ein Forscherteam der Autoimmunity Research Foundation begab sich in einer Übersichtsarbeit zu Vitamin D und Autoimmunerkrankungen auf die Suche nach Sinn oder Unsinn dieses Therapieansatzes. Sie kamen zum Schluss: Von zusätzlichen Vitamin-D-Dosen ist eher abzuraten.
Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben oft einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Er ist aber, anders als bislang vermutet, keine Ursache, sondern eher eine Folge des Leidens. Eine Nahrungsergänzung mit dem Vitamin kann im Gegenteil die Krankheit eher verschärfen.
Steroid statt Vitamin
Trevor Marshall von der Murdoch University in Westaustralien, der die Studie leitete, stützt diese Ansicht durch Forschungsarbeiten von Molekularbiologen: Vitamin D aus der Nahrung und aus Nahrungsergänzungsmitteln, das 25-Hydroxyvitamin D (25-D), hat mehr mit Steroiden gemein als mit Vitaminen. Wie steroidhaltige Medikamente kann auch Vitamin D deshalb Kranken kurzzeitig Erleichterung bringen, in dem es Entzündungen dämpft. Auf lange Sicht wird sich dieser Effekt aber eher ins Gegenteil umkehren.
Der Grund dafür ist, dass 25-D seine Rezeptoren eher inaktiviert als aktiviert. Diese speziellen Rezeptoren dienen der Entschlüsselung von 913 Genen und kontrollieren das angeborene Immunsystem. Dazu beeinflussen sie die Menge antimikrobieller Eiweiße im Körper, die Bakterien bekämpfen und so vor Krankheiten schützen.
Unbekannte Eindringlinge
Dieser Effekt ist sehr wichtig, denn erst kürzlich wurde bekannt, dass geschätzte 90 Prozent der Körperzellen nicht menschlich sind. Die Menge an Bakterien im Körper ist also immens. Das wiederum erhöht jedoch das Risiko für Autoimmunerkrankungen – insbesondere, wenn sich langlebige Krankheitserreger im Körper ansiedeln. Viele dieser Erreger sind noch nicht einmal bekannt.
Blockiert nun zusätzlich eingenommenes Vitamin D die Rezeptoren und damit das Immunsystem, fühlt sich der Patient zwar zunächst besser, da die Entzündungsreaktionen abnehmen. Da das Immunsystem aber geschwächt ist, kann der Körper sich auf lange Sicht viel schlechter gegen die unerwünschten Eindringlinge wehren. Dieser Effekt blieb Forschern offenbar deshalb so lange verborgen, weil manche Bakterien sich sehr langsam verbreiten. Die Folgen – wie Allergien oder andere Überempfindlichkeitsreaktionen – sind deswegen oft erst nach Jahrzehnten erkennbar.
Die Übersichtsarbeit ist im Fachblatt „Autoimmunity Reviews“ erschienen.
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