Warum Ballaststoffe bei Bluthochdruck vergleichbare Auswirkungen wie Arzneien haben
Der schützende Effekt von Propionsäure
Ballaststoffe, die beispielsweise aus Vollkornprodukten und Früchten entstammen, haben einen schützenden Effekt vor den schweren gesundheitlichen Auswirkungen von Bluthochdruck. Diese Auswirkung wurde schon seit längerem beobachtet und Ernährungsgesellschaften raten seit Jahren zur vermehrten Einnahme von Ballaststoffen. Ein deutsches Forschungsteam fand nun heraus, warum die Ballaststoffe diesen positiven Effekt haben. Bei der Verdauung entsteht die kurzkettige Fettsäure Propionsäure, die wie ein Medikament auf den Organismus wirkt.
Forschende des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin und der Charité Universitätsmedizin Berlin haben entschlüsselt, warum Ballaststoffe unseren Körper vor Herzkrankheiten schützen können. Das Abbauprodukt Propionsäure, dass während der Verdauung von Ballaststoffen entsteht, ist für die schützende Funktion verantwortlich. Der Studie zufolge wirkt die Propionsäure direkt auf das Immunsystem ein und beruhigt so entzündliche Prozesse, die Bluthochdruck und andere Herzkrankheiten antreiben. Die Studienergebnisse sind kürzlich in dem Fachjournal „Circulation“ erschienen.
Wie Propionsäure das Herz schützt
Laut Angaben der Forschungsgruppe ist insbesondere die kurzkettige Fettsäure Propionsäure für den schützenden Effekt der Ballaststoffe verantwortlich. Das kleine Molekül wirke direkt auf das Immunsystem ein und beruhige jene Immunzellen, die den Blutdruck in die Höhe treiben und entzündliche Prozesse antreiben. „Erst durch unsere Studie ist klar geworden, dass die Substanz den Umweg über das Immunsystem nimmt und so auf Herz und Gefäße einwirkt“, berichten Dr. Nicola Wilck und Hendrik Bartolomaeus in der Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Entzündliche Prozesse werden besänftigt
„Insbesondere jene T-Helferzellen, die entzündliche Prozesse befeuern und Bluthochdruck mitverursachen, würden so beruhigt“, schreiben die Experten. Dies wirke sich unmittelbar auf die Leistungsfähigkeit des Herzens aus. Die Fettsäure Propionsäure schütze so vor den Folgen von Bluthochdruck wie Arterienverkalkung (Atherosklerose), Gewebeumbau des Herzens und Herzrhythmusstörungen.
Herzkranke Mäuse leben länger mit Propionsäure
Die positive Wirkung von Propionsäure testete das Team an Mäusen. Durch elektrische Reize konnten bei 70 Prozent der Tiere Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden. Bei Mäusen, die zuvor Propionsäure erhalten hatten, gelangt die künstliche Auslösung der Störung nur bei 20 Prozent der Tiere. Durch Ultraschalluntersuchungen, Gewebeentnahmen und Zellanalysen belegten die Forschenden, dass die Propionsäure blutdruckbedingte Schäden am Herz-Kreislauf-System der Tiere verminderte und sich dadurch ihre Überlebensrate wesentlich steigerte.
Wie ein Medikament
„Propionsäure wirkt gegen ein Spektrum an bluthochdruckbedingten Schädigungen des Herz-Kreislaufsystems“, resümiert Arbeitsgruppenleiter Professor Dominik N. Müller. Das Team kommt zu dem Schluss, dass sich die Säure auch als eigenständiges Medikament zur Therapie von Bluthochdruck eignen könnte. „Interessant könnte das vor allem für die Behandlung von Patienten werden, die zu wenig von dieser Fettsäure haben“, so der Professor.
Propionsäure bald als eigenständiges Medikament verfügbar?
Die Forschungsgruppe sieht in der kurzkettigen Fettsäure eine neue Möglichkeit zur Therapie von Herzkrankheiten. „Vielleicht ist es sinnvoll, Propionsäure oder eine chemische Vorstufe direkt als Medikament zu verabreichen“, berichtet Dr. Wilck. Vorher müsse sich Propionsäure aber noch im Klinikalltag bewähren. Da die Fettsäure bereits für den Verzehr zugelassen ist und sie beispielsweise als Konservierungsmittel genutzt wird, seien die Hürden zur Einführung jedoch gering. „Unter diesen günstigen Voraussetzungen schafft die Propionsäure hoffentlich schnell den Sprung vom Labor zu den Betroffenen“, so das Fazit der Expertin.
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