Warum die Corona-Varianten so besorgniserregend sind – ein Überblick
Zu den drei aktuell gelisteten besorgniserregenden SARS-CoV-2-Varianten kommen neue „Variants of Investigation“ (VOI) hinzu. Was aber macht die Varianten nun eigentlich besorgniserregend? Dazu hat DAZ.online für Sie eine Übersicht zusammengestellt. Bemerkenswert ist, dass es eine evolutionäre Entwicklung zum Entkommen vor Testungen zu geben scheint. COVID-19 wird also wahrscheinlich noch lange die Welt bewegen.
Die britische Variante B.1.1.7 aka VOC-202012-01 aka 20I/501Y.V1
23 Mutationen gegenüber der Ursprungsvariante besitzt diese Mutante. 17 davon äußern sich in Aminosäureaustauschen in den Virusproteinen, davon acht im Spike-Protein (S-Protein). Von der KW 4 bis zur KW 9 des Jahres 2021 stieg laut Robert-Koch Institut der Anteil der britischen Variante unter den identifizierten Fällen in Deutschland von 6 Prozent auf 55 Prozent an.
Die Variante erschien wohl im September 2020 das erste Mal auf der Bildfläche und hatte sich bis Jahresende bereits in Großbritannien stark ausgebreitet. Mittlerweile ist sie in ganz Europa stark vertreten – besonders etwa in Tschechien. 111 Länder weltweit meldeten bereits Vorkommen.
Diese Variante scheint sich schnell zur vorherrschenden Mutante zu entwickeln, was wohl insbesondere an einer erhöhten Übertragbarkeit liegt. Die derzeit in Deutschland steigenden Inzidenz- und R-Werte werden mit der Ausbreitung von B.1.1.7 in Verbindung gebracht.
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Neben einer höheren Übertragbarkeit von etwa plus 50 Prozent gibt es unter anderem laut RKI auch erste Anzeichen dafür, dass die Fallsterblichkeit, die „Case Fatality Rate“ CFR, bei dieser Variante höher liegt als beim Wildtyp. Untersuchungen zeigen eine um den Faktor 1,3 bis 1,9 höhere CFR.
Besonders einige Mutationen im Spike-Protein werden dafür verantwortlich gemacht. Etwa die Mutation N501Y. Das heißt, an Position 501 des Spike-Proteins befindet sich die Aminosäure Tyrosin (Einbuchstabencode „Y“) statt Asparagin (N). Diese Mutation innerhalb der Rezeptorbindedomäne (RBD) des Proteins erhöht die Bindung an den auf den Zellen exprimierten Rezeptor ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2), über den der Eintritt des Virus in die Zelle vermittelt wird.
Escape-Mutation mit verringerter Wirksamkeit der Impfstoffe
Die Deletion Y144/145del (Tyrosin an Position 144 fehlt) verändert die Form des S-Proteins, was die Bindung von gegen den Wildtyp gerichteten Antikörpern verhindern kann. Dies stellt eine sogenannte Escape-Mutation dar, mit der das Virus der Bekämpfung durch das Immunsystem entkommen kann. Da an dieser Stelle auch die Impfstoffe ansetzen, führt das unter anderem zu einer verringerten Wirksamkeit der Impfstoffe.
Die Mutation P681H, bei der Prolin durch Histidin ersetzt ist, hat wahrscheinlich Auswirkungen auf die Spaltung des S-Protein-Vorläufers durch die Protease Furin in der Wirtszelle – und damit auf die Struktur des fertigen S-Proteins.
Die Deletion 69-70del, bei der Histidin und Valin in den Positionen 69 und 70 fehlen, hat Auswirkungen auf die Infektiosität und sorgt bei Immungeschwächten Patient:innen für ein Entkommen des Virus vor dem Immunsystem.
Falsch negative PCR-Tests
Außerdem setzen die Primer vieler RT-PCR-Testkits in dem Bereich der viralen RNA an, wo diese Mutation sich befindet. Diese PCR-Tests können diese Variante dann oft nicht erkennen und zeigen falsch negative Ergebnisse an. Es wäre ein Mutmaßung, dass verbreitete Testung mit konsequenter Quarantäne als eine Form von Selektionsdruck fungiert haben könnte, sodass diese Mutation eine evolutionäre Anpassung an Teststrategien darstellen könnte – dafür fehlen allerdings Beweise. Anders als die neu aufgetauchte bretonische oder die finnische Variante (siehe unten) entkommt diese aber nicht allen verfügbaren RT-PCR-Testkits.
In jedem Fall kam man durch diese markante Spike-Deletion der Variante erst auf die Spur. Mittlerweile nutzt man sie spezifisch, um die Variante B.1.1.7 nachzuweisen, da in der RT-PCR die entsprechende Bande fehlt. Sie wird als SGTF – S-Gene Target Failure – bezeichnet.
Die WHO nennt für die Variante außerdem eine erhöhte Wiederinfektionsrate (Secondary attack rate), einen leichten hemmenden Einfluss auf neutralisierende Antikörper, aber bislang keinen beobachteten Einfluss auf die Wirksamkeit der bislang zugelassenen Impfstoffe.
Die Variante hat noch einen Abkömmling, bei dem die Mutation E484K (Glutaminsäure an Position 484 durch Lysin ausgetauscht) vorliegt. E484K findet sich auch bei B.1.351 und P.1 und gilt als Escape-Mutation, die durchaus einen Einfluss auf die Impfstoff-Wirksamkeit hat. In der Rezeptorbindedomäne gelegen, vermittelt auch E484K eine höhere Affinität zu ACE2.
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