Omikron vervierfacht Infektionsfälle: Harvard-Mediziner warnt vor Verharmlosung
Die Zahl der Corona-Fälle mit der Omikron steigt rasant, besonders in Südafrika verbreitet sich die Variante. Bislang meldeten die Behörden vor allem milde Verläufe. Daraus darauf zu schließen, dass Omikron generell milde Verläufe auslöst, ist laut Harvard-Epidemiologe Eric Feigl-Ding allerdings falsch.
Die Omikron-Variante verbreitet sich in rasantem Tempo. Wie Genetiker Ulrich Elling am Montag den österreichischen Nachrichtenagenturen sagte, wiesen Daten aus Südafrika "im Moment auf eine Vervierfachung der Infektionsfälle pro Woche" hin. In der Region Gauteng, wo die neue Variante schon großflächiger kursiere, könne man demnach sogar von einer "Verhundertfachung" der Fälle im Verlauf des Novembers sprechen. Laut Elling liege das auch daran, dass sich das Infektionsgeschehen in Südafrika bis vor wenigen Wochen noch auf sehr geringem Niveau bewegt hatte.
Nur milde Fälle mit Omikron?
Die mit der neuen Coronavirus-Variante infizierten Menschen in Südafrika sind nach Angaben der dortigen Mediziner-Vereinigung bislang nicht schwer erkrankt. Die Vorsitzende des südafrikanischen Ärzteverbands, Angélique Coetzee, sagte der BBC, dass die bisher in ihrem Land festgestellten Fälle nicht schwerwiegend seien.
Sie fügte hinzu, die Symptome der neuen Variante seien zwar ungewöhnlich, aber mild. Sie sei zum ersten Mal auf die Möglichkeit einer neuen Variante aufmerksam gemacht worden, als Anfang November Patienten mit ungewöhnlichen Covid-19-Symptomen in ihre Praxis in Pretoria gekommen seien. Sie hätten unter starker Müdigkeit gelitten. Keiner von ihnen habe einen Geschmacks- oder Geruchsverlust beklagt. "Ihre Symptome waren so anders und milder als die, die ich zuvor behandelt hatte."
Harvard-Epidemiologe warnt vor Verallgemeinerung
Informationen wie diese veranlassen manche, auf generell mildere Infektionen bei der Omikron-Variante zu schließen. Ein grober Fehler, wie Harvard-Epidemiologe Eric Feigl-Ding auf Twitter betont. Dort teilte er jetzt einen Artikel des US-Senders PBS. In diesem ist ebenfalls die Rede vor allem milden Verläufen – laut dem Wissenschaftler "Falschinformation".
Er führt stattdessen die "Verdreifachung der Krankenhauseinweisungen in zwei Wochen" im "Omikron-Epizentrum" der Provinz Gauteng, Südafrika an. Diese seien laut CDC-Daten von 136 auf 416 gestiegen. Feigl-Ding schildert weiter die dramatischen Zustände aus den Krankenhäusern des Landes. Von den 747 derzeit mit Covid-19 in der Provinz Gauteng ins Krankenhaus eingelieferten Patienten, stünden 137 unter besonderer Beobachtung oder würden intensiv behandelt. Das entspricht 18 Prozent – also fast jedem fünften. Allerdings sind in Südafrika nur rund 24 Prozent der Menschen vollständig geimpft.
"Es werden jetzt viele Fehlinformationen verbreitet", warnt Feigl-Ding. Dass Omikron generell mild sei – "das ist Unsinn". Die Aussage des südafrikanischen Ärzteverbandes lasse sich nicht verallgemeinern. Stattdessen sei im Augenblick noch nicht genug bekannt, um stichhaltige Aussagen über die Verläufe mit der neuen Variante zu treffen.
Gefahr von Omikron liegt in der Infektiösität
Die Genomsequenzierung zeige außerdem, dass die Omikron-Variante jetzt sogar über Delta „dominant wird“. Wie Feigl-Ding betont, sei sie auch vor allem wegen ihrer starken Infektiösität gefährlich. "Wir wissen auch, dass eine ansteckendere Krankheit, die weniger Infizierte ernsthaft schädigt, aber mehr Menschen infiziert, letztendlich mehr Menschen schadet (eine größere absolute Zahl von Schwerkranken) als eine schwere Krankheit, die weniger ansteckend ist."
Bislang wissen Wissenschaftler noch zu wenig über die neue Variante, um deren weitere Entwicklung abzuschätzen. Auch, ob die Impfstoffe weiter gegen sie wirken, ist bislang nicht gesichert. Dass Omikron allein am Spike-Protein, der Stelle, mit der der Erreger in menschliche Zellen eindringt, 32 Mutationen hat, verstärkt allerdings diesen Verdacht.
Das Spike-Protein bindet sich an die sogenannten ACE2-Rezeptoren in unseren Zellen. Dadurch gelangt der Erreger in die Zellen hinein und vermehrt sich dort. Das sollen unsere Corona-Impfstoffe verhindern. Sie regen unser Immunsystem an, sich gegen das Spike-Protein zu wehren. Es ist also häufig der Angriffspunkt von neutralisierenden Antikörpern, die etwa durch die Impfung entstehen.
Wird dieses Spike-Protein nun aber verändert, scheinen die Zellen bestimmte Antikörper nicht mehr binden zu können. Das Virus lässt sich also nicht mehr so leicht neutralisieren, es entkommt zumindest teilweise der Immunantwort des Körpers. Man spricht hier von sogenannten „Immun-Escape-Mutationen“. Experten fürchten daher, dass die Impfstoffe unter Umständen nicht mehr so gut wirken wie zuvor. Etwa sagte Moderna-Chef Stephane Bancel der „Financial Times", er rechne damit, dass die gegewärtigen Coronaimpfstoffe nicht so wirksam gegen die neue Variante seien. Hierfür gibt es aber bislang keine Belege.
Hersteller entwickeln Impfstoffe gegen die Omikron-Variante
Moderna erklärte daraufhin am Freitag, es habe bereits mit der Arbeit an einem Impfstoff gegen die Omikron-Variante begonnen. Hunderte seiner Mitarbeiter hätten nach ersten Veröffentlichungen zur Mutante am Donnerstag angefangen, an einer entsprechenden Anpassung des Corona-Impfstoffs zu arbeiten, sagte der medizinische Chef des Pharmakonzerns, Paul Burton, am Sonntag in einem BBC-Interview.
Sollte tatsächlich ein neues Vakzin produziert werden müssen, rechne Burton damit, dass dieses Anfang 2022 in großem Maßstab hergestellt werden könnte. „Das ist ein gefährlich erscheinendes Virus“, sagte Burton. „Aber ich denke, wir haben jetzt viele Werkzeuge in unserem Arsenal, um es zu bekämpfen, also bin ich optimistisch.“
Biontech zog am Montag nach. Das Unternehmen erklärte, neben laufenden Labortests zur Untersuchung der neuen Corona-Variante Omikron auch an der Entwicklung eines angepassten Impfstoffs zu arbeiten. Allerdings lediglich vorbeugend für den Fall, dass dieser notwendig werden könnte, wie das Unternehmen betonte. „Um keine Zeit zu verlieren, gehen wir diese beiden Aufgaben parallel an, bis die Daten vorliegen und wir mehr Informationen darüber haben, ob der Impfstoff angepasst werden sollte oder nicht“, so ein Sprecher.
Gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer habe man schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer sogenannten Escape-Variante des Virus den Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern, erklärte Biontech. Dafür seien klinische Studien mit variantenspezifischen Impfstoffen gestartet worden, um Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit zu erheben. Diese könnten im Fall einer Anpassung bei den Behörden als Musterdaten vorgelegt werden.
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