Junge Menschen erkranken häufiger an Darmkrebs

Die absoluten Zahlen sind gering, die Steigerung aber deutlich: Die Häufigkeit von Darmkrebs nimmt bei jungen Menschen in Europa seit vielen Jahren zu, wie ein internationales Forscherteam im Fachblatt „Gut“ berichtet. In Deutschland hat sie sich bei den 20- bis 29-Jährigen innerhalb eines Jahrzehnts mehr als verdoppelt. Gerade in den letzten Jahren sind die Fallzahlen immer stärker gestiegen. Die Gründe dafür sind bisher nicht klar.

Darmkrebs ist nach Brustkrebs in Deutschland die zweithäufigste Krebserkrankung. Pro Jahr werden solche Tumore bundesweit bei mehr als 60.000 Menschen neu diagnostiziert, jährlich sterben mehr als 25.000 Patienten an der Krankheit. Hauptrisikofaktor für die Erkrankung ist das Alter: Mehr als die Hälfte der Erstdiagnosen entfällt in Deutschland auf Menschen über 70 Jahre, nur etwa 10 Prozent der Krebserkrankungen treten vor dem 55. Lebensjahr auf.

Allerdings geht die Häufigkeit bei der älteren Bevölkerung in den letzten Jahren zurück, wie die Zahlen des deutschen Krebsregisters zeigen. Der Rückgang hatte im Jahr 2003 eingesetzt. „Noch deutlicher fällt bei beiden Geschlechtern mit mehr als 20 Prozent der Rückgang der altersstandardisierten Sterberaten in den letzten 10 Jahren aus“, heißt es beim Krebsregister.

Demnach sank in der Altersgruppe ab 50 die jährliche Rate zwischen 2002 und 2014 um rund ein Fünftel: von 204 Neuerkrankungen auf 161 Fälle pro 100.000 Menschen.

Auch Industrieländer außerhalb Europas betroffen

In der nun veröffentlichten Studie analysierte ein Team um die Gastroenterologin Manon Spaander von der Uniklinik Rotterdam die Daten von knapp 144 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 49 Jahren aus 20 europäischen Ländern, darunter auch Deutschland.

Demnach stieg die Häufigkeit der Darmkrebsfälle bei den 20- bis 29-Jährigen zwischen 1990 und 2016 um fast das Dreifache: von 0,8 auf 2,3 Fälle pro 100.000 Menschen. Gerade im letzten Jahrzehnt beschleunigte sich die Zunahme deutlich.

Dass diese Entwicklung auch Industrieländer außerhalb Europas betrifft, zeigt eine weitere, vor Kurzem erschienene Studie in der Zeitschrift „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“. Darin werteten die Forscher Krebsregister bis zum Jahr 2014 für sieben Industrieländer aus – Dänemark, Großbritannien, Irland und Norwegen sowie Australien, Neuseeland und Kanada.

Auch sie stellten fest, dass Menschen über 50 in den meisten untersuchten Ländern immer seltener erkranken. Den Rückgang erklären sie mit Vorsorgeuntersuchungen wie Stuhltests oder Darmspiegelungen, bei denen Vorstufen von Tumoren erkannt werden können. Die Kosten für diese Untersuchungen übernehmen Krankenkassen oft erst für Menschen ab 50.

In den meisten Ländern stiegen allerdings auch die Fallzahlen unter jungen Erwachsenen, am deutlichsten bei Menschen zwischen 20 und 29 Jahren. „Verglichen mit den um 1925 Geborenen hat die um 1990 geborene Generation in Norwegen ein zweimal so großes alterspezifisches Risiko für Dickdarmkrebs und ein fünfmal erhöhtes Risiko für Mastdarmkrebs“, schreiben die Autoren. „Ähnliche Trends wurden für die um 1990 geborenen Kohorten in Australien, Kanada, Neuseeland und Großbritannien festgestellt.“

Veränderte Lebensgewohnheiten als mögliche Ursache

„Das ist sehr beunruhigend“, sagt Michael Hoffmeister vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Diese Entwicklung war schon aus den USA bekannt und hat bei Medizinern für Aufmerksamkeit gesorgt. Die beiden Studien zeigen dies nun zum ersten Mal für Europa und einige andere wohlhabende Länder.“

Auch Christian Pox, Chefarzt der Medizinischen Klinik im St. Joseph-Stift Bremen, hält diese Untersuchungen für sehr wichtig: „Wir müssen den Trend aufmerksam beobachten.“ Als Ursachen für die häufigere Erkrankung junger Menschen vermutet er veränderte Lebensgewohnheiten: Übergewicht, schlechte Ernährung, mangelnde Bewegung, Alkoholkonsum und Rauchen – das sind die klassischen Risikofaktoren für Darmkrebs. Dass Übergewicht und Fettleibigkeit bei jungen Menschen immer häufiger werden, ist belegt.

Gleichzeitig ist auch möglich, dass mehr Krebsfälle entdeckt werden, die früher unerkannt geblieben wären. So spekulieren die „Gut“-Autoren, dass etwa der häufigere Einsatz von Darmspiegelungen zu einer höheren Erkennungsrate geführt haben könnte.

„Bewusstsein für Darmkrebs in dieser Altersgruppe schaffen“

Grundsätzlich empfehlen die Experten Pox und Hoffmeister, die Zunahme von Darmkrebs bei jüngeren Menschen abzuklären. „Das Problem ist, dass man die genauen Ursachen nicht kennt“, sagt Hoffmeister. Erschwert werde die Ursachenforschung durch die insgesamt geringen Fallzahlen bei jüngeren Menschen.

Ziel sollte sein, so schreibt das Team um Spaander, die besonders gefährdeten jungen Menschen zu identifizieren, bei denen schon eine frühe Vorsorgeuntersuchung sinnvoll sei. Zudem müsse man Ärzte auf die Zunahme bei jungen Menschen hinweisen. „Wir müssen ein Bewusstsein für Darmkrebs in dieser Altersgruppe schaffen“, bestätigt Hoffmeister.

Zudem kann jeder für sich selbst dazu beitragen, sein Darmkrebsrisiko zu reduzieren: Wer sich abwechslungsreich mit viel Gemüse und Ballaststoffen aber wenig Fleisch ernährt, sich regelmäßig bewegt, kein Übergewicht hat, nur selten Alkohol trinkt und nicht raucht, dessen Gefahr für Darmkrebs ist deutlich kleiner – ebenso wie für mehrere andere Erkrankungen.

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