Der rosa Zettel ist bald Geschichte: E-Rezept vom Arzt wird Pflicht

Wer zukünftig an seine Medikamente kommen möchte, muss in der Apotheke einen digitalen Code vorweisen. Zum neuen Jahr soll das E-Rezept flächendeckend in Deutschland eingeführt werden. Was bedeutet das für Personen, die kein Smartphone besitzen?

Die Einführung des digitalen Rezeptes in Deutschland nimmt konkrete Formen an. Jetzt wurde die offizielle App für das elektronische Rezept (E-Rezept) in den App-Stores von Apple und Google zum kostenlosen Download bereitgestellt. Gleichzeitig startete ein Pilotversuch in Berlin und Brandenburg: Rund 50 Arztpraxen und 120 Apotheken werden das neue E-Rezept testen und bewerten.

Die App stammt von der Gematik GmbH, die mehrheitlich dem Bund gehört und für den Aufbau eines sicheren Gesundheitsdatennetzes verantwortlich ist. Das Bundesgesundheitsministerium und die Gematik versprechen sich vom E-Rezept eine höhere Arzneimittelsicherheit für die Patienten, wenn alle eingenommenen Arzneimittel mit Blick auf Neben- und Wechselwirkungen kontinuierlich geprüft werden. Außerdem soll der gesamte Ablauf von der Verschreibung in den Arztpraxen über die Abholung durch den Patienten bis hin zur Abrechnung bei den Krankenkassen viel effizienter gestaltet werden.

Die App "E-Rezept" können Sie sich kostenlos und virengeprüft für Android und iOS bei CHIP herunterladen.

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Mit der App können Sie Rezepte zukünftig per Scan importieren und einlösen.

Testphase in Deutschland gestartet

Bis die ersten digitalen Rezepte ausgestellt werden, kann es noch einige Wochen dauern, denn in dem Pilotversuch in Berlin und Brandenburg simulieren zunächst ausgewählte Partner verschiedene Testszenarien. Damit soll das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme unter realen Bedingungen untersucht und erprobt werden. Das E-Rezept soll dann zum Januar 2022 verpflichtend für alle Praxen kommen. Bereits ein Quartal zuvor, zum Oktober 2021, ist die digitale Variante des "gelben Zettels", also die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), vorgeschrieben.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat dem System inzwischen eine Freigabe erteilt. Die Überprüfung habe "keine wesentlichen Mängel" festgestellt, heißt es in dem Prüfbericht. Das BSI will den regulären Start ab 2022 allerdings nur erlauben, wenn die geforderten Auflagen umgesetzt werden. So sollen die Nutzer in der App künftig gewarnt werden, wenn sie den Zugriff auf ihr Smartphone nicht mit einem Code oder per Fingerabdruck schützen. Sie sollen außerdem eine Benachrichtigung bei ungewöhnlichen Anmeldeversuchen erhalten. Über die Freigabe der App und die Auflagen des BSI hatte das "Handelsblatt" zuvor berichtet. gematik

Der E-Rezept-Start: Teil einer großen Digital-Reform

Mit dem E-Rezept-Pilotversuch startet auch die dritte Phase des großangelegten Digitalisierungsprojekts des deutschen Gesundheitswesens, die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Zum Stichtag 1. Juli sollten alle Arztpraxen an die digitale Telematik-Infrastruktur des Gesundheitswesens (TI) angeschlossen sein. Nach Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind "nahezu alle Praxen der niedergelassenenÄrzte und Psychotherapeuten" an die TI angeschlossen, die einen sicheren und schnellen Datenaustausch im Gesundheitswesen ermöglichen soll.

Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium, erinnerte beim Besuch einer bereits vernetzten Berliner Arztpraxis daran, dass dem Start der elektronischen Patientenakte eine über 18 Jahre lange Diskussion vorausgegangen war. Die ePa werde nun "Schritt für Schritt in immer mehr Arztpraxen einsetzbar sein". Ende September stehe sie dann flächendeckend in ganz Deutschland zur Verfügung."Mit der elektronischen Patientenakte können Daten schneller ausgetauscht und längerfristig aufbewahrt werden. Dies wird die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessern."

Der Chef der Gematik GmbH, Markus Leyck Dieken, sprach von einer "neuen Epoche", die nun "endlich für Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten" starte. "Die Menschen werden in den nächsten Monaten mehr und mehr bemerken, dass sie es leichter haben, wenn sie ihre Befunde mithilfe der elektronischen Patientenakte immer dabei haben."

Arztpraxen, die nicht an die TI angeschlossen sind, können künftig mit einem Honorarabzug bestraft werden. Die Sanktionen wurden aber vorerst ausgesetzt, da noch nicht alle gängigen IT-Systeme in den Praxen andie TI angedockt werden können. Die Zulassung für das entsprechende Upgrade beim letzten noch fehlenden maßgeblichen Anbieter erfolgt nach Angaben der Gematik "in wenigen Wochen".

  • Download bei CHIP: E-Rezept – Android App
  • Download bei CHIP: E-Rezept iPhone- / iPad-App Christoph Dernbach/dpa

FAQs: Das müssen Patienten jetzt wissen

In einigen Arztpraxen und Apotheken der Testregion Berlin-Brandenburg können sie ab Anfang Juli statt des alten rosa Papierrezepts auch ein elektronisches Rezept auf dem Smartphone vorzeigen. Geplanter Start für das E-Rezept in ganz Deutschland: 2022. Ganz verschwinden wird das Rezept auf Papier im kommenden Jahr aber noch nicht. Auch für Menschen ohne Smartphone gibt es eine Lösung.

"Für den Patienten sehen wir durch das E-Rezept hauptsächlich Vorteile", sagt Sabine Wolter, Referentin fürGesundheitsrecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Dem Patienten werden Wege erspart." Die Testphase werde zeigen, wo eventuell noch Nachsteuerungsbedarf bestehe, so die Verbraucherschützerin.

Wo und ab wann gibt es das E-Rezept?

Am 1. Juli startet das elektronische Rezept in Berlin und Brandenburg. "In dieser sogenannten Fokusregion sind es etwa 50 Arztpraxen und 120 Apotheken, die das E-Rezept testen und bewerten", sagte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Das sei in der Region etwa jede zehnte Apotheke. In teilnehmenden Praxen können Patientinnen und Patienten wahlweise ein Papier- oder ein E-Rezept bekommen.

Ursprünglich sollte es im Sommer bundesweit losgehen. Doch daraus wurde doch nichts. "Das Ganze ist komplexer als gedacht", begründet Overwiening diese Verschiebung. Nun werden im vierten Quartal dieses Jahres nach und nach alle weiteren Praxen und Apotheken an das System angeschlossen. Erst zum 1. Januar2022 wird das E-Rezept für alle gesetzlich Versicherten und alle Vertragsärzte in Deutschland verpflichtend. Ab dann soll es kein rosa Rezept mehr geben.

Was ist mit privat Versicherten?

Das blaue Rezept für Privatversicherte gibt es zunächst weiter in Papierform. "Auch privat Versicherte sollen zukünftig einen Zugang zum E-Rezept erhalten", sagt Verbraucherschützerin Wolter. Nach Angaben der ABDA werden hier noch Konzepte für eine benutzerfreundliche Abrechnung erarbeitet. Zurzeit müssen Privatversicherte in der Apotheke jeweils in Vorleistung gehen und anschließend das Rezept mit ihrer Krankenversicherung abrechnen.

Ähnlich läuft es, wenn gesetzlich Versicherte alternative Medikamente erhalten, für die keine Rezeptpflicht besteht. Diese können sie zum Teil später bei der Krankenkasse einreichen. Auch hier gilt das E-Rezept noch nicht, Ärztinnen und Ärzte stellen in dem Fall weiterhin ein grünes Papierrezept aus.

Und wie funktioniert nun das E-Rezept?

Wer ein Smartphone besitzt, lädt sich zunächst die kostenlose E-Rezept-App herunter. Sie soll ab 1. Juli im Google Play-Store, im App-Store von Apple und der Huawei AppGallery verfügbar sein. Die App wurde von der Gematik entwickelt, die für die Telematikinfrastruktur in Deutschland verantwortlich ist. Das Bundesgesundheitsministerium ist Hauptanteilseigner dieser Gesellschaft.

Hat man die App auf dem Smartphone, verordnet der Arzt ein bestimmtes Medikament nicht mehr auf Papier, sondern digital. "Man bekommt einen speziellen Code auf seine Handy-App", erklärt Verbraucherschützerin Wolter. Den kann man in der Apotheke selbst vorzeigen oder man übermittelt ihn, um sich etwa die Arznei liefern zu lassen. Damit das alles klappt, muss das Smartphone den NFC-Übertragungsstandard unterstützen und mindestens iOS 12 oder Android 6 als Betriebssystem haben, erklärt die Gematik.

Zudem ist eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion nötig. Das sei an der sechsstelligen Zugangsnummer unter den Deutschland-Farben der Karte erkennbar. Zudem braucht man die PIN-Nummer der Karte. Wer die PIN nicht hat, fragt bei der Krankenkasse nach.

Wer sich nicht mit der Gesundheitskarte in der App anmelden kann – sei es, weil das Smartphone nicht den Vorgaben entspricht oder man die Karten-PIN nicht parat hat -, kann sie nur abgespeckt nutzen: Um den Rezeptcode in der Arztpraxis vom Ausdruck abzuscannen, ihn in der App zu speichern und in der Apotheke auf dem Smartphone vorzuzeigen. Der Mehrwert dieser Funktionalität allein ist eher dürftig.

Generell gut zu wissen: Auch in Versandapotheken ist ein E-Rezept einlösbar. Abgerechnet wird wie bisher: direktzwischen Apotheke und gesetzlicher Krankenkasse.

Was mache ich, wenn ich gar kein Smartphone habe?

Dann wird der Code in der Praxis auf Papier ausgedruckt – diese Option besteht weiterhin und ist ja auch nötig, wenn man zwar die App hat, aber dort nicht mit der Gesundheitskarte angemeldet ist und den Code deshalb wie oben beschrieben abscannen muss.

Der ausgedruckte Code kann in der Apotheke genauso eingelesen werden wie der digitale. Wer kein Smartphone hat, wird also nicht ausgeschlossen.

Welche Vorteile soll das E-Rezept für mich bringen?

Es soll idealerweise manchen Weg ersparen. "Im Grunde kann ein Patient vom Arzt nach Hause oder zur Arbeit gehen, in der App nach einer Apotheke suchen und eine unverbindliche Anfrage stellen, ob das Arzneimittel vorhanden ist", erklärt Wolter. So hat man die Option, als Patient nur dann zu bestellen, wenn eine Arznei vorrätig ist.

Bietet die Apotheke einen Botendienst an, bringt sie einem das Medikament vielleicht direkt abends vorbei. Die Verbraucherschützerin rechnet damit, dass sich Botendienste von Apotheken mit dem E-Rezept noch weiter etablieren.

Wer ein Folgerezept braucht, zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen, kann durch das E-Rezept eventuell auf den Gang zum Arzt verzichten. Kennt der Arzt den Patienten samt der Krankengeschichte, reicht ein Anruf. "Wenn jemand nicht gut zu Fuß ist oder das Haus nicht verlassen will, kann der Arzt auf einen Anruf hin ein Medikament verordnen und ein E-Rezept schicken", sagt ABDA-Präsidentin Overwiening.

Zudem können auf der App Hinweise zur Einnahme und Dosierung sowie der Medikamentenplan hinterlegt werden. Ein gewünschter Effekt davon ist, so Verbraucherschützerin Wolter: "Der Apotheker sieht, was für Arzneimittel der Patient bereits einnimmt, und merkt, wenn sich vielleicht etwas nicht verträgt."

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